Mehr und mehr erobert Künstliche Intelligenz unseren Alltag – auch im Bereich der Medien und sozialen Netzwerke. Auf Basis nahezu unendlicher Daten können Computer erstaunlich realistische Medieninhalte generieren. Noch sind KI-Anwendungen, die Bilder, Videos, Stimmen und Ähnliches manipulieren, nicht perfekt. Doch es ist fraglich, wie lange wir Menschen die Unterschiede noch erkennen können.
Quelle des Aufmacherbildes: YouTube / Christian Theobalt
Digitale Inhalte bestimmen unseren medialen Alltag. Doch Filme, Fotos, Geschichten, selbst Kommentare in sozialen Netzwerken werden jetzt schon immer besser von KI-Anwendungen verändert oder überhaupt erst kreiert. Nicht immer dienen solche Eingriffe der Manipulation oder anderen bösen Absichten. Aber die Veränderungen an der digitalen Wiedergabe einer vermeintlichen Realität sind mittlerweile so gut, dass wir auch Missbrauchsgefahr im Blick behalten sollten.
Im Folgenden haben wir einige spannende, aber auch beunruhigende Beispiele für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Medien-Umfeld zusammengetragen.
KI rekonstruiert Bilder – oder erschafft gleich eigene
Bilder rekonstruieren: Drei Forscher an der Carnegie Mellon University in Pennsylvania haben einen Bilderkennungs-Algorithmus entwickelt. Er rekonstruiert aus verpixelten, verwaschenen oder unvollständigen Aufnahmen ein klares Bild.
Zwar kann das Tool nur aus gelernten Informationen ein „plausibles“ Ergebnis erstellen, doch die Ergebnisse sind erstaunlich. Die Entwickler nutzen ein neuronales Netz, um bereits heute Ergebnisse zu liefern, die dem Ursprungsbild relativ genau entsprechen.
Bilder automatisch zeichnen: Microsoft hat einem Bot beigebracht, das zu zeichnen, was der Nutzer ihm sagt. Das Besondere: Die KI ruft nicht etwa passende Motive ab, um sie nachzubilden, sondern sie erstellt die Bilder von Grund auf neu.
Textbeschreibungen reichen völlig aus. Und mittlerweile enthalten die Bilder Details, die in den Beschreibungen gar nicht vorgegeben waren.
Stimmen imitieren: Das Start-up Lyrebird hat eine Software entwickelt, die in wenigen Minuten lernt, Stimmen nachzuahmen. Die Entwicklung will die Interaktion mit Computern angenehmer machen und auch sprechbehinderten Menschen helfen. Ausprobieren ist kostenlos und erfordert nur eine Registrierung. Wir haben es versucht: Hören Sie sich hier das Original und die Fälschung an. Perfekt ist Letztere noch längst nicht, denn das „Künstliche“ im Sound lässt sich nicht leugnen. Doch die Richtung stimmt bereits, eine Verwandtschaft zur echten Stimme ist erkennbar.
Videos, Gedichte und Musik – KI wird kreativ
Videos automatisiert produzieren: Die britische Rockband Muse hat ein Musikvideo von einem Computer erstellen lassen . Dazu haben Programmierer ein KI-System vorher mit Hunderten Stunden an Reden, Pressekonferenzen und TV-Interviews gefüttert. Im Musikvideo „Dig Down“ blendet das System diese Video-Schnipsel im Takt der Musik als Videokacheln ein.
Die Bandmitglieder waren vom Ergebnis so begeistert, dass sie jeden Tag eine neue Version davon hochladen lassen.
Gedichte schreiben: 2017 hat Microsofts KI namens „Xiaoice“ die erste jemals von einer KI verfasste Gedichtesammlung veröffentlicht – allerdings auf Chinesisch. In 2760 Stunden schrieb sie mehr als 10.000 Gedichte, 139 wurden schließlich für die Sammlung mit dem Titel „Sunshine Misses Windows“ ausgewählt. Zuvor hatte die Software alle Gedichte von über 500 Autoren bis zurück zu den 1920er-Jahren studiert. Damit nicht genug, veröffentlichte die KI ihre Gedichte selbsttätig in mehreren Online-Foren unter 27 Aliasnamen, ohne auf breiter Front als nicht-menschlich enttarnt zu werden. Nur wenige Menschen vermuteten hinter den Postings einen Roboter.
