Das E-Auto: Hoffunung für die Umwelt?

Wohin geht es in Digitalien? Folge 19: Digitalisierung als Starthilfe für E-Autos

Auch wenn eine Veränderung dringend notwendig wäre: Der Umstieg auf E-Autos findet nicht in der erhofften Geschwindigkeit statt. Der Grund: Die potenziellen Käufer fürchten einen Komfortverlust. Neue digitale Konzepte können hier Abhilfe schaffen und zum Teil sogar einen Ersatz für das E-Auto bieten.  In dieser Folge unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien?“ zeigen wir den Stand der Technik. Deutlich wird aber auch, dass es zu manchen Fragen keine einfachen Antworten gibt.

Aufmacherbild: Jack S via Pexels

Der Klimawandel findet statt. Davon zeugen Frühlingstemperaturen zu Weihnachten, schmelzende Gletscher und klägliche Schneebänder in den Bergen, die die Wintersportsaison retten sollen. Die Schuld daran gibt die Politik nicht zuletzt dem Verkehrs- und Transportsektor und den von ihm verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen. Bis 2035 soll deshalb in Europa eine komplette Umstellung auf Elektroautos stattfinden. Die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor soll verboten werden.

Schlechte Ladeinfrastruktur bremst E-Auto-Umstieg

Allerdings: Ohne begleitende Maßnahmen dürfte dieser forcierte Umstieg nicht ohne Probleme gelingen. Das gilt vor allem auch für das „Betanken“, das mit Strom deutlich länger dauert und damit auch zu Staus und Wartezeiten rund um die bisweilen raren Ladesäulen führt. Wie eine aktuelle Studie der Unternehmensberater von Deloitte ergab, gehören neben Bedenken zur Reichweite (57 Prozent) vor allem das Fehlen öffentlicher Ladeinfrastruktur (47 Prozent), die Ladezeiten und nicht vorhandene Lademöglichkeiten im eigenen Zuhause (je 45 Prozent) zu den wichtigsten Argumenten gegen den Umstieg auf ein E-Auto.

Ladepunkte sind knappes Gut

Selbstverständlich sind diese Probleme auch in der Industrie angekommen. Der Aufbau zusätzlicher Ladesäulen ist dabei selbstverständlich ein wichtiger Faktor. Es wird aber auch intensiv an Lösungen gearbeitet, die über diese reine Skalierung des Angebots hinaus gehen. So hat etwa der Karten- und Navigationsanbieter Here auf der CES im Januar 2023 einen Vorhersagedienst für die Auslastung von Ladepunkten vorgestellt. Hierbei errechnet eine KI mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Ladesäule zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar ist.

Dazu nutzt Here nach eigenen Angaben die Positionsdaten von rund 90 Prozent der weltweit verfügbaren freien Ladesäulen und führt sie mit historischen Nutzungsdaten, den GPS-Positionen und Navigationszielen der Fahrzeuge oder auch Wetterdaten zusammen, um die Voraussagen zu treffen. Vor allem der Blick auf historische Nutzungsdaten sollte man in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen – er hat sich auch schon bei der Routenplanung bewährt, wenn es darum geht, das zu erwartende Verkehrsaufkommen hochzurechnen.

Here setzt KI ein, um weltweit freie Ladepunkte zu finden.
Here setzt KI ein, um die Verfügbarkeit von Ladepunkten vorherzusagen. Foto: Here

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt das österreichische Start-up Alveri, das Ende 2022 seinen autonomen Laderoboter Charbo vorgestellt hat. Dieser Roboter soll einfach von Auto zu Auto rollen und sich dort zum Laden anstöpseln. Hier dienen KI und vernetzte Sensorik vor allem dazu, die zu ladenden Fahrzeug anzusteuern und mit dem an einem Roboterarm montierten Ladestecker exakt deren Ladebuchsen zu „treffen“.

Interessant ist diese Lösung vor allem etwa für Einkaufszentren, Flughäfen oder Parkhäuser. Auch wenn manche Probleme, wie etwa die Entriegelung der Ladebuchse verschlossener Fahrzeuge noch nicht gelöst sind – das Problem zugeparkter Ladesäulen löst das Konzept auf jeden Fall. Weswegen die Hersteller auch angeben, dass einer ihrer Roboter bis zu 20 konventionelle Ladesäulen einsparen könnte.

