Mobile World Congress 2024: Alles nur Show oder alles auf KI?

Intelligente-Welt-Autor Hannes Rügheimer hat auch in diesem Jahr den Mobile World Congress besucht – die Mobilfunk-Fachmesse, die Ende Februar/Anfang März in Barcelona stattfand. Seine wichtigste Beobachtung: Mindestens jeder zweite Stand hatte die Überschrift Künstliche Intelligenz. Das gilt nicht nur für Smartphone-Hersteller und Netzbetreiber, sondern auch für die Lieferanten von Netz-Infrastruktur. In einer halbstündigen Videoschalte mit Christian Spanik gehen wir der Frage nach, was es damit auf sich hatte:  Versammelt sich die Branche nur unter dem neuesten Buzzword oder steckt mehr dahinter?

Eine Frage, die wir dabei beantworten: Könnte es passieren, dass KI im Mobilfunk die vom Mobilfunknutzer an seinem Handy erlebte Qualität sogar schlechter macht? Die Frage klingt zunächst kurios, aber ein kurzer Einblick in die Hintergründe erklärt, warum sie keineswegs abwegig ist.

Das komplette, knapp 38-minütige Videogespräch zwischen Christian und Hannes gibt es hier:

Spion gegen Spion – beziehungsweise KI gegen KI

In der Tat wirkt KI im Netz mittlerweile an sehr vielen Stellen. Sie dient etwa dazu, bei geringer Nachfrage Teile der Basisstationen beziehungsweise der Netzinfrastruktur gezielt herunterzufahren. Das kann zum Beispiel nachts sinnvoll sein, wenn sich nur wenige Mobilfunknutzer in einer Zelle aufhalten. Die Netzbetreiber reagieren mit solchen Mechanismen auf die stark gestiegenen Energiepreise und versuchen, beim Betrieb ihrer Mobilfunknetze weniger Strom zu verbrauchen, gleichzeitig aber die vom Endkunden erlebte Versorgungsqualität aufrechtzuerhalten.

Gleichzeitig sorgen Netztechnik-Elemente wie „Massive-MIMO-Antennen“ dafür, dass die gesendeten Signale möglichst zielgerichtet bei den Nutzern ankommen, die sie benötigen. Auch dies dient der Effizienzerhöhung und somit dem Sparen von Ressourcen. Bei all diesen Mechanismen hilft KI, sie möglichst zielgerichtet einzusetzen.

Doch auch im Smartphone arbeitet KI. Sie dient dort beispielsweise dazu, den Empfang zu optimieren und das selbst gefunkte Signal ebenfalls zu optimieren. Damit ergibt sich aber ein Zielkonflikt: Das Netz will mit KI-Unterstützung bei begrenzten Ressourcen möglichst viele Kunden möglichst optimal versorgen. Das Smartphone will für sich beziehungsweise seinen Nutzer möglichst viel Kapazität und somit Signal aus dem Netz.

Da liegt die Frage schon nahe, ob diese KI-Mechanismen nicht ein Stück weit gegeneinander arbeiten. Hannes Rügheimer hat sie in seinen Hintergrundgesprächen auf dem MWC gestellt. Und in der Tat haben seine Experten-Gesprächspartner ihm bestätigt, dass diese Gefahr keineswegs abwegig ist. Doch die Erfahrung zeige, dass sich aus den auf beiden Seiten eingesetzten Optimierungsmechanismen ein stabiles Gleichgewicht ergebe. Und noch viel wichtiger: Das Gesamtergebnis mit KI-Einsatz sei unter dem Strich besser als ohne KI.

Alles nur Hype? Oder ist KI doch ein übergreifender Trend im Mobilfunk?

Mit dem Blick auf das Messeangebot insgesamt wollte Christian wissen, wie viel KI tatsächlich auf der Messe präsent war, und wo dies eher ein Buzzword war. Hannes‘ Antwort: Natürlich ist KI ein Modebegriff – und mancher Aussteller gab im Gespräch zu, dass Lösungen zum Basis auf Machine Learning, die es schon seit zehn und mehr Jahren gibt, nun eben unter der Überschrift „KI“ angepriesen werden. Doch, so Hannes, letztlich käme es ja auch darauf an, wie man KI genau definiert. Denn Machine Learning sei ja durchaus ein Teil dessen,  was man unter Künstlicher Intelligenz zusammenfasse.

So gab es denn in Barcelona doch jede Menge praktischer Anwendungen der Technologie KI zu sehen. Sie reichen etwa von Logistik- und Service-Themen der Netzbetreiber (beispielsweise die nicht von jedem Kunden geliebten Chatbots) bis hin zu Geräte- und Bedienkonzepten, die stark Gebrauch von KI machen. Auch bei der Netzplanung spielen KI-Tools mittlerweile eine entscheidende Rolle.

Auch bei der Planung von Mobilfunk-Standorten helfen heute KI-Tools. Bild: Deutsche Telekom

Deutlich wurde dabei auch ein Aspekt: Für die Mobilfunkbranche (und nicht nur sie) ist KI auch ein Hoffnungsträger, um dem Fachkräftemangel und der Alterspyramide zu begegnen. So wies etwa ein CTO auf einer Podiumsdiskussion darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren eine große Anzahl von Ingenieuren und anderen Experten in Rente gehe. Es sei bei der aktuellen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt schlicht unmöglich, sie alle durch menschliche Mitarbeiter zu ersetzen. Lösen soll das Dilemma KI: Schon jetzt laufen Projekte, KI-Systeme mit dem Fachwissen der scheidenden Experten zu trainieren. Die Fortschritte gerade auf dem Gebiet von Generative AI versprechen, dass sich damit zum Beispiel Expertensysteme aufbauen lassen, die das in Rente gehende Fachwissen ein Stück weit ersetzen könnten.

Und wo waren die Gadgets?

Hinzu kamen natürlich KI-Anwendungen auf den Smartphones selbst – von dem von Google präsentierten „Circle to Search“ über „Galaxy AI“ von Samsung bis hin zu KI-Konzept-Smartphone am Stand der deutschen Telekom. Und Chiphersteller Qualcomm präsentierte die neueste Generation seiner SoCs („System-on-a-Chip“) mit noch mehr Hardware-Unterstützung für Onboard-KI-Funktionen.

In der neuesten Generation von Smartphone-Chips („SoCs“) von Qualcomm wird „on device“ eine Vielzahl von KI-Funktionen unterstützt. Bild: Qualcomm

Doch nicht nur Christian hatte während der MWC-Berichterstattung den Eindruck, dass es diesmal weniger Sensationen bei den Smartphones zu sehen gab. Große neue Trends wie zuletzt etwa Foldables fehlten 2024. Hannes erklärte dies mit verschiedenen Hintergründen: Zum einen ist der MWC von je her ein Fachkongress – der Endkunde wird dort weniger angesprochen. Wenn es in früheren Jahren sensationelle Endgeräte-Ankündigungen gab, richteten sich diese stärker an die Einkäufer der Netzbetreiber als ans allgemeine Publikum.

Zum anderen hat sich in der Branche längst etabliert, dass die großen Namen wie Samsung oder Apple ihre wichtigsten Neuheiten auf eigenen Events vorstellen, die sich nicht mehr am Zeitpunkt des Mobile Word Congress orientieren.

Die Besonderheit am Foldable-Smartphone „ZTE Nubia Flip“ ist sein angestrebter Preispunkt, der bei 600 bis 700 Euro liegen soll. Bislang waren Foldables noch locker doppelt so teuer. Bild: ZTE

Dennoch fanden sich auf dem MWC 2024 durchaus spannende Endgeräte-Neuheiten – beispielsweise das Foldable-Smartphone ZTE Nubia Flip, das es schon für vergleichsweise günstige 600 bis 700 Euro geben soll. Oder vom gleichen Hersteller das Nubia Pad 3D, dessen 3D-Display nicht nur spezielle 3D-Inhalte in eindrucksvoller Qualität anzeigt, sondern auch „flachen“ Standard-Inhalten – mit KI-Hilfe – einen 3D-Touch gibt.

Das ZTE Nubia Pad 3D (geplanter Preis: um 1200 Euro) besitzt ein Display für 3D-Darstellungen und kann mit KI-Unterstützung auch konventionelle 2D-Inhalte dreidimesional machen. Bild: ZTE

Samsung präsentierte unter Glas den Smart-Ring „Samsung Galaxy Ring„. Außer dem Einblick, dass er verschiedene körpernahe Sensoren beinhalten wird, gab es allerdings noch nicht viele Details dazu zu erfahren.

Den Trend zu transparenten Displays, der im Januar schon auf der CES zu sehen war, griff Lenovo auf und zeigte seine Konzeptstudie „Thinkbook Transparent„. Der Hersteller sagt aber selbst, dass diese Art von Notebooks sich auf spezielle Anwendungen etwa im Bildungsbereich oder für Augmented-Reality-Darstellungen  beschränken wird.

Die Konzeptstudie „Lenovo Thinkbook Transparent“ zeigt, wie ein Notebook mit transparentem Display aussehen könnte. Foto: Hannes Rügheimer

Ein persönliches Highlight von Hannes war schließlich das „Clicks Creator Keyboard“ – eine, zunächst für die aktuellen iPhone-Modelle angebotene – Hülle mit integrierter mechanischer Tastatur. „The Revenge of the Blackberry“ kursierte dazu als Schlagwort auf der Messe. „Aber wer auf einem Blackberry lieber und fehlerfreier getippt hat als auf einer virtuellen Displaytastatur, für den könnte das durchaus etwas sein“, so Hannes‘ Einschätzung.

Die Tastaturhülle „Clicks Creator Keyboard“, die bislang für aktuelle iPhone-Modelle angeboten wird, bringt Blackberry-Tippgefühl auf moderne Smartphones zurück. Bild: Hannes Rügheimer

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert