Wann fahren die Autos denn nun selbst? Eine Roadmap fürs autonome Fahren.

„In ein paar Jahren fahren die Autos sowieso von selbst.“ So hörte ich es vor kurzem in einer Diskussion zwischen zwei Autofans. Allerdings schien den technisch durchaus interessierten Diskutanten nicht bewusst zu sein, dass das autonome Fahren keine Funktion ist, die in dieser Form ab irgendeinem Modelljahr auf der Ausstattungsliste stehen wird. Vielmehr nähert sich die Industrie der Vision selbstfahrender Autos in vielen kleinen Zwischenschritten.

Der Anfang ist längst gemacht: Schon in der automobilen Mittelklasse werden als Sonderausstattung Abstandstempomaten angeboten, die mit schwachen Radarstrahlen den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug messen und die eigene Geschwindigkeit daran anpassen. Die in einem solchen „Tempomaten“ eingestellte Zielgeschwindigkeit ist die Obergrenze, bis zu der das Fahrzeug selbstständig beschleunigt. Die tatsächliche Geschwindigkeit wird vom System aber so geregelt, dass der eingestellte Abstand zum Vordermann möglichst konstant bleibt. Und während die erste Generation solcher Systeme bei 30 km/h ihre Regelungs-Grenze unterschritt, können neuere Ausführungen schon bis zum völligen Stillstand abbremsen und danach wieder selbstständig anfahren und beschleunigen. Diese Funktion ist vor allem im Autobahnstau oder dichten Stop-and-Go-Verkehr in der Stadt durchaus hilfreich.

Spurhalte-Assistenten wie hier in der Mercedes-S-Klasse sind bereits die erste Stufe auf dem Weg zum autonomen Fahren.
Spurhalte-Assistenten wie hier in der Mercedes-S-Klasse sind bereits die erste Stufe auf dem Weg zum autonomen Fahren.

Kombiniert man einen solchen Stop-and-Go-Tempomaten mit einem Spurhalteassistenten, hat man schon die erste Stufe eines „selbstfahrenden Autos“. Denn modernste Ausführungen der Spur-Helfer melden das Überfahren einer Begrenzungslinie nicht nur per Lenkrad-Vibration, sondern können das Fahrzeug auch durch sanften Lenkeingriff zurück auf die Ideallinie zwischen den Fahrbahnmarkierungen führen – sofern diese denn vorhanden sind. Allerdings ist die genannte Kombination aus Abstands- und Spurhalter nicht zwangsläufig auf diesen Grad an Autonomie ausgelegt – weshalb einige Hersteller in diesem Fall sogar einen Zufallsgenerator ins Spiel bringen, der den Fahrer nach einer zufällig bestimmten Zeit des automatischen Lenkens wieder zur Übernahme des Steuers auffordern.

Doch der Schritt zur nächsten Autonomiestufe ist klein, und heute zumindest schon in einigen Oberklasselimousinen zu finden: Ein Staufolge-Assistent lenkt und beschleunigt innerhalb der Systemgrenzen selbstständig. Allerdings ist er wie sein Name schon andeutet, ausschließlich auf Stau-Situationen und typischerweise auf einen Regelbereich von 0 bis 30 oder 40 km/h ausgelegt. Innerhalb dieser Parameter „fährt“ das Auto dann aber schon selbst.

Teilautomatisiertes Fahren gibt es längst – in Versuchsfahrzeugen

Auch der nächste Schritt ist technisch bereits vollzogen – bislang aber noch nicht bestellbar: Doch auf unseren Autobahnen sind schon Dutzende Erprobungsfahrzeuge unterwegs, mit denen die Hersteller das „teilautomatisierte Fahren“ testen. Mit einer Vielzahl von Sensoren – neben Radar etwa auch Kameras und Lidar (Light Detection and Ranging) – erfassen solche Fahrzeuge die Verkehrssituation vor, neben und hinter dem eigenen Standort. Hochleistungsrechner befähigen sie dann dazu, selbstständig im Verkehr mitzuschwimmen und bei Bedarf auch automatisch den Blinker zu setzen, zu überholen, den Blinker zu wechseln und vor dem überholten Fahrzeug wieder auf die Ursprungsspur einzuscheren. Das funktioniert bislang allerdings nur auf Autobahnen und Schnellstraßen und setzt neben Hochleistungs-Sensoren und –Rechnern vor allem auch hochauflösendes digitales Kartenmaterial voraus, dessen Genauigkeit weit über die heute üblichen Navigation-Straßendaten hinaus geht. Erst langsam sind die einschlägigen Kartenlieferanten wie Tomtom und Nokia Here dabei, ihre Kartenbestände in der geforderten Genauigkeit aufzurüsten.

Testfahrzeuge (hier von BMW) sind heute schon in der Lage, auf der Autobahn selbstständig und ohne Fahrereingriff zu überholen.
Testfahrzeuge (hier von BMW) sind heute schon in der Lage, auf der Autobahn selbstständig und ohne Fahrereingriff zu überholen.

Optimisten in der Autoindustrie schätzen, dass die gerade beschriebenen teilautonomen Systeme ab 2016 auf den Markt kommen könnten. Dabei gilt allerdings ein wichtiges Prinzip: Der Assistent ist dafür gedacht, den Fahrer insbesondere von ermüdenden Routinesituationen zu entlasten. Doch der Mensch hinterm Steuer bleibt jederzeit voll verantwortlich und muss innerhalb von Sekunden wieder Steuer, Bremse und Gas übernehmen können, wenn ihn das System – etwa bei Störungen oder Verlassen ausreichend hochwertig digitalisierter Gebiete – dazu auffordert. Letzteres fordert auch das so genannte Wiener Abkommen über den Straßenverkehr, das den weltweit gültigen Rechtsrahmen für den Betrieb von Pkws festlegt.

Hochautonomes Fahren wohl nicht vor 2020

Wenn Systemgrenzen erreicht sind, fordert der Autopilot den Fahrer zur Übernahme auf. (Bild: Audi)
Wenn Systemgrenzen erreicht sind, fordert der Autopilot den Fahrer zur Übernahme auf. (Bild: Audi)

Nach der Teilautonomie folgt in der Nomenklatur der Automotive-Spezialisten das hochautomatisierte Fahren. Es unterscheidet sich von teilautonomen Autobahn-Assistenten vor allem darin, dass der Fahrer sich auf eine längere Vorwarnzeit verlassen kann, bevor er wieder aktiv die Kontrolle übers Fahrzeug übernehmen muss. In der Vision der Hersteller kann er währenddessen E-Mails lesen, im Web surfen oder Videotelefonate führen. Auch dies wird zumindest am Anfang nur auf bestimmten Straßen wie Autobahnen oder Bundesstraßen mit baulich getrennten Fahrtrichtungen möglich sein. Noch nicht ganz sicher ist zudem, in welchem Umfang sich der Autopilot zudem auf weitere Informationsquellen wie etwa kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung verlassen wird. Überdies wirft diese Stufe neben der technischen Umsetzbarkeit und Zuverlässigkeit nicht zuletzt auch juristische Fragen auf, die längst noch nicht geklärt sind. Denn klar ist, dass die Hersteller keine Haftung im verkehrsrechtlichen Sinne für autonome Systeme übernehmen werden. Wird aber der Fahrer bereit sein, im Zweifel für die Entscheidungen und Funktionen des automatischen Assistenten in seinem Fahrzeug gerade zu stehen? Selbst die Optimisten der Branche erwarten diesen Entwicklungsschritt aus vielerlei Gründen nicht vor 2020.

Und vollautomatisiert? Auf jeden Fall noch viel später.

Und was danach kommt – das „vollautomatisierte Fahren“ – ist aus heutiger Sicht ohnehin pure Spekulation. Auch wenn Google und andere autonome Fahrzeuge nicht mehr nur durch die Wüste Nevadas, sondern auch über erste US-Highways schicken, traut sich kaum ein Branchenvertreter, zu diesem Entwicklungsschritt eine konkrete Prognose abzugeben. Ob das vollständig selbst fahrende Auto also 2025 oder erst 2030 auf unseren Straßen unterwegs sein werden – oder doch früher oder doch noch viel später – ist aus heutiger Sicht völlig offen. Fest steht nur, dass die Entwicklung wohl zwangsläufig irgendwann auch zu diesem Schritt führen wird.

Eine ausführlichere Betrachtung über den Funktionsumfang der Assistenten in heute erhältlichen Fahrzeugen und die Pläne der jeweiligen Hersteller – soweit heute bereits von ihnen kommuniziert – habe ich vor kurzem für die Zeitschrift connect verfasst. Insbesondere können Sie dort lesen, was bei welchem Hersteller heute schon geht – und was bei den wichtigsten Automarken als nächstes zu erwarten ist. Den entsprechenden Artikel, der einige der hier geschilderten Aspekte noch vertieft, finden Sie hier.

Weitere Infos um das Thema zu vertiefen gibt es bei Connect: zum Artikel der Zeitschrift Connect

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Wer noch mehr wissen möchte und Lust bekommen hat sich auch in paar Videos zu diesem Thema anzusehen, für den haben wir ein paar spannende zusammengesucht:

Ein Video von den Kollegen von Autobild

Ein Werbevideo von BMW – aber mit tollen Szenen:

Wie eine Stadt sich am Projekt „autonomes Fahren“ beteiligt:

Ein Gedanke zu „Wann fahren die Autos denn nun selbst? Eine Roadmap fürs autonome Fahren.“

  1. Der größte Vorteil durch die Abstandserkennung des autonomen Fahrens ist meiner Meinung nach der Sicherheitsaspekt und ich hoffe, dass hier insbesondere bei den LKW noch stärker getestet wird als bei Automobilen. Auffahrunfälle gerade am Stauende könnten so doch gänzlich vermieden werden, wobei ich sowieso nicht verstehe, warum man hier nicht schon längst einen Abstandssensor in LKW hat, der auch den menschlichen Fahrer warnt. Aber Dinge wie Sicherheitsabstand, Höchstgeschwindigkeit etc könnten in Zukunft durch autonomes Fahren schon automatisch eingehalten werden und vielleicht würden selbst Kontrollen und Blitzer überfällig. Ich bin jedenfalls gespannt, was auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren noch erforscht wird und finde, dass diese Entwicklungen nur Fortschritte bedeuten, vor allem für die Sicherheit. Wer dann unbedingt selbst noch schnell fahren möchte, kann dies ja dann immer noch auf Rennstrecken tun.

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