Moderne Feldmaschinen werden durch GPS gelenkt.

Wohin geht es in Digitalien? Folge 12: KI auf dem Acker

Still und leise bahnt sich eine Revolution in der Landwirtschaft an: Ökonomie wie auch Ökologie zwingen zur Digitalisierung – nicht zuletzt auch auf dem Acker. Deshalb betrachten wir in dieser Folge unser Serie „Wohin geht es in Digitalien?“ vor allem den wachsenden Trend zum Precision Farming.

Aufmacherbild: (C) Tom Fisk/Pexels

Der Bezug zum Essen ist emotional. Wer an Landwirtschaft denkt, hat deshalb oft den urigen  Bauern vor Augen, der jede seiner Kühe noch mit Namen kennt, der auf den Feldern prüfend die Erde durch die Finger rieseln läßt und mit prüfendem Blick auf die Ähren den Reifungsgrad des Getreides feststellt. Allein: Mit der Realität hat dieses Bild  in der Regel nur noch wenig zu tun. Denn längst hat die Digitalisierung auch die Landwirtschaft erfasst.

Digitalisierung der Landwirtschaft hilft Umwelt und Geldbeutel zu schonen

Wie eine aktuelle Studie des IT-Verbandes Bitkom zeigt, nutzen bereit 8 von 10 Höfen in  Deutschland digitale Technologien. 92 Prozent der befragten Landwirtinnen und Landwirte glauben, dass die Digitaliserung der Landwirtschaft großes Einsparungspotential vor allem bei Dünger und Pestiziden mit sich bringt. Konsequenterweise sind auch 81 Prozent überzeugt, dass die Digitalisierung eine umweltschonendere landwirtschaftliche Produktion ermöglicht.

Fast zwei Drittel (63 Prozent) betonen, dass landwirtschaftliche Betriebe mit Hilfe der Digitalisierung langfristig ihre Kosten senken können. Eine Steigerung des Tierwohls ist für 62 Prozent ein wichtiger Aspekt der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Und auch die Umwelt kann davon profitieren: Wie der Bitkom betont, lassen sich durch den zügigen Einsatz digitaler Techniken in der Landwirtschaft bis 2030 rund sieben Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Digitalisierung in der Landwirtschaft: 92 Prozent der Befragten glauben, dass digitale Technologien helfen Ressourcen zu sparen.
92 Prozent der Befragten glauben, dass digitale Technologien helfen Ressourcen zu sparen. Grafik: Bitcom

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „Die Landwirtschaft steht vor einer riesigen Herausforderung: Sie muss gleichzeitig Erträge steigern, den Einsatz von Chemikalien senken, Umwelt und Klima schonen und gesunde Lebensmittel für eine stark wachsende Weltbevölkerung produzieren. Ein solcher Spagat lässt sich nur mit Digitalisierung schaffen“,

GPS hält Traktoren hochpräzise in der Spur

GPS-gesteuerte Landmaschinen zeigen am deutlichsten, wie die Digitalisierung der Landwirtschaft  fortschreitet. Auf 58 Prozent der deutschen Höfe sind sie bereits im Einsatz. Mit solchen Maschinen können große Felder sehr effizient bestellt werden. Weil die GPS-Signale allein zu unpräzise wären, werden Korrektursignale (Real-Time-Kinematic, RTK) genutzt, die die Genauigkeit auf zwei Zentimeter anheben. Allerdings gibt es die Lizenzen dafür in der Regel nur gegen hohe Gebühren. Als Alternative bieten viele Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg das System Sapos (Satellitenpositionierungsdienst der deutschen Landesvermessung) kostenlos an. In anderen Bundesländern gibt es die Lizenz für landwirtschaftliche Betriebe gegen eine Pauschale. Das Saarland etwa verlangt 150 Euro.

Digitaliserung in der Landwirtschaft: GPS hilft Traktoren hochpräzise die Spur zu halten
Digitaliserung in der Landwirtschaft: GPS hilft Traktoren hochpräzise die Spur zu halten. Bild: desenvolvimentorural.com

Die hohe Genauigkeit der Systeme ist wichtig, um die Saat präzise auszubringen und am Ende auch Treibstoff zu sparen. Precision Farming oder Präzisionslandwirtschaft heißt das Ganze deshalb in der Fachsprache. Die Satellitentechnik hilft auch, Überlappungen bei der Bestellung aufzuspüren, etwa beim Ausbringen von Dünger und Spritzmitteln. Der Bordcomputer der Zugmaschine kann dann einzelne Düsen abschalten und so Geldbeutel und Umwelt schonen. Voraussetzung ist allerdings, dass die angehängten Arbeitsgeräte mitspielen und die Signale des Traktors auch umsetzen können.

Pflug steuert Traktor

Eine Weiterentwicklung dieser Technik heiß TIM (Tractor Implement System). Dieses System macht auch den umgekehrten Weg möglich, nämlich dass die Arbeitsgeräte den Traktor steuern – etwa beim Pflügen. Erkennt der Pflug beispielsweise, dass der Boden im aktuellen Teil des Feldes härter ist als zuvor, werden die Motorleistung des Traktors und der Druck der Steuerventile automatisch angepasst, sodass die Furche trotzdem sauber gezogen werden kann.

