IEEE 6G Summit: 6G bereits im Blick

Mittlerweile hat sich im Mobilfunk die Regel etabliert, dass etwa alle zehn Jahre eine neue Technologie-Generation folgt. Demnach steht Ende der 20er-Jahre der Marktstart des Nachfolgers von 5G an – in der Branche spricht man schlicht von 6G. Und auch wenn diese sechste Mobilfunkgeneration im Alltag noch weit entfernt ist, haben die Arbeiten daran längst begonnen. Zum Beispiel auf dem IEEE 6G Summit, der am 9. und 10. Mai 2023 in Dresden stattfand. Wir waren vor Ort.

Die jüngere Mobilfunkhistorie im Schnellüberblick: Anfang der 90er-Jahre löste 2G beziehungsweise GSM die vorherigen analogen Mobilfunktechnologien der ersten Generation (in diesem Sinne also „1G“) ab. Zum Jahrtausendwechsel folgte UMTS, auch als 3G bezeichnet. 4G/LTE wurde im Jahr 2010 eingeführt. Und 2019/2020 startete in Deutschland der Ausbau von 5G. Man kann darüber streiten, ob die 10-Jahres-Regel eine Gesetzmäßigkeit oder eher eine selbsterfüllende Prophezeiung ist – aber in jedem Fall steht fest, dass ein 6G-Standard um das Jahr 2030 zu erwarten ist. Und wie schon seine Vorläufer soll natürlich auch 6G wieder ein einheitlicher, globaler Standard werden.

Neue Mobilfunkgenerationen brauchen viel Arbeit

Doch neue Mobilfunkstandards brauchen viel Entwicklungsarbeit. Da ist zum einen die Forschung gefordert, neue, verbesserte Konzepte für effizientere Nutzung der Übertragungsfrequenzen und neue Idee für noch schnelleren Signaltransport zu entwickelt. Zum anderen müssen sich Wissenschaft, Netzbetreiber,  Chipproduzenten, Infrastrukturhersteller, Endgeräteanbieter und andere Beteiligte auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Für Letzteres sind Standardisierungsgremien wie das 3GPP (Third Generation Partnership Projekt), die ITU (International Telecommunications Union), das ETSI (European Telecommunications Standards Institute) und das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) zuständig. Sie treffen sich in regelmäßigen Veranstaltungen und Sitzungen, um die Eckpunkte der neuen Standards festzulegen.

In Vorträgen und Podiumsdiskussionen stecken die Teilnehmer des 6G Summit wichtige Eckpunkte für die nächste Mobilfunkgeneration ab.

Ein solcher Event war der „IEEE 6G Summit“, der am 9. und 10. Mai 2023 in Dresden stattfand. Der Veranstaltungsort war dabei kein Zufall. Denn die TU Dresden und das daran angegliederte „5G Lab Germany“ spielen eine wichtige Rolle bei der Erforschung und Weiterentwicklung von Mobilfunktechnologien. Zudem hat sich Dresden als wichtiger Standort der Chipindustrie in Deutschland etabliert – was sich wiederum mit der Nähe zu den in diesem Bereich führenden Hochschulen erklärt.

Übrigens: Auch wenn alle Beteiligten mit Hochdruck an 6G arbeiten, haben sich mehrere etablierte Institutionen dennoch entschieden, ihre auf früheren Mobilfunkgenerationen basierenden Namen beizubehalten. Das 3GPP, das sich für die Standardisierung von 3G/UMTS formiert hatte, hat dies schon länger Entschieden. Auf dem „6G Summit“ kündigte nun auch das „5G Lab Germany“ an, seinen Namen trotz der zunehmenden Ausrichtung auf 6G nicht zu ändern.

Mobilfunkstandards entwickeln sich schrittweise weiter – das gilt auch für 6G

Einig sind sich die Vertreter von Wissenschaft, Forschung und involvierten Unternehmen aber auch darin: 6G wird eine Weiterentwicklung von 5G sein, ebenso wie 5G auf Konzepten aus der 4G-Zeit basierte. Wie im Mobilfunk üblich, wird 6G nicht auf einen Schlag auftauchen, sondern einzelne Entwicklungen werden für eine Evolution von 5G in Richtung 6G sorgen. Möglicherweise wird auf dem Weg dorthin auch irgendjemand ein „5.5G“ ausrufen – so wie vor dem Marktstart von 5G auch von „4.5G“ die Rede war.

Von Campusnetzen bis zu internationalen Kooperationen – Anwendungen von heute und morgen standen auf dem 6G Summit im Fokus

Und ebensowenig, wie 5G am ersten Tag seiner Marktpräsenz bereits alle Funktionen und Eigenschaften erfüllt hat, die für 5G konzipiert worden waren, wird es auch 6G ergehen. Ob sein Marktstart nun 2029 oder 2030 stattfinden wird – bis alle Erwartungen, die mit 6G verknüpft werden, tatsächlich erfüllt wurden, werden mehrere weitere Jahre ins Land gehen.

Diese schrittweise Entwicklung ist zudem auch der Grund, warum es für Endverbraucher ebenso wie für Business-Anwender und Industriekunden keinen Sinn machen würde, „5G auszulassen, und stattdessen auf 6G zu warten.“

Noch schneller, noch kleiner, noch breiteres Spektrum – auch 6G macht vor diesem Wettrennen nicht Halt.

Was aber sind nun die neuen Eigenschaften, mit denen 6G aufwarten soll? Und welche Anwendungen, die mit 5G noch nicht realisierbar sind, soll 6G möglich machen?

Auch wenn die klassischen Performance-Indikatoren wie Datenraten und Latenzzeiten nicht mehr an erster Stelle stehen, wird 6G auch sie verbessern. Im Raum stehen Datenraten von zunächst 10 bis 100 Gbit/s und später sogar in der Dimension von Terabit/Sekunde sowie Latenzen deutlich unter einer Millisekunde. Um solche Zielwerte zu ermöglichen, denken die Forscher und Entwickler gleichermaßen über die noch effizientere Nutzung des verfügbaren Mobilfunkspektrums nach wie auