Das Jahresende ist die Zeit, in der wir gerne einen Blick in die Zukunft werfen. Wir haben uns diesmal vor allem für die Digitalisierungstrends des kommenden Jahres interessiert. Und auch wenn Prognosen gerade in diesem dynamischen Bereich schwierig zu treffen sind, scheint doch eines klar: An Künstlicher Intelligenz und dem Metaverse kommt 2023 wohl niemand vorbei.
Trend 2023: Künstliche Intelligenz erobert den Mittelstand
Fragt man die Marktbeobachter und Beratungsfirmen, so wird schnell klar: Künstliche Intelligenz gilt als Megatrend für das Jahr 2023. Wieder mal muss man sagen, den KI galt schon im vergangenen Jahr als Megatrend. Allerdings hat sie dieser bis heute noch nicht wirklich manifestieren können.
Ausnahmen bestätigen die Regel – und sind wie so oft vor allem auch der Corona-Krise geschuldet. So auch das KI-Prognose-System, das der Sportartikelhändler Decathlon seit neuerem für die Vorhersage seiner Online-Geschäftsaktivitäten einsetzt, Es wurde gemeinsam mit der Software-Schmiede Data Art entwickelt und sollte in der Corona-Krise die Absatzzahlen wieder planbar machen „Mit Data Art haben wir ein robustes Modell für die Nachfrageprognose entwickelt, das eine Zwei-Monats-Prognose mit einer Genauigkeit von 90 Prozent liefert“, berichtet Oussama Jaouadi, Head of Data bei Decathlon Deutschland. Von Beispielen dieser Art dürften wir im Jahr 2023 noch deutlich mehr sehen.
Megatrend No-Code: Jeder kann Anwendungen entwickeln
Zusätzlich wird im Jahr 2023 aber auch der sogenannte No-Code-Trend die Verbreitung von KI-Systemen pushen. Das Buzzword bezeichnet die Möglichkeit, eine eigene, bedarfsgerechte Software aus Bausteinen per Drag&Drop „zusammenzuklicken“ und zu betreiben – sogar KI-Lösungen. Programmierkenntnisse sind hierfür nicht nötig. Das senkt die Hemmschwelle für viele mittelständische Unternehmen, diese Technologie einzusetzen. Denn für Unternehmen war die Technologie bisher oft zu komplex, und der Aufwand für Tests oder Experimente schlicht zu hoch.

Das dürfte sich 2023 ändern. Denn mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, die spezialsisierte No-Code-Plattformen anbieten – etwa für Mitarbeiter in der Buchhaltung und Finanzen, im Vertrieb oder HR. So lassen sich etwa mit Open as App und Zudy sehr einfach Apps aus vorhandenen Daten erstellen, Kissflow hat Lösungen für Projekt- und Prozessmanagement im Angebot, und AppSheet unterstützt die Automatisierung von Geo-Positioning in Kombination mit der Erfassung von Bildern, Barcodes und Benachrichtigungen.
Auch Microsoft mischt mit seiner Power Platform auf dem Markt für No-Code-Systeme mit. Sie soll es Anwendern aus allen Fachbereichen ermöglichen, schlüsselfertige IT-Lösungen zu erstellen und manuelle Prozesse in Eigenregie zu automatisieren. Auch eine KI kann über den sogenannten AI Builder integriert werden.
Anwendungsentwicklung: ein neues Zeitalter bricht an
Ein Nachteil solcher Systeme: Individuelle Anpassungen und komplexe Aufgabenstellungen, die nicht in den Bausteinen berücksichtigt sind, brauchen am Ende doch eine individuelle Programmierung. Flexibler und immer noch sehr einfach sind so genannte Low-Code-Systeme. Sie werden oft mit No-Code-Systemen in einen Topf geworfen, richten sich aber eher an Entwickler. Auch hier gibt es vorgefertigte Bauteile, die aber mit kleinen, selbstgeschriebenen Programmstücken angepasst und verbunden werden müssen.
Der Trend ist mächtig: Das Marktforschungsinstitut Gartner prognostiziert, dass bis 2025 rund 70 Prozent aller neuen Anwendungen Low-Code- oder No-Code-Technologien nutzen. Weil die Einstiegsbarrieren für solche Systeme so niedrig liegen, gelten sie auch als großer Hoffnungsträger für die weitere Digitalisierung der Unternehmen.
Unterdessen entwickelt sich auch die KI weiter. Tomas Chroust, Partner bei der Beratungsfirma BearingPoint sagt voraus: „KI-Lösungen machen nicht nur Prognosen, sondern können auf Basis vorhandener Daten auch neue Ideen generieren. Künstliche Intelligenz eröffnet somit neue Dimensionen der Innovation.“ Zu solchen neuen Anwendungen gehören etwa Projekte wie DALL*E, die Bilder erschaffen können, die auf einer Texteingabe basieren. Dienten solche Lösungen bislang vor allem der Unterhaltung, können sie nun in der Industrie auch für Rapid Prototyping oder in der Prozessautomatisierung eingesetzt werden.
IT-Security 2023: Zero Trust und Schwachstellenbewertung
Steigende Digitalisierungsraten bringen aber auch eine Kehrseite mit sich: nämlich eine gesteigerte Verwundbarkeit gegenüber Cyberangriffen. So ist die Verbesserung der IT-Sicherheit ein weiterer großer Trend für das Jahr 2023. Bevorzugtes Werkzeug soll die Zero-Trust-Strategie werden. Dabei geht es um umfangreiches Monitoring. Die Zugriffe auf Firmendaten und ihr Fluss im System werden dabei penibel überwacht und protokolliert. Das gilt auch für den Zugriff durch die eigenen Mitarbeiter, die sich vielfach auch an strengere Zugangskontrollsysteme werden gewöhnen müssen.
Gleichzeitig ist bei den Sicherheitsverantwortlichen ein Umdenken beim Umgang mit Schwachstellen zu erwarten. Statt zu versuchen, alle Sicherheitslücken aufzuspüren und zu stopfen, werden sich die Unternehmen in Zukunft auf die konzentrieren, von denen die größte Gefahr ausgeht. Basis hierfür ist ein Vorhersagesystem, das eine ganze Reihe von Risikofaktoren erfasst und bewertet. Auch hier kann eine KI hilfreich sein. Sie kann Problembereiche und Angriffsmethoden frühzeitig erkennen und damit drohenden Schäden entgegenwirken.

Megatrend 2023: Digitale und reale Welt wachsen zusammen
Ein übergeordneter Trend für das Jahr 2023 ist das Zusammenwachsen von digitaler und realer Welt. Wie der Zukunftsforscher Bernhard Marr ausführt, werden etwa digitale Zwillinge zu einem vorherrschenden Instrument, um physische Objekte in virtuellen Welten zu untersuchen – von einzelnen Produkten bis hin zu ganzen Fabriken. Diese Entwicklung verspricht ein gewaltiges Kosteneinsparungspotential: Das Verhalten der virtuellen Objekte lässt sich durch gefahrlose und vor allem sehr kostengünstige Experimente erforschen und verbessern.
Der Blick in die Kristallkugel ist laut Marr für diese Vorhersage kaum nötig. Formel1-Rennteams können schon heute anhand von Daten, die während eines Rennes gesammelt werden, Schwächen im Fahrzeugdesign erkennen. Digitale Zwillinge von Fahrzeugteilen zeigen, wie bestimmte Modifikationen das Verhalten dieser Bauteile verändern. So lässt sich rasch ein optimiertes Design finden. Die so optimierten Teile dienen dann als Vorlage für den 3D-Druck. Und damit hat sich der Kreis von der digitalen in die reale Welt dann wieder geschlossen.
Metaverse erobert auch das Büro
Auch das Metaverse bestätigt diesen übergeordneten Trend. Im Unterschied zu rein vituellen Welten, können Präsenzen im Metaverse durchaus mit der realen Welt verknüpft werden. Das gilt etwa für virtuelle Shops, die dann im realen Hier und Jetzt reale Waren liefern. Das Metaverse, auf das auch Mark Zuckerberg bei seiner großen Zukunftswette für den passenderweise in „Meta“ umgetauften Facebook-Konzern setzt, soll laut Wirtschaftsauguren bis zum Jahr 2030 weltweit 5 Billionen Dollar Umsatz bringen. Konkret ist es derzeit aber vor allem im eher verspielten asiatischen Raum Dort wird die Technologie beispielsweise eingesetzt, um mit Chatbots und Avataren die Kundenbetreuung zu verbessern.

Geht es nach den beiden Tech-Riesen Microsoft und Nvidia, dann soll das Metaverse auch in den regulären Geschäftsalltag einziehen. Ihnen schwebt eine Art virtuelles Büro vor, geschaffen durch AR und VR-Techniken. Mitarbeiter rund um den Globus können darin dann gemeinsam an Meetings oder auch Schulungen teilnehmen. Die Beratungsfirma Accenture hat schon mit der Verwirklichung dieser Vision angefangen: Im hauseigenen Metaverse „Nth Floor“ können sich die Mitarbeiter treffen, plaudern und sogar eine Art Dart spielen. Nur an die fehlenden Beine der Avatare wird man sich dort wohl noch gewöhnen müssen.