Im Zusammenspiel mit Bodensensoren oder auch Satellitendaten ist auch eine „teilflächenspezifische Bewirtschaftung“ möglich. Der Hintergrund: Böden haben nicht an Stellen die gleichen Werte, Pflanzen wachsen nicht überall gleich gut. Dazu werden topografische und morphologische Eigenschaften der zu bewirtschaftenden Flächen über Fotos im Computer ausgewertet, Sensoren bestimmen unter anderem den ph-Wert oder den Anteil organischer Materie. Aus den sogenannten Feldaufnahmedateien können verschiedene Bodeneigenschaften abgelesen werden. Nach Auswertung der Daten lässt sich festlegen wo mehr und wo weniger gedüngt werden muss. Diese Daten werden dann an den Bordrechner des Traktor überspielt und per GPS kontrolliert. Das minimiert Umweltbelastungen.

Digitalisierung der Landwirtschaft: KI optimiert Ernteerfolg

Das Start-up Agvolution aus Göttingen hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus solchen Sensordaten Handreichungen für die Landwirte und Landwirtinnen zu erstellen. „Unser Ziel ist, die Zusammenhänge zwischen Pflanzen, Umwelt und Bewirtschaftung sowie Pflegemaßnahmen für verschiedene Szenarien zu berechnen und daraus Empfehlungen abzuleiten“, erklärt Agvolution-Mitgründer Andreas Heckmann. Dafür hat das junge Unternehmen eine KI namens Farmalyser entwickelt. Sie wertet mehr als 170 verschiedene Parameter und Klimadaten aus und erstellt daraus Vorhersagen für Wachstum und  zukünftige Entwicklungen. Auch die aktuellen Preise etwa von Dünger oder die zu erwartenden Verkaufspreise des Endprodukts fließen in die Prognostik mit ein. Die von Agvolution entwickelten und produzierten Umweltsensoren erfassen Parameter wie Temperatur, Niederschlag und Bodenfeuchte und übertragen diese regelmäßig per Narrowband-IoT oder 5G-Mobilfunk an die zentrale Datenplattform des Unternehmens.

Die von Agvolution entwickelten und produzierten Bodensensoren erfassen Temperatur, Niederschlag und Bodenfeuchte und übertragen diese regelmäßig per Narrowband-IoT oder 5G-Mobilfunk an die zentrale Datenplattform des Unternehmens.
Die von Agvolution entwickelten und produzierten Bodensensoren erfassen Temperatur, Niederschlag und Bodenfeuchte und übertragen diese regelmäßig per Narrowband-IoT oder 5G-Mobilfunk an die zentrale Datenplattform des Unternehmens. Bild: Agvolution

Digitale Kompetenz ausbaufähig

Im Zuge solcher Lösungen werden die Höfe allerdings zunehmend von einer flächendeckenden Versorgung durch ein Mobilfunksystem abhängig – ein von den Landwirtinnen und Landwirten oft kritisch beäugter Punkt. Laut Bitkom-Umfrage gehört für 96 Prozent der Befragten ein besserer Mobilfunk- und Breitbandausbau im ländlichen Raum zu den wichtigsten politischen Maßnahmen für eine erfolgreich Digitalisierung.

Und viele der Betriebe fühlen sich für die Erfüllung der neuen Aufgaben nur schlecht gerüstet. Den in ihrem Betrieb Beschäftigten haben die Befragten im Durchschnitt die Schulnote 2,8 für ihre Digitalkompetenz ausgestellt. Tatsächlich wünschen sich auch 90 Prozent der Befragten von der Politik eine Förderung digitaler Kompetenzen bei der Aus- und Weiterbildung.

Digitalisierung der Landwirtschaft kostet

Auch wenn die Digitalisierung der Landwirtschaft als unverzichtbare ökonomische wie auch ökologische Notwendigkeit erscheint: Sie ist nicht umsonst zu haben. Die Zukunftskommission Landwirtschaft beziffert in ihrem Abschlussbericht die Kosten für den finanziellen Mehrbedarf durch den Transformationsprozess auf sieben bis elf Milliarden Euro – pro Jahr. Kein Wunder, dass 83 Prozent der Betriebe die aus ihrer Sicht hohen Investitionskosten als Hemmnis betrachten.

Insgesamt erhoffen sich die Landwirtinnen und Landwirte eine deutlich höhere Unterstützung durch die Politik.  Mehr als jeder zweite (56 Prozent) wünscht sich den Aufbau einer zentralen Agrarplattform für das eigene Datenmanagement. 95 Prozent sprechen sich auch für einen anwenderfreundlichen und kostenlosen Zugang zu Geo-, Betriebsmittel- und Wetterdaten aus. Die Werkzeuge liegen also auf dem Tisch – jetzt müssten sie nur noch zur Anwendung gebracht werden.

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