In Erprobung: E-Auto aufladen per Induktion

VW und auch Volvo versuchen, ohne Ladesäule auszukommen, und arbeiten an einer praxistauglichen Möglichkeit zum induktiven Laden. Auch dabei sind viele Herausforderungen zu lösen. Nicht zuletzt die Frage der Effizienz, die bei nur leichter Falschpositionierung schnell sinkt. Zusammen mit der University of Tennessee hat der VW-Konzern ein Verfahren entwickelt, das einen Porsche Taycan mit nur zwei Prozent Verlust lädt – bei 120 kW Leistung. Ziel sind allerdings 300 kW Leistung, um die Ladedauer zu verringern. Damit ließe sich das Fahrzeug schon in 10 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. So könnte ein Stopp bei einem Fastfood-Restaurant auch gleich zu einem Tank- beziehungsweise Ladestopp für das Auto werden.

Volvo hat sich eher den Taxifahrern angenommen. In einem Feldversuch wird ein Volvo XC40 direkt am Standplatz induktiv geladen. Doch auch hier ist die Herausforderung: Das Auto muss sehr genau über dem Ladepad geparkt werden – Volvo gibt eine maximale Toleranz von 8 Zentimetern an.

In beiden Fällen sollen automatische Einparksysteme für die erforderliche exakte Positionierung sorgen – und spätestens an dieser Stelle kommt wieder vernetzte Sensorik und digitale Steuerung zum Tragen. Sinnvoller als die erforderlichen Funktionen in jedem Fahrzeug zu verbauen, scheint der Ansatz, diese Steuerung der Ladeeinrichtung zu überlassen. Ob dazu eher die Ladepads beweglich gemacht werden (was auch mechanisch aufwändig und störungsanfällig ist) oder ob Schnittstellen zur Fernsteuerung der Fahrzeuge entwickelt werden sollen (was wiederum Sicherheitsrisiken birgt) wird derzeit intensiv diskutiert.

Induktives Laden: VW arbeitet in den USA an einem besonders effektiven Verfahren

Induktives Laden: VW arbeitet in den USA an einem besonders effektiven Verfahren. Bild: VW

Intelligentes Laden: Blick nach Skandinavien

Einen im Vergleich dazu eher konservativen Ansatz verfolgt das Ende 2020 gegründete dänische Start-up Monta. Es entwickelt Software für intelligentes Laden und versucht damit, die vorhandenen Kapazitäten besser zu verteilen. Almir Hajdarpasic, Deutschland-Chef von Monta, glaubt fest daran, dass durch Digitalisierung die vorhandenen Ladeinfrastruktur optimiert werden kann. Etwa durch ein flächendeckendes Buchungssystem, das Fahrer in virtuelle Warteschlangen einreiht und ihnen eine Nachricht zukommen lässt, wenn sie dran sind. „Dies garantiert einen gleichberechtigten Zugang, erhöht die Belegungsrate und entlastet frequentierte Stationen“, sagt er.

Auch das Prinzip der Sharing Economy ließe sich mit entsprechender Software umsetzen. Damit könnten sich Nachbarn, Mitarbeiter oder auch Geschäftspartner Ladesäulen teilen. Laut Hajdarpasic ist das in Dänemark bereits weit fortgeschritten.

Almir Hajdarpasic, Deutschland-Chef des dänischen Software-Spezialisten Monta
Almir Hajdarpasic, Deutschland-Chef des dänischen Software-Spezialisten Monta. Foto Monta

„Dieses Konzept ist eine große Chance für infrastrukturschwache oder ländliche Regionen, in denen Ladepunkte rar gesät sind. In Dänemark sehen wir, wie das Teilen privater Ladepunkte die Ladeinfrastruktur in abgelegenen Provinzen für E-Fahrer maßgeblich verbessert“, so Hajdarpasic.

In Deutschland stößt das Konzept noch auf rechtliche Probleme. Denn beispielsweise das hiesige Eich- und Steuerrecht sind auf so moderne Ansätze noch längst nicht vorbereitet.

Effektiver Verkehr braucht umfassende Digitalisierung

Immerhin: Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Digitalisierung eine wesentliche Rolle spielt, um Verkehrssysteme effizienter zu gestalten. So schreibt das deutsche Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf seiner Homepage: „Um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im Straßenverkehr zu meistern, ist der Einsatz Intelligenter Verkehrssysteme (IVS) im Straßenverkehr ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Verkehrspolitik. Im Fokus stehen hierbei intelligente Fahrzeug- und Infrastruktursysteme, die durch Kooperation miteinander wesentlich dazu beitragen, dass der Straßenverkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher wird.“

Um diese Vision zu verwirklichen, hat Deutschland mit dem Gesetz zum autonomen Fahren als weltweit erstes Land den rechtlichen Rahmen für fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb geschaffen. Damit sind hochautomatisierte Fahrzeuge, die beispielsweise auch über digitale Leitsysteme gesteuert werden könnten, im gesamten Bundesgebiet grundsätzlich erlaubt.

