(C) Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH

Landleben 2.0: Von intelligenten Mobilitätskonzepten bis zu autarken Energiedörfern

Aufmacherbild: Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH

„Smart Rural Areas“ sind intelligente ländliche Regionen, in denen das Leben und Arbeiten Anschluss an die Zukunft bekommen sollen. Bundesweit drehen sich einige Dutzend Projekte von Universitäten und Unternehmen um smarte Lösungen in allen Bereichen des Alltags. Eine wichtige Rolle im „Landleben 2.0“ spielen Konzepte zu Mobilität und Energie.

Kennen Sie Wildpoldsried? Die kleine Gemeinde bei Kempten im Oberallgäu, ziemlich genau in der Mitte zwischen Bodensee und München, ist unter Energieexperten – sogar weltweit – eine Berühmtheit als „Energiedorf“: Mittels erneuerbarer Energien erzeugt Wildpoldsried gut fünf Mal so viel Strom wie es selbst verbraucht. Dafür wurde die Gemeinde mehrfach mit deutschen und internationalen Preisen geehrt.

„Idealist sein, heißt Kraft haben für andere“, zitiert der Ort auf seiner Webseite den deutschen Schriftsteller Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, besser bekannt als Novalis. Voller Stolz geht es weiter: „Wir in Wildpoldsried haben einige ‚Idealisten‘, denen wir es zu verdanken haben, dass in Wildpoldsried regenerative Energien in einer solchen Bandbreite erzeugt werden.“

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Die Gemeinde erzeugt fünf Mal mehr Strom, als sie verbraucht. (C) Wildpoldsried

Der Stolz ist nachvollziehbar: In gut zwanzig Jahren entstanden elf Windkraftanlagen, eine Biogasanlage zur Wärme-Versorgung der Haushalte, 150 Solarthermie- und 250 Photovoltaik-Dachanlagen. Landwirtschaft, Betriebe und Unternehmen arbeiten dabei Hand in Hand. Sie achten zum Beispiel auf eine konsequente Reduktion des Energieverbrauchs und auf moderne Nutzung von Elektromobilität.

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Allein bei der Straßenbeleuchtung konnte durch zweimaligen Austausch gegen moderne Lampen eine extreme Einsparung erreicht werden. (C) Wildpoldsried

Andere Kommunen eifern dem Vorreiter nach: Trendelburg, Fraiamt und Ostritz sind nur drei Beispiele für Kommunen, die den Schritt in Richtung 100 Prozent erneuerbare Energien gewagt haben.

Auch Neuerburg in der Eifel (Rheinland-Pfalz) setzt auf Energie-Autarkie und Eigennutzung. Ein ganzes Stadtviertel wurde entwickelt, das mehr Energie erzeugt als verbraucht – und es ist teilautark: Die Häuser beziehen bei extrem niedrigem Energieverbrauch Strom aus eigenen Solaranlagen und Wärme per Nahwärmenetz aus Deutschlands erstem Solarheizkraftwerk, und die Straßenlaternen sind gar nicht ans Stromnetz angeschlossen, sondern versorgen sich mit Solarzellen und Akkus komplett autark. Städtische Einrichtungen werden nach und nach fürs Heizen auf Holzpellet-Anlagen umgestellt, wobei das Holz aus den umliegenden Wäldern stammt. Ein Erlebnis- und Informationszentrum informiert über die eingesetzten neuen Technologien, und die Kommune wirbt auch offensiv bei Bürgern und Unternehmen um Verbesserungen der Energieeffizienz.

Um die dezentrale Erzeugung und intelligente Energie-Nutzung kümmert sich im niedersächsischen Tostedt der Verein „Kommunale Agenda 21 in der Samtgemeinde Tostedt e.V.“ – seit 15 Jahren wirbt er unter anderem für die Nutzung von Solarstrom für Elektromobilität, betankt seine E-Bikes mit der eigenen Sonnenenergie und veranstaltet Events wie E-Bike-Rallyes im Ort. Eine Art „Leuchtturmprojekt“ war das Projekt „fifty-fifty“, mit dem die Schulen und Kindergärten angeregt wurden, Strom, Heizkosten und Wasser zu sparen. Die Hälfte der Einsparungen floss in den Gemeindehaushalt, über die andere Hälfte des gesparten Geldes freuten sich die Schulen und Kindergärten.

