Die Digitalisierung in der Landwirtschaft schreitet nur langsam voran. Was sind die Stolpersteine für den digitalen Bauernhof? Bild: Pexels/Pixabay

Wohin geht es in Digitalien? Folge 14: Stolpersteine für die Digitalisierung auf dem Bauernhof

Es besteht Einigkeit: Auch auf den Bauernhöfen muss die Digitalisierung voranschreiten, schon allein aus Gründen der Effzizienz. Trotzdem geht diese Entwicklung nur zäh voran. In der vorliegenden Folge unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien?“ machen wir uns auf die Suche nach  den Gründen hierfür.  Was sind die größten Stolpersteine und Hindernisse auf dem Weg zur Digitalisierung in der Landwirtschaft?

Deutschland und Österreich sind, auch was die Landwirtschaft angeht, nicht ganz vergleichbar. Während Österreich eher kleinbäuerlich organsiert ist, gibt es vor allem in Ostdeutschland riesige Höfe, die schon fast industriell arbeiten und dabei massiv auf die Digitalisierung setzen.

Und doch scheint man auch in Österreich der Digitalisierung offen gegenüberzustehen. Das zumindest ergab eine Umfrage des Marktforschungsunternehmen KeyQUEST im Auftrag des Ländlichen Fortbildungsinstitutes (LFI), für die im Jahr 2021 rund 1000 Telefoninterviews geführt wurden. Laut KeyQUEST-Geschäftsführer Johannes Mayr sehen 43 Prozent der Befragten die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung in der Landwirtschaft als sehr positiv oder eher positiv. 46 Prozent stehen dem Thema neutral gegenüber, und nur 11 Prozent betrachten diesen Veränderungsprozesse mit Skepsis oder Ablehnung. Dabei gilt wie auch in Deutschland: je größer der Hof, desto positiver die Einstellung gegenüber dem Digitalen.

Pragmatismus herrscht vor

Allerdings: Die digitalen Technologien, die die Landwirtinnen und Landwirte  tatsächlich einsetzen, sind bisher in der Tendenz relativ unspektakulär. Kleine Helferlein wie Agrarwetterdienste, spezielle Buchhaltungs- und Dokumentationssoftware oder auch Messenger-Dienste zum beruflichen Austausch führen die Nutzungslisten an. „Insgesamt haben Österreichs Betriebsführer einen recht pragmatischen Zugang zu diesem Thema“, stellt Johannes Mayr fest. „Frei nach dem Motto: Wenn es funktioniert, die Arbeit erleichtert und leistbar ist, dann nutze ich diese neuen Technologien gerne.“

Bestimmungen hinken Technik hinterher

Ob etwas funktioniert, hängt vor allem auch von den technischen und politischen Rahmenbedingungen ab. So zeigte etwa John Deere, einer der größten Landmaschinen-Hersteller der Welt, im Frühjahr 2022 auf der CES einen autonomen Traktor. Das Gefährt mit der Typenbezeichnung 8R 410  ist nach Angaben des Herstellers serienreif. Der US-Hersteller hat es mit einem fernsteuerbaren Lenksystem, einer KI und sechs Stereo-Kameras ausgerüstet, die helfen, Hindernissen auf dem Feld auszuweichen. GPS und Mobilfunkortung sorgen dafür, dass der Traktor seine Spur auf zwei bis maximal drei Zentimeter genau hält. Kontrollieren kann der Nutzer das Arbeitsgerät über ein Smartphone, über das sich Start- und Stopp-Befehle geben lassen. Auch Pflugtiefe und Geschwindigkeit lassen sich per App einstellen.

Großartige Sache – der Traktor arbeitet präziser als ein Mansch und scheint gleichzeitig auch eine Lösung für den Fachkräfte-Mangel zu sein. Aber leider: Nach Europa soll die innovative Maschine nicht kommen. Sicherheitstechnische Bestimmungen verbieten es.

Der autonome Traktor 8R410 von Deere bekommt in Europa keine Zulassung.
Der autonome Traktor 8R410 von Deere bekommt in Europa keine Zulassung. Bild John Deere

Schnelleres Internet unabdingbare Voraussetzung für Digitalisierung in der Landwirtschaft

Durchaus problematisch für die Digitalisierung der Landwirtschaft ist auch die schlechte Versorgung mit schnellem Internet. Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem März 2021, die im Rahmen des Konjunkturbarometers Agrar  im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes erstellt wurde, sind noch immer zwei Drittel (67 Prozent) der befragten Landwirte in Deutschland mit ihrer Internetversorgung unzufrieden. Dieser hohe Wert an Unzufriedenheit hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Das bestätigt auch eine Bitkom-Umfrage, die wir bereits in einem früheren Beitrag zitiert haben: Laut dieser Umfrage gehört für 96 Prozent der Befragten ein besserer Mobilfunk- und Breitbandausbau im ländlichen Raum zu den wichtigsten politischen Maßnahmen, die für eine erfolgreiche Digitalisierung erforderlich wären.