Um diese intelligenten Systeme bereit zu stellen, werden neue E-Autos immer mehr zu rollenden Computern. Nach Expertenanalysen umfasst das Betriebssystem eines durchschnittlichen Autos, das etwa Cockpitanzeigen genauso steuert wie Fensterheber oder Telematik-Systeme, bereits 130 Millionen Programmierzeilen. Zum Vergleich: das ist hundertmal komplexer als bei einem Smartphone. Bei autonomen Fahrzeugen soll die Anzahl der Programmierzeilen auf 300 bis 500 Millionen anwachsen. Mit dem Anwachsen der Codezeilen steigt allerdings auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Zudem müssen der Datenschutz und die Sicherheit vor Hackerangriffen bei den E-Autos der Zukunft eine zentrale Rolle spielen.

Moderne Autos werden zunehmend zu komplexen Computern
Moderne Autos werden zunehmend zu komplexen Computern. Bild Hyundai Motor Group via Pexels

Mobilitätsplattformen und intermodales Routing sind kein Selbstläufer

Viele Hoffnungen, um die Herausforderungen der Mobilität mit Digitalisierung zu lösen, setzen auf digitale Mobilitätsplattformen. „Es geht darum, Anreize für den Umstieg, weg von der Nutzung des Autos im Privatbesitz, zu schaffen“, sagt etwa Michael Benz, Leiter der Studie „Digitalisierung und Mobilität“ am Institut SCM@ISM der International School of Management. Ein vergleichsweise neues Stichwort hierzu ist „MaaS“ – Mobility as a Service. Solche Dienste bündeln Services wie etwa eScooter, Car- und Bike-Sharing oder individuelle Verkehrsmodelle, wie etwa Ride-Sharing – die gute, alte Mitfahrgelegenheit.

Auch wenn sich das sehr gut anhört – wer genauer hinschaut, wird auch hier schnell Probleme erkennen. So zählte etwa die seit 2014 von Daimler angebotene App „Moovel“ lange zu den Vorzeigelösungen für intermodale Routenplanung. Doch wirtschaftlich tragfähig war sie anscheinend nicht. So gingen App und Plattform 2019 gemeinsam mit den Car-Sharing-Angeboten car2go (Daimler) und DriveNow (BMW) in den gemeinsamen Besitz der beiden Autokonzerne über. 2020 verkauften die beiden Autohersteller die zwischenzeitlich in „Reach Now“ umbenannte Lösung an die Deutsche Bahn. 2022 ist die App schließlich ganz aus den App-Stores verschwunden. Und nebenbei wanderte auch der als mutige Investition in die Mobilitätszukunft gefeiert Car-Sharing-Dienst von Daimler und BMW zum Autokonzern Stellantis (Opel, Citroën, Peugeot, Fiat und andere).

Car und Ride Sharing reduzieren nicht zwingend den Autoverkehr

Die bewegte und letztlich wenig erfolgreiche Geschichte von Moovel zeigt, dass Mobilitätsplattformen und intermodales Routing aus wirtschaftlicher Sicht offenbar kein Selbstläufer sind. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Statt die Nutzungszahlen von privaten PKWs zu senken und damit den Verkehr in den Städten zu entlasten, bewirken manche dieser Angebote offenbar genau das Gegenteil. So haben Studien gezeigt, dass etwa die Dienste UBER und Lyft einen nicht unerheblichen Anteil am Verkehrsaufkommen und den Staus in San Francisco haben. CO2- Einsparungen durch Mitfahrgelegenheiten werden so fast gänzlich aufgehoben.

Auch Car-Sharing-Angebote scheinen nicht so stark zur Verkehrsreduktion beizutragen wie ursprünglich erhofft. So zeigen aktuelle Untersuchungen, dass sie einen deutlich geringeren Effekt auf den privaten Pkw-Besitz haben als ursprünglich angenommen. Und dann ist natürlich auch noch der Energieverbrauch der digitalen Plattformen und Backend-Systeme. Bereits heute sind Informations- und Kommunikationstechnik für zwei Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Wenn Digitalisierung im Verkehr unterm Strich für Einsparungen sorgen soll, muss sie deshalb deutlich mehr CO2 vermeiden als sie in den Rechenzentren und auf den Kommunikationswegen verursacht. Eine nicht gerade kleine Herausforderung.

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