Gemeinden und Kommunen, die gerne zu Nachahmern werden möchten, können sich übrigens auch „coachen“ lassen – beim Energiedorf-Coaching. Ein eigener Verein, der Bioenergiedorf-Coaching Brandenburg e.V., hat sich nach dem Vorbild der Akademie für nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern formiert.

Screenshot von der Webseite des Bioenergiedorf-Coaching e.V. – mit einem denkwürdigen Zitat von Albert Einstein.
Screenshot von der Webseite des Bioenergiedorf-Coaching e.V. – mit einem denkwürdigen Zitat von Albert Einstein.

Als Initiative von Vertretern verschiedener Fachgebiete (Hochschulen, Kommunikation, Erneuerbare Energien, Recht und weitere) verfolgt er nach eigener Aussage das Ziel, „die enormen Potentiale in den Dörfern, Gemeinden, Ämtern und Städten, aber auch in den Haushalten und den Unternehmen sichtbar zu machen, um die regional typischen Ressourcen für ein modernes Energie- und Stoffstrom-Management zu mobilisieren und diese einer maximal möglichen regionalen Wertschöpfung zuzuführen“. Das Coaching hilft also dabei, in den Dörfern, Gemeinden und Kommunen die notwendigen Prozesse auf dem Weg zu einem Energiedorf in Gang zu bringen.

Mit dem Thema Energie unmittelbar verwoben ist auch der Bereich Mobilität. Praktisch überall, wo smarte Lösungen für Energieeffizienz und Eigennutzung von erneuerbaren Energien in den Alltag der Bürger integriert werden, wird auch die Vernetzung mit E-Mobilen konsequent vorangetrieben.

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Einbindung von Energie- und Mobilitätskonzepten: Wie komplex eine Energiekommune ist, erklärt der Verein Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V.

So ist zum Beispiel das Ziel der „Plattform Elektromobilität“, den Strombezug aus dem öffentlichen Netz Schritt für Schritt zu reduzieren und durch die Entlastung den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern. Über gesteuertes Laden und Rückspeisung sollen schließlich die Batterien von Elektroautos einbezogen werden – bis hin zur Refinanzierungsmöglichkeit für Flottenbetreiber, die die Speicherkapazität ihrer Fahrzeuge dem Energieversorger zur Verfügung stellen.

Auf eine Verbesserung des ÖPNV zielt das Projekt „BodenSeEmobil“ ab. Elektroautos sollen auf dreifache Weise vernetzt werden: im öffentlichen Verkehrssystem, im Energienetz sowie untereinander mittels ITK-Systemen. Unter anderem sollen intermodale Verkehrsketten erschlossen werden, also die intelligente Verbindung aller Verkehrsmittel. Mit nur einer Fahrkarte für Schiene und E-Mobil könnte man beispielsweise vom Stuttgarter Hauptbahnhof bis zur Besprechung in Tettnang fahren. Weil zur Ankunftszeit in Meckenbeuren kein Bus abfährt, wird der letzte Teil der Stecke dabei mit dem E-Car aus dem Sharing-Pool zurückgelegt. Die dafür sonst anfallende Mietgebühr ist im Zugticket bereits enthalten.

Dagegen geht es im Projekt „EMiLippe“ um die intelligente Vernetzung von Firmen-Flotten, die durch eigenerzeugte erneuerbare Energie betrieben werden. An die Infrastruktur angebunden wird das System über regenerative Ladesäulen, Energiestellplätze und eine spezielle Management-Software.

Immer wieder werden im eingangs vorgestellten Wildpoldsried übrigens Delegationen interessierter Fachleute vorstellig – überwiegend Kommunalpolitiker, die sich über die Erfahrungen der Oberallgäuer Gemeinde informieren möchten. Nicht ohne Stolz präsentiert der Erste Bürgermeister Arno Zengerle bei solchen Gelegenheiten sein Motto: „Ein Dorf geht seinen Weg.“

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