Mangelnde Mobilfunkversorgung bremst den digitalen Bauernhof aus

Viele Höfe sind in Sachen Mobilfunkversorgung so schlecht angebunden, dass selbst Anwendungen wie etwa Farmmanagement-Systeme nur äußerst zäh laufen. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands fordert deshalb einen Masterplan zur flächendeckenden Versorgung mit hochleistungsfähigem Internet auf Basis von Glasfaser- und 5G-Mobilfunktechnik „Der Ausbau einer flächendeckenden, digitalen Infrastruktur muss deutlich schneller vorangehen“, sagt er. „Wer mehr Umwelt-, Klimaschutz und Biodiversität von unseren Bauern einfordert, darf die Wege für digitale Fortschritte in der Landwirtschaft nicht vernachlässigen“.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes fordert schnelleren Breitbandausbau auf dem Land.
Bernhard Krüssken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, fordert schnelleren Breitbandausbau auf dem Land. Bild: DBV, Breloer

Insbesondere die Mobilfunkversorgung in den ländlichen Gebieten ist traditionell schlecht – und dies gilt vor allem in Deutschland. Bisweilen ist es sogar schwer, den Fahrer auf dem Feld überhaupt auf seinem Handy zu erreichen. Der Grund: Für die Provider lohnt es sich oft nicht, Mobilfunk „bis an die letzte Milchkanne“ auszubauen. Doch genau das wäre notwendig, wenn die Digitalisierung in der Landwirtschaft effektiv vorangetrieben werden soll. Insbesondere ein flächendeckender Ausbau von 5G ist für viele Landwirtschaft-4.0-Projekte schlicht eine Grundvoraussetzung.

5G als Hoffnungsträger

5G-Versorgung wird dabei nicht nur für Projekte wie vernetzte Halsbänder benötigt, die Kuhglocke und Fitnesstracker für Rinder in einem sind. Es geht auch um komplexe Projekte, wie den Feldroboter, den die Ostschweizer Fachhochschule (OST) entwickelt. Die Wissenschaftler erproben das Zusammenspiel des Roboters mit einer Drohne, die durch eine Kamera und mithilfe einer KI Unkraut erkennen kann. Diese Daten werden per 5G an einen Server geschickt, der wiederum die Daten zurück an den Roboter sendet. Der manövriert zu den empfangenen Koordinaten , erkennt mit seinen Sensoren das Unkraut und kann dann punktgenau ein Herbizid versprühen. Mit diesem Verfahren lässt sich Unkraut hochpräzise bekämpfen und der Einsatz von Herbiziden um bis zu 90 Prozent zu reduzieren.

Der Feldroboter der Technischen Universität Kaiserlsautern braucht um funktionieren zu können 5G.
Der Feldroboter der Technischen Universität Kaiserlsautern braucht um funktionieren zu können 5G. Bild: TU Kaiserslautern

Denkbar ist sogar, in Zukunft einfach heißes Wasser, statt Gift zu verwenden. Doch diese Entwicklung – ein ganz ähnliches Projekt gibt es übrigens an der TU Kaiserslautern – braucht zwingend 5G. „Die Entwicklungen in der Bilderkennung und im autonomen Fahren, an denen wir arbeiten, sind nur mit einer ausgebauten 5G-Infrastruktur machbar,“ sagt Dejan Seatovic, Professor im Studiengang Maschinentechnik und Innovation an der OST.

Und natürlich braucht es auch die entsprechenden rechtlichen Rahmen. In Deutschland etwa darf die Drohne nicht vollkommen autonom fliegen. „Das von uns eingesetzte System arbeitet teilautonom. Die Drohne fliegt also autonom eine vorher festgelegte Route ab. Zu jedem Zeitpunkt ist ein Pilot mit einer Fernsteuerung vor Ort, um einzugreifen, falls es zu Problemen kommt“, sagt Christian Schellenberger – einer der drei Wissenschaftler, die das Projekt in Kaiserslautern vorantreiben. Ob und wann der Aufpasser aus rechtlicher Sicht nicht mehr gebraucht wird, ist derzeit noch vollkommen offen.

Digitalisierung in der Landwirtschaft: Rechtliche Rahmenbedingungen fehlen noch weitgehend

Neben der mangelhaften Internet-Infrastruktur sieht das österreichische Landwirtschaftsministerium noch weitere grundlegende Probleme für die Digitalisierung der Landwirtschaft. Etwa bei den Daten, die die Höfe generieren. Sie müssen so aufbereitet werden, dass sich aus ihnen sinnvolle Empfehlungen ableiten lassen.. Entsprechende Algorithmen sind noch Mangelware, könnten aber laut Ministerium in Kompetenzzentren entwickelt werden. Um einen Wechsel von einem Softwareanbieter zum nächsten zu ermöglichen, würden einheitliche Schnittstellen und eine gemeinsame Semantik benötigt. In Hinblick auf die Datensouveränität, Datenkompatibilität und  Datenverwaltung müssten die Gesetzgeber in den jeweiligen Ländern deshalb klare rechtliche Rahmenbedingungen schaffen.

Ein weiterer Aspekt: Digitalisierung macht Bäuerinnen und Bauern abhängig von der Technik. Digitale Systeme sind jedoch fehler- und störungsanfällig, und nicht zuletzt abhängig von Strom- und Internetversorgung. Gerade weil die Systeme sehr komplex und untereinander vernetzt sind, kann man sie nicht ohne weiteres durch menschliche Leistung ersetzen. Wenn also bei einem System eine Störung oder ein Fehler auftritt, kann dies zu einem gravierenden Problem werden. Zukünftig brauchen Landwirtinnen und Landwirte deshalb auch eine grundlegende technische Ausbildung, um Fehlerbehebung ein Stück weit in Eigenleistung vornehmen zu können. Gleichzeitig müssen sie sich auf die Qualität der Infrastruktur verlassen können.

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