Musik komponieren: Nachdem Sony unter dem Titel „Flow Machines“ den ersten von einer KI produzierten Song veröffentlichte …
… arbeiteten der Musikproduzent Alex Da Kid und das KI-System Watson von IBM mit Spotify zusammen, um gemeinsam „Datenerkenntnisse über Musik und Kultur in kognitive Musik umzusetzen“. Daraus entstand die Single „Not Easy“. Watson studierte zu diesem Zweck riesige Mengen an unstrukturierten Daten wie Artikel, Social-Media-Posts und Interviews.
KI fälscht Kunst – oder entlarvt Fälschungen
Gemälde wie von bekannten Künstlern erschaffen: Auch bei diesem Projekt war Microsofts KI am Werk: 18 Monate lang analysierten Programmierer und KI-Experten an der Technischen Universität Delft die Werke Rembrandts. Aus dieser„Künstler-DNA“ errechnete die Künstliche Intelligenz ein „typisches“ Gemälde von Rembrandt, das anschließend in 3D gedruckt wurde.
Kunstfälschungen entlarven: Mit nahezu 100-prozentiger Treffsicherheit identifiziert eine KI-Software Fälschungen von Bildern berühmter Künstler wie Picasso oder Matisse, deren Pinselstrich ähnlich wie ein Fingerabdruck einzigartig ist. Das KI-Projekt niederländischer und US-amerikanischer Forscher hat dafür gut 80.000 Pinselstriche von 300 berühmten Werken analysiert.
Vom Drehbuch zum fertigen Film – KI-Beispiele rund um die Filmbranche
Drehbücher schreiben: Man nehme Textzeilen aus „Knight Rider“ und „Baywatch“, Werke von Shakespeare und eines bekannten Drehbuchautors und lasse sie vom KI-System „Benjamin“ analysieren. Heraus kommt der bizarre 7-Minuten-Film „It‘s No Game“, in dem David Hasselhoff „The Hoffbot“ verkörpert – einen von Nanobots gesteuerten Schauspieler, der auf Kommando Texte aus „Knight Rider“ wiedergibt.
Aufnahmen fälschen: Eine von Nvidia programmierte KI verändert Videoaufnahmen so überzeugend, dass sie zum Beispiel Licht- und Wetterverhältnisse ins Gegenteil verkehrt.
Winter wird zu Sommer, Tag zu Nacht – zwar noch nicht fehlerfrei, aber bereits jetzt mit beeindruckenden Resultaten.
Filme den Vorlieben der Zuschauer anpassen: „Stell dir eine Welt vor, in der die Erzählung, Hintergrundmusik, Farbgebung und das grundlegende Gefühl eines Films in Echtzeit auf deine Persönlichkeit zugeschnitten sind“, heißt es auf der Webseite eines Projekts der britischen Rundfunkanstalt BBC. Das Verfahren namens „Visual Perceptive Media“ soll Filme nicht nur für bestimmte Regionen, sondern für jeden Zuschauer individuell gestalten. Auf der Basis einer Befragung zu den Vorlieben bestimmt sie anschließend die Zusammensetzung des Films.
KI imitiert Handschriften oder ersetzt Redakteure
Handschriften imitieren: In Wessex an der University of Bath haben Wissenschaftler eine KI entwickelt, die Handschriften nachahmen kann – schon jetzt auf hohem Niveau. Einsatzmöglichkeiten sind zum Beispiel Unterstützung für Gelähmte, automatisierte Grußbotschaften von Absendern (Präsente, Blumen etc.) oder auch die Fortführung der charakteristischen Handschrift von Zeichnern, wenn Comicbücher übersetzt werden. Dass diese Anwendung allerdings nicht ganz ungefährlich ist, solange Unterschriften und handschriftlich verfasste Urkunden juristisch als Beleg des Willens ihrer vermeintlichen Urheber gelten, liegt jedoch ebenfalls auf der Hand.
Zeitungen kuratieren: Das britische Marketing-Magazin „The Drum“ ließ IBMs Watson ein komplettes Heft gestalten – von der Bilderauswahl über die Textanpassung bis zur Seitengestaltung. Die Idee dahinter: Redakteure sollen von „lästigen Arbeiten“ befreit werden, um sich wieder auf ihr Kerngebiet wie Analysen, Recherchen und Kommentare zu konzentrieren. Ob sie diese vermeintliche Unterstützung wirklich schätzen werden?
Deep Fake Videos – gefälschte Gesichter
Gesichter in Filmen fälschen: Eine Software von Forschern aus Deutschland, Frankreich und den USA erzeugt Videos mit „gefälschten Gesichtern“. Sie lässt etwa Barack Obama oder Theresa May wie fremdgesteuert so reden und aussehen, als hätten sie das Gesagte wirklich selbst geäußert.
Die KI analysiert dazu das Gesicht der zu imitierenden Person, übernimmt dann Mundbewegungen und Mimik eines Schauspielers und überträgt diese schließlich auf die Fake-Person. Die Ergebnisse sind schon jetzt erstaunlich überzeugend. Auch diese Beispiele unterstreichen die mit solchen Anwendungen verbundene Problematik. Wie lange werden wir echte Videos noch von unechten unterscheiden können?
Wie vertrauenswürdig sind Bilder und Videos?
Die gezeigten Beispiele unterstreichen deutlich, dass ein Foto und auch ein Video heute längst kein wasserdichter Beweis mehr dafür sind, dass sich etwas so zugetragen hat wie abgebildet. Auch Handschriften und Sprachaufnahmen sollte man aus denselben Gründen mit Skepsis begegnen. Das macht die kritische Einschätzung von Medieninhalten nicht einfacher – und stellt ans Publikum höhere Anforderungen in Sachen Medienkompetenz denn je.
Die positive Seite: Genauso, wie Künstliche Intelligenzen an der Schaffung von Fakes und „optimierten Realitäten“ beteiligt sein können, dienen sie auch als Werkzeug, um ebensolche Konstrukte zu identifizieren. Wie auch in anderen Bereichen – etwa bei Fragen rund um IT-Sicherheit – wird KI also auf beiden Seiten zum Einsatz kommen: Bei den „Bösen“ genauso wie bei den „Guten“, als Angriffswaffe ebenso wie als Verteidigungsmechanismus.
Welche Folgen hat Künstliche Intelligenz für unsere Kreativität?
Genau diese Frage stellt die Wissenschaftsjournalistin Antje Hinz – ob es „das Ende unserer Kreativität ist, wenn selbstlernende Maschinen zeichnen, komponieren, schreiben und kochen können“. Sie geht der Frage nach, welche Folgen Big Data, Mustererkennung, Verknüpfung von Informationen für uns Menschen haben können.
Selbstverständlich sollte der Fokus jeglichen Fortschritts auf einem verantwortungsvollen Umgang zum Wohle der Gesellschaft liegen. Insofern darf auch die Missbrauchsgefahr nicht außer acht gelassen werden. Antje Hinz kommt zumindest zu einem einigermaßen beruhigenden Fazit:
„Ist es das Ende unserer Kreativität? Ganz und gar nicht! Mit reflektiertem oder visionärem (Voraus-)Denken, mit den richtigen Fragen, mit Haltung und Gewissen machen wir Menschen uns unersetzlich! Was von künstlicher Intelligenz nicht ersetzt werden kann, ist Kreativität und kritisches Denken, Empathie und Wertschätzung, aktives Zuhören und eine zugewandte Gesprächsführung, Mut und Leidenschaft.“