Aufmacherbild: (C) fodjan
Die fortschreitende Urbanisierung und die Vernetzung zu „Smart Cities“ sind in aller Munde. Doch was ist mit den ländlichen Gegenden, in denen zwei Drittel der deutschen Bevölkerung leben und auch gut 60 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen angesiedelt sind? Damit sie Anschluss an die Zukunft behalten, haben Forscher zahlreiche Ansätze entwickelt, die das Landleben „smarter“ machen sollen. Projekte aus den Bereichen Logistik, Mobilität und Energie, Medizin und Pflege haben wir bereits vorgestellt – diesmal ist die Landwirtschaft an der Reihe.
Erst vor kurzem wurde sie auf einer Landwirtschaftsmesse in Oberösterreich präsentiert: eine intelligente Brille, die speziell für Landwirte entwickelt wurde.
Die Landmaschinen-Firma Stibleichinger zeigte ihre „SAC Glasses“ auf Basis der Google-Glass-Technologie. Mit dieser Datenbrille soll der der Landwirt seine Milchkühe und den Melkvorgang überwachen können. Eine in die Brille eingebaute Miniatur-Kamera identifiziert die vom Landwirt „anvisierte“ Kuh, automatisch erscheinen alle relevanten Informationen über das Nutztier auf einem Display in der Brille – und immer bleiben beide Hände frei.
Eine weitere Anwendung nach dem Prinzip der Augmented Reality (AR) haben wir bereits in einem anderen Zusammenhang vorgestellt: Das DFKI (Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) in Kaiserslautern entwickelte ein System, das Mechatroniker bei der Wartung von landwirtschaftlichen Maschinen unterstützt. Es nutzt die GPS-, Lage- und Bewegungssensoren eines handelsüblichen Tablets, um Informationen zu Bauteilen und erforderlichen Arbeitsschritten direkt ins Kamerabild einzublenden.
Beide AR-Anwendungen sind nur zwei Beispiele, wie moderne Technik in eine eher klassische Branche einzieht – einerseits, um ihren Akteuren die Arbeit zu erleichtern, andererseits zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Längst aber forschen Wissenschaftler nach dem „Think big“-Prinzip. Denn gesamtgesellschaftlich betrachtet darf gerade die Landwirtschaft den Anschluss an die Zukunft nicht verpassen – davon ist das Fraunhofer-Institut IESE überzeugt. In dessen Forschungsgebiet „Smart Rural Areas“ geht es nicht nicht nur um innovative neue Entwicklungen fürs „Landleben 2.0“, sondern auch verstärkt darum, vorhandene Ressourcen bestmöglich auszuschöpfen.
„Think big“ bedeutet in der Praxis, dass Vernetzung praktisch allgegenwärtig wird. Landmaschinen kommunizieren miteinander und lassen sich per Smartphone oder Tablet steuern – bis auf zwei Zentimeter genau, ohne dass zum Beispiel eine unnötige Überlappung beim Ausbringen von Dünger oder Saatgut entsteht. Denn von einem Quadratmeter auf den anderen können sich auf einem Acker die Bodenverhältnisse ändern. Sensoren messen deshalb etwa Bodenfeuchtigkeit und Temperatur.
Ein Bauer, der Saatgut ausstreut, weiß heute ganz genau, wo die Pflanze eingepflanzt ist, wie tief sie eingepflanzt ist, welche Menge Dünger an welcher Stelle des Feldes aufgebracht werden muss. „Smart Farming“ heißt der intelligent vernetzte Agrarbetrieb in der Sprache der Fraunhofer-Experten.
Die Gründe für den Trend, beziehungsweise Zwang zur Optimierung sind vielfältig: Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit setzen die Landwirtschaft unter Druck. Landwirte müssen möglichst viel auf möglichst kleiner Fläche ernten.
Bislang begegnete die Branche der Herausforderung mit Innovationen in einzelnen Bereichen: Intelligente Systeme regeln Motoren, um Benzin zu sparen; mit Hilfe von Satelliten und Sensortechnik verrichten die Maschinen automatisch die Feldarbeit, dabei werden Saat, Dünger und Pflanzenschutzmittel präzise auf dem Acker verteilt.
„Der nächste Schritt“, so die Meinung des Fraunhofer IESE, „ist die Vernetzung der Einzelsysteme zu cyber-physischen Produktionssystemen“. Sie bilden den gesamten Prozess vom Hofrechner bis zur Erntekette elektronisch ab. Die Betriebe können damit die Effizienz und Qualität noch einmal erheblich erhöhen, so das Fraunhofer-Institut.
Die Entwicklung hin zum Cyber-Agrarbetrieb ist nicht auf Landmaschinen beschränkt. In den letzten Jahren ist die Zahl der „Player“ in der Agrarbranche gestiegen: Neben Saatgut- und Düngerproduzenten mischen Sensorik- und Datenprovider mit, die zum Beispiel Geodaten und Wetterdaten anbieten, Systeme für E-Government oder Smartphone-Apps zum Beispiel zur Bestimmung von Schädlingen.
„Die Herausforderung liegt darin, sämtliche Systeme intelligent zu verknüpfen und Standards für Schnittstellen zu schaffen, so dass alle Beteiligten profitieren“, sagt Smart-Farming-Projektleiter Jens Knodel. Dafür sei es hilfreich, ihnen die Methoden der Software-Entwicklung zu vermitteln: vom Anforderungsmanagement über die Systemarchitektur bis zum Programmiercode – mit besonderem Augenmerk auf Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Immer schlauere Maschinen, immer effizientere Produktion: Die manchmal nicht ganz so freundlich gemeinte Formulierung „Bauernschläue“ bekommt hier also eine Wandlung zum Prädikat mit Hochachtung. Denn dank modernster Techniken werden Landwirte und Maschinen immer smarter.
Dass das Thema Datenbrille im Bereich Landwirtschaft angekommen ist wusste ich noch nicht, aber es klingt interessant. Obwohl das schon ein wenig komisch aussehen würde, wenn der Landwirt von heute im Stall mit einer Datenbrille unterwegs ist… :-)
Ja – es wird hier sicherlich noch einiges zu entwickeln geben – das Ding muss dann ja im harten Praxis-Alltag auch funktionieren. Aber die Basis ist schon mal da. Und angesichts der Problem in Sachen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft auch wirklich ein echtes Thema auf Sicht. Aber es stimmt: drollig aussehen wird es ggf. schon. Aber wer weiß wie das bis dahin technisch umgesetzt werden kann.
Sieht vielleicht etwas komisch aus, aber es ist einfach unfassbar was für Fortschritte die Technik auch in der Landwirtschaft gemacht hat.
Um die Abhängigkeit aus dem Ausland zu senken, ist eine gesunde und sichere Landwirtschaft im eigenen Land sehr wichtig. Das die Technik auch hier helfen kann, finde ich super