Eingangsbereich des Mobile World Congress 2023 in Barcelona.

Mobile World Congress 2023: Die wichtigsten Trends im Mobilfunk

Vom 27.02. bis 02.03. traf sich die Mobilfunkbranche auf ihrem wichtigsten Event, dem „Mobile World Congress“ in Barcelona. Nach pandemiebedingter Pause beziehungsweise einem Schmalspurprogramm im Vorjahr fand das Branchentreffen nun wieder in gewohntem Umfang statt. Die Intelligente Welt war vor Ort und schaute sich bei den Ausstellern nach den wichtigsten Trends im Mobilfunk 2023 um.

Natürlich gab es in den Messehallen in Barcelona eine fast unendliche Zahl an Innovationen und Weiterentwicklungen. Sei es bei Netzinfrastruktur-Komponenten und -Lösungen, rund um Fintech-Lösungen. Oder beim Thema Cybersecurity. Oder bei manigfaltigen Optimierungsansätzen mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Doch eine Reihe von Themen begegnete den Fachbesuchern gehäuft und in unterschiedlichen Ausprägungen. Sie bestimmen die sieben übergreifenden Trends, die wir Ihnen im Folgenden präsentieren wollen.

Auf dem Weg zu 6G: Weiterentwicklung zu „5G+“

Regelmäßige Leser der Intelligenten Welt kennen das schon: Die Einteilung in Mobilfunkgenerationen à la 4G und 5G gibt allenfalls grobe Anhaltspunkte, in welchem technologischen Umfeld sich Mobilfunklösungen bewegen. Tatsächlich findet die Weiterentwicklung kontinuierlich statt. Und etwa auf dem halben Weg zwischen zwei offiziellen Generationen fangen die ersten Anbieter an, an Plus an die aktuelle Nummer anzuhängen.

Messehalle mit Besuchern auf dem Mobile World Congress 2023.
Auf dem Weg zu 6G war „5G+“ in den Messehallen auf dem Mobile World Congress 2023 ein beherrschendes Thema. Bild: GSMA

Dieses Jahr in Barcelona war es soweit: Auf so manchem Messestand war „5G+“ zu lesen. So ganz eindeutig definiert ist diese Bezeichnung nicht. Aber in der Regel ist damit „5G Standalone“ gemeint – also 5G-Netze mit einem eigenen 5G-Kernnetz, im Gegensatz zu„Non Standalone“, bei dem Teile der 4G-Infrastruktur die 5G-Zellen mit steuern. Manche Anbieter beschreiben mit „5G+“ auch 5G auf den eher höheren Frequenzen, also typischerweise zwischen 3,4 und 3,8 GHz. Hier werden dank höherer Bandbreiten größere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich – üblicherweise geben die Anbieter zu bis 2 Gbit/s an. Aber im Gegenzug sinkt die Reichweite der Funksignale: 5G-Zellen, die in diesem Frequenzbereich funken, dienen meist nur als Hotspots mit einigen hundert Metern Durchmesser. Zur Flächenversorgung über mehrere Kilometer taugen die hohen Frequenzen aus physikalischen Gründen nicht.

Klar ist, dass „5G+“ (in spätestens zwei Jahren wird auch irgendjemand von „5.5G“ sprechen) die Entwicklung weiter in Richtung 6G treibt. Denn auch darüber macht sich die Mobilfunkbranche schon verstärkt Gedanken. 5G+ und 6G sind somit klare Branchentrends.

Schnittstellen für Apps und Co: APIs im Mobilfunknetz

Ein weiterer großer MWC-Trend in der Mobilfunkinfrastruktur waren die sogenanten APIs – Application Programming Interfaces. In dem Maße, in dem Mobilfunknetze durch Software definiert und virtualisiert werden (SDN – Software-defined Networking), lassen sich Netzeigenschaften auch per Software bestimmen und ändern. Daher ist es kein Wunder, dass die Branche nun darüber nachdenkt, wie Endgeräte und Anwendungen sich dies zu Nutze machen können.

"5G Early Access Programm" für Telekom-Entwickler.
Anbieter wie die Deutsche Telekom stellen ihre Netz-Schnittstellen den Entwicklern von Apps und Lösungen zur Verfügung. Bild: Deutsche Telekom

Ob Deutsche Telekom, Voda­foneTelefónica oder Orange – viele große Mobilfunkanbieter wollen ihre Netze für den direkten Zugriff durch Anwendungen öffnen. Und der Branchenverband GSMA schlägt mit „Camara“ bereits einen gemeinsamen Standard für solche Zugriffe vor.

Der Zweck der Übung: Über definierte Schnittstellen können Apps beispielsweise ermitteln, mit welcher Versorgungsqualität ein Endgerät aktuell ans Netz angebunden ist. Oder mit Einverständnis des Nutzers seine genaue aktuelle Position abfragen. Ein Rettungswagen könnte in Zukunft seine Fahrtroute ans Netz übermitteln und „vorbestellen“, dass er auf dieser Router die maximal mögliche Dienstegüte erhält. So ließe sich sicherstellen, dass der transportierte Patient das Optimum an 5G-basierter Diagnose- und Behandlungstechnik erhält.

Heute für Notfälle, später auch für mehr: Satellitenkommunikation mit dem Smartphone

Wie kann ein Smartphone vor allem in Notsituationen kommunizieren, wenn es aktuell keinen Netzempfang hat? Die Lösung haben Anbieter wie Apple, Motorola und Huawei bereits präsentiert: Not-Kommunikation per Satellit. Chiphersteller Qualcomm hat eine eigene Satellitenversion seines Snapdragon-Chips präsentiert („Snapdragon Satellite“). Somit ist davon auszugehen, dass in Zukunft sehr viel mehr Smartphones über diese Funktion verfügen werden. Satellitenkommunikation ist somit ein weiterer großer Trend auf dem Mobile World Congress 2023.

Bild "Snapdragon Satellite" von Qualcomm
Chiphersteller Qualcomm präsentierte die Satelliten-Notruf-Kommunikation auf dem Mobile World Congress 2023 mit seinem „Snapdragon Satellite“. Bild: Qualcomm

Die Satelliten-SOS-Funktion nutzt Low-Earth-Orbit-Satelliten wie Globalstar, Iridium oder Starlink. Die Bandbreite der Kommunikation ist dabei recht begrenzt, weshalb die Funktion im ersten Schritt für vorausgefüllte Notfall-Meldungen reserviert bleiben soll. Der Nutzer kann dann die Art seines Notfalls und seine Position übermitteln. Eine Leitstelle kümmert sich dann um die Information der zuständigen Rettungsdienste.

Doch mit zunehmendem Ausbau der erdnahen Satelliten-Flotten könnte die Funktion auch für „normale“ Anwendungen wie Chats, E-Mail oder andere Messaging-Dienst geöffnet werden. Wenngleich anzunehmen ist, dass eine solche Nutzung dann Extrakosten verursachen dürfte.

Über die Realität hinaus: Xtended Reality oder Reality+ auf dem MWC 2023

Auch wenn die Branche mal wieder gespannt darauf wartet, wann Apple sein gerüchteweise zu erwartendes Augmented-Reality- und/oder Virtual-Reality-Headset präsentiert: Einige Hersteller wagen sich bereits jetzt mit eigenen Entwicklungen aus der Deckung. Allgemeiner Konsens ist, dass mehr oder weniger unauffällige AR/VR-Brillen in Zukunft zu einem engen Begleiter des Smartphones werden sollen – ähnlich wie heute etwa Smartwatches.

Im Trend: Xiaomi Wireless AR Smart Glasses
Die „Wireless AR Smart Glasses“, die Xiaomi auf dem Mobile World Congress 2023 präsentierte, unterstreichen den Trend „Reality+“. Mit etwas gutem Willen gehen sie als modisches Accessoire durch. Bild: Xiaomi

So stellte etwa Xiaomi seine „Wireless AR Smart Glasses“ vor, Oppo seine „Air Glasses“ oder ZTE seine „Nubia Neovision Glasses„. Die Konzepte sind ähnlich: Da die Rechenarbeit auf dem Smartphone stattfindet, können die Brillen selbst recht kompakt designed werden. Mit etwas gutem Willen gehen sie als ungewöhnliche Mode-Accessoires durch.

In Zusammenarbeit mit dem Netz beziehungsweise 5G-basierten Netzdiensten lassen sich auf diese Weise Zusatzinformationen ins Sichtfeld einblenden: Etwa Navigationsanzeigen, Infos zu Sehenswürdigkeiten, Fahrpläne von Nahverkehrsangeboten, Statistik-Informationen zu Sport-Events oder gleich für holografische Telepräsenz: Neben der Projektionstechnik dürfte ein wichtiger Aspekt darin liegen, für welche Dienste und Angebote diese Möglichkeiten in Zukunft genutzt werden.

Messedemo zum Thema Telepräsenz.
Telepräsenz-Anwendungen über AR/VR-Brillen zählten zu den Trends, die auf dem MWC 2023 eine große Rolle spielten. Bild: Telefónica

Das Ende der Plastik-Chipkarte: Siegeszug der eSIMs

Ganz neu ist diese Entwicklung nicht: Aber war die eSIM – das virtuelle Pendanz zur physischen SIM-Karte – bislang vor allem Smartwatches und IoT-Geräten vorbehalten, tritt sie nun an, auch die Smartphones zu erobern.

Größenvergleich von der klassischen SIM-Karte zum eSIM-Chip.
MWC-Trend eSIM: Der winzige eSIM-Chip ganz rechts will die klassischen SIM-Karten aus Plastik ersetzen. Bild: Deutsche Telekom

Mit dieser Lösung wird nicht länger eine physische SIM-Karte in einen dafür vorgesehenen Slot gesteckt. Vielmehr überträgt der Netzbetreiber die Zugangsberechtigung zu seinem Netz als verschlüsselten Datensatz auf einen speziellen Krypto-Chip. Die Anbieter beteuern, dass dies genau sicher – wenn nicht sogar sicherer – sei wie die klassische Chipkarte.

Netzbetreiber lieben das Konzept, weil es ihnen die Kosten für Produktion und Versand von Plastik-Chipkarten spart. Smartphonehersteller sind angetan, weil sie den Platz für einen SIM-Karten-Leser einsparen können. So ließen sich die Gerät entweder kompakter bauen oder sie könnten zum Beispiel mehr Akkukapazität unterbringen.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Anbieter den virtuellen SIM-Karten-Tausch nicht durch Beschränkungen benachteiligen werden. Wird es etwa in Urlaubsländern wirklich ebenso einfach sein, ein neues eSIM-Profil auf seinem Smartphone zu aktivieren wie man heute die Chipkarte tauschen kann? Widerstehen die Anbieter der Versuchung, hier Restriktionen wie beispielsweise eine Begrenzung der Aktivierungsvorgänge vorzusehen? Dann könnte die eSIM wirklich Vorteile für alle Beteiligten bringen.

Neues vom Klapphandy – Foldables, die nächste Generation

Nach wie vor sind die Smartphone-Hersteller davon überzeugt, dass faltbares Handys das nächste große Ding sein könnten. Dementsprechend stellten viele von ihnen eigene Klapp-Smartphones vor. Der Hersteller Oppo präsentierte etwa das Find N2 Flip und sein Schwestermodell Find N2. Die Geräte werden auf absehbare Zeit allerdings nicht in Deutschland angeboten, weil Oppo durch einen Patentstreit mit Nokia ausgebremst wird.

MWC-Trend: Foldable-Smartphone Oppo Find N2
Mit dem „Find N2″ präsentierte zum Beispiel Oppo ein neues Foldable-Smartphone auf dem Mobile World Congress 2023. Bild: Oppo

Ab Sommer hierzulande erhältlich sein dürfte hingegen das Honor Magic Vs. Wie bei Foldables aktuell noch üblich, allerdings zu einem saftigen Preis: Angekündigt sind 1599 Euro.

Und diese beiden MWC-Neuheiten dürften sicher nicht die letzten Mobiltelefone mit faltbaren Displays bleiben – ein Branchentrend ist das Thema nach wie vor.

Wi-Fi 7 kommt früher als erwartet

Der siebte Trend, der auf dem Mobile World Congress 2023 zu sehen war, zählt nicht zum Mobilfunk – sondern dem benachbarten Technologiefeld WLAN. Nach den jüngsten Entwicklungen Wi-Fi 6 (auch als WLAN 11ax bezeichnet) und Wi-Fi 6E (E wie Extended – zu den WLAN-Frequenbändern 2,4 und 5 GHz kommt als drittes Band 6 GHz dazu) bereitet sich die Branche auf den nächsten Standard vor: Wi-Fi 7, auch als IEEE-Standard 802.11be bezeichnet.

Damit soll WLAN abermals schneller und stabiler werden. Möglich macht dies eine komplexere Modulation (4096QAM), aber auch Kanalbandbreiten bis zu 320 Megahertz (Wi-Fi 6: max. 160 MHz). Aus Platzgründen wird dies aber wohl nur auf 6 sowie gegebenenfalls 5 GHz möglich sein. Dieses neue Frequenzband kann Wi-Fi 7 ebenso nutzen wie Wi-Fi 6E.

Auf diese Weise soll der neue WLAN-.Standard theoretisch bis zu 18,4 Gbit/s transportieren können. Außerdem wird mit Wi-Fi 7 künftig auch Kanalbündelung möglich werden: WLAN-Übertragungen können dann so wie heute schon im Mobilfunk mehrere Trägerfrequenzen kombinieren. Mit dieser „Multi Link Operation“ soll die theoretische maximale Datenrate bei stolzen 46 Gbit/s liegen: 9,2 GBit/s auf 2,4 GHz, 18,4 auf 5 GHz und 18,4 auf 6 GHz. Die Anzahl gleichzeitig möglicher MIMO-Datenströme steigt mit Wi-Fi 7 von 8 auf künftig 16.

Neue Router von AVM mit Wi-Fi 7.
Trend-Thema Wi-Fi 7: Auch AVM präsentierte auf dem Mobile World Congress 2023 Router-Neuheiten, die bereits für den künftigen Standard vorbereitet sind. Bild: AVM

Allerdings arbeitet das zuständige Standardisierungsgremium IEEE derzeit noch an der finalen Version des Standards. Erwartet wird seine Veröffentlichung erst in 2024. Dennoch stellten mit TP-Link und AVM schon jetzt Router-Hersteller „für Wi-Fi-7 vorbereitete“ Endgeräte vor. Sie beteuern, dass die finale Version des Standars nach dessen Verabschiedung durch ein reines Firmware-Upgrade nachgerüstet werden kann. Somit kommt Wi-Fi 7 etwas früher im Markt an als von Branchenkennern ursprünglich erwartet – und ist deshalb schon 2023 ein wichtiger Trend.

 

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