5G-Technik, 5G-Anwendungen und 5G.Geschäftsmodelle – wir beleuchten alle Aspekte.

Revolution in vielen Branchen: Anwendungen für 5G

Aufmacherbild: Composing Intelligente Welt; Hintergrund (C) Petr Kratochvil;
Urheber der eingeklinkten Anwendungs-Detailbilder siehe unten

Die Zielsetzungen für den künftigen Kommunikationsstandard 5G gehen erheblich weiter als nur höhere Datenraten im Vergleich zu den heute üblichen Mobilfunktechniken zu ermöglichen. Oft sind es gerade die anderen Eigenschaften, die das 5G-Netz bieten soll, aus denen sich in vielen Branchen innovative Anwendungen entwickeln sollen. Unser Themenspecial „5G in der Anwendung“ zeigt, wie die besonderen Eigenschaften des künftigen Kommunikationsnetzes ganz unterschiedliche Innovationen ermöglichen wird.

Schon in früheren Beiträgen haben wir betont, dass 5G eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen soll. Ausführlich können Sie die technischen Grundlagen zum Beispiel hier kennenlernen. Doch für den schnellen Überblick haben wir die wichtigsten geplanten Eckdaten des künftigen Netzes im Folgenden zusammengestellt.

Viel mehr als nur Geschwindigkeit: Technische Anforderungen an 5G

Bemerkenswert an der Entwicklung von 5G ist ohnehin, dass am Anfang der Konzeption und Standardisierung die Formulierung von Anforderungen stand. Zuerst haben verschiedene Branchen und Player definiert, was das künftige Netz aus ihrer Sicht leisten muss. Und dann gingen die Forscher und Entwickler daran, Lösungen zu erarbeiten, die diese Anforderungen im einzelnen erfüllen.

Hohe Datenraten: Auch wenn wir eingangs betonten, dass es bei 5G um weitaus mehr geht als nur um höhere Datenraten – auch sie soll es beim neuen Kommunikationsstandard natürlich geben. Während aktuelle 4G-Mobilfunkstandards heute maximale Datenraten von etwa 300 MBit/s unterstützen, soll 5G für datenhungrige Anwendungen Übertragungsgeschwindigkeiten im Bereich von 1 Gigabit/Sekunde und mehr erlauben.

Geringe Latenzen: Das neue Netz soll sehr schnelle Reaktionen und Steuerprozesse erlauben. Am liebsten würden die Ingenieure die sogenannte Latenzzeit – also die von der Übertragungskette verursachten Verzögerungen – auf 1 Millisekunde reduzieren. Dieser Anspruch lässt sich mit zentralen Rechenzentren und Kernnetzen nicht erfüllen – selbst der Transport von Signalen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit über Glasfaserkabel dauert über einige hundert Kilometer zu lang. Die Lösung soll „Mobile Edge Computing“ bringen – das Heranrücken von Rechenzentrums-  und Cloud-Funktionen bis an die Außengrenzen des Netzes und somit direkt an die Mobilfunk-Basisstationen.

Große Mengen von Endgeräten: Die heutigen 4G-Netze wurden für Smartphones gebaut. Schon 2015 gab es mit 7,3 Milliarden Mobiltelefonen auf der Welt ebensoviele Geräte wie Menschen – aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 2 Milliarden davon Smartphones sein dürften. 5G wird jedoch vor allem für das „Internet of Things“ (IoT) entwickelt. Und hier überschlagen sich die Schätzungen – schon bis 2020 (dem erwarteten Marktstart von 5G) soll es zwischen 10 und 20 Milliarden per Mobilfunk vernetzter Geräte geben. Das neue Netz soll auf Gerätezahlen von 500 Milliarden und mehr ausgelegt werden.

Geringer Energieverbrauch: Ein Teil der angesprochenen IoT-Geräte werden Sensoren sein, die im Idealfall autark bis zu 10 Jahre laufen sollen. Um solche Laufzeiten ohne Batteriewechsel zu ermöglichen, müssen solche Geräte extrem energiesparsam arbeiten. Im Gegenzug müssen sie allerdings auch keine riesigen Datenmengen transportieren – ein oder zwei mal am Tag ein Datenpaket mit Zählerständen oder ähnlichen Statusinformationen abzusetzen würde genügen.

Extrem hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit: Für Anwendungen wie aus dem Netz gesteuertes hochautomatisiertes Fahren oder telemedizinische Überwachung wird eine fast 100-prozentige Netzverfügbarkeit gefordert. Die Ingenieure sind sich zwar einig, dass diese Maximal-Verfügbarkeit nicht landes- beziehungsweise weltweit erreicht werden kann. Aber zumindest in Innenstädten, entlang von Autobahnen und in anderen Regionen, in denen bestimmte 5G-Anwendungen es verlangen, müssen extrem dichte Funknetze diese Verfügbarkeit garantieren. Dies kann dazu führen, dass in solchen Regionen alle paar hundert Meter eine Mobilfunkbasis benötigt wird.

Ein Netz, viele Eigenschaften – und das nicht nur für Mobilfunk

Ein interessanter Aspekt dieser Eigenschaften ist, dass sie sich zum Teil widersprechen. So lassen sich zum Beispiel hohe Datenraten und minimale Latenzzeiten kaum mit minimalem Energiebedarf überein bringen. Doch günstigerweise sind nicht für alle Anwendungen auch alle für geplanten 5G Eigenschaften erforderlich. Dieser Tatsache trägt das für den 5G-Standard konzipierte „Network Slicing“ Rechnung – die Übertragungstechnik bietet sozusagen gleichzeitig mehrere Schichten („Slices“) mit unterschiedlichen Eigenschaften: hoher Datenrate, hohe Verfügbarkeit, geringem Energieverbrauch. Ein Endgerät beziehungsweise eine Anwendung kann sich dann genau die „Slice“ aussuchen, die ihren eigenen Bedürfnissen am besten entspricht.

Einige Netzbetreiber und Hersteller betonen, dass 5G kein reines Mobilfunknetz sein wird. Zum einen setzen die geforderten Eigenschaften einen dicht gewebten und leistungsstarken Glasfaser-Backbone voraus. Zum anderen werden manche Anwendungen aber auch auf die Anbindung per Funk verzichten. Im Zuge einer Entwicklung, die in der Fachsprache als „Fixed-Mobile-Convergence“ bezeichnet wird, wachsen die ehemals getrennten Festnetze und Mobilfunknetze zusammen. Bei einigen Anwendungen wird gar nicht mehr klar zu unterscheiden sein, ob es sich eher um eine festnetzbasierte Lösung oder eher um den Einsatz von Mobilfunk handelt.

Neue Netze, neue Anwendungen

Schon heute sind Vorab-Bausteine des neuen Netzes verfügbar – auf dem Mobile Word Congress, der Ende Februar in Barcelona stattfand, präsentierten Zulieferer und Netzausrüster, dass sie für den Aufbau der Zukunfts-Netze bereit sind. Im Lauf des Jahres 2018 plant die zuständigen Gremien ITU (International Telecommunications Union), 3GPP (Third Generation Partership Project) und NGMN (Next Generation Mobile Network Alliance), die Standards rund um 5G zu verabschieden. Im Lauf des Jahres 2020 erwarten Marktbeobachter dann die ersten kommerziellen 5G-Anwendungen. Pläne dafür gibt es auch heute schon viele:

(C) Comenius11
(C) Comenius11CC BY-SA 4.0

Mobilität: Eine der Flaggschiff-Anwendungen für 5G soll das hochautomatisierte Fahren sein. Zwar müssen sich entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge als Failsafe-Mechanismus auch ohne Netzverbindung sicher bewegen können. Aber die ständige Anbindung an eine Verkehrsdaten- und Fahrzeugsensor-Cloud wird die Zuverlässigkeit und Eigenintelligenz hochautomatisierter Fahrzeuge deutlich steigern. Und Car-to-Car-Kommunikation wird ad hoc Abstimmungsprozesse wie assistiertes Überholen oder die Bereitstellung von Rettungsgassen erleichtern. Voraussetzung für solche Anwendungen sind hohe Verfügbarkeit und geringe Latenzen – sowie je nach Anwendung bestimmte Mindestanforderungen an die Übertragungsbandbreite.

Michael KR
(C) Michael KRCC BY-SA 4.0

Logistik und Handel: Der Logistik-Bereich profitiert von 5G auf vielfältige Art und Weise. Hochautomatisierte Fahrzeuge wird es natürlich auch im Transportwesen geben – und nicht nur dort. Schon überlegen erste Anbieter, was autonomes Fahren etwa für den Handel bedeuten könnte. Möglicherweise besuchen automatisierte Fachgeschäfte auf vier Rädern irgendwann ihre Kunden, anstatt sie zum Shopping in die Innenstädte zu zwingen. Im Mittelpunkt des klassischen Warentransports stehen jedoch bis auf Weiteres vernetzte Sensoren, die Position, Temperatur, Erschütterungen und weitere Aspekte der Behandlung von Sendungen an Logistikzentralen oder Speditions-Disponenten übertragen. Hohe Ansprüche stellen solche Anwendungen vor allem an die Netzverfügbarkeit – zudem profitieren sie von energiesparenden Übertragungsmechanismen und möglichst günstigen Sensoren/Endgeräten.

(C) Hellerhoff; CC BY-SA 3.0
(C) Hellerhoff; CC BY-SA 3.0

eHealth, Assisted Living und Co: Neben vielen Konzepten für eHealth-Anwendungen und Assisted Living für Ältere und Pflegebedürtige, stehen im Gesundheitswesen vor allem telemedizinische Anwendungen im Fokus der Planungen rund um 5G. Von Facharzt-Versorgung bis hin zur Tele-Intensivmedizin gehen die Konzepte, die vor allem darauf zielen, die ärztliche Versorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern. Hohe Netzverfügbarkeit und für Bildübertragungen ausreichend hohe Datenraten stehen hier im Vordergrund. Soweit es um Tele-Operationen geht, kommt die Forderung nach extrem geringen Latenzzeiten hinzu – doch hier sind die Planer zurückhaltend, denn selbst einige -zig Kilometer Entfernung würden in diesem Bereich schon zu schwer handhabbaren Herausforderungen führen.

(C) Mixabest; CC BY-SA 3.0
(C) Mixabest; CC BY-SA 3.0

Industrie 4.0: Hoch individualisierte Produktionsprozesse setzen sowohl perfekte Rohstoff- und Waren-Logistik als auch umfangreich vernetzte Maschinen voraus. Vom Design der möglicherweise nur in „Losgröße 1″ produzierten Waren und deren Online-Bestellung und -Bezahlung über die vernetzte Fertigung bis hin zur Lieferung zum Kunden sind 100 Prozent Digitalisierung und Vernetzung unverzichtbar. Hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit, geringe Latenzzeiten und ausreichend dimensionierte Bandbreiten sind dafür die wesentlichen Voraussetzungen.

(C) Daniel Schroeder; CC BY-SA 2.5
(C) Daniel Schroeder; CC BY-SA 2.5

Medien und Kreativwirtschaft: Auch die Umbrüche in der Medienwelt dürften sich mit dem Einzug von 5G noch verstärken – wobei erfolgreiche Anbieter diese veränderten Rahmenbedingungen nicht als Bedrohung verstehen, sondern sie zu ihrem Vorteil zu nutzen versuchen. Schon heute gibt es Reporter-Apps, die Leser/Teilnehmer/Zuschauer zu Content-Lieferanten machen. Längst denken die Strategen in den großen Medienhäusern darüber nach, was es für ihre Rolle und ihre Produkte bedeutet, wenn etwa in einem voll besetzten Fußballstadion tausende Smartphone-Nutzer zu Kameraleuten werden. Klar ist jedenfalls: Solche Anwendungen werden hohe Bandbreiten, hohe Netzverfügbarkeit und Zuverlässigkeit sowie geringe Latenzen erfordern.

Klar ist überdies auch: Jeder, der in strategisch verantwortlicher Rolle heute am Geschäftsleben teilnimmt, sollte sich angesichts der anstehenden Umbrüche, aber auch der aus der neuen Technik entstehenden Chancen rechtzeitig Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen 5G auf seine Branche und sein Geschäftsmodel haben könnte – und wie sich dieser Wandel so gestalten lässt, dass das eigene Geschäft darunter nicht leidet, sondern vielmehr davon profitiert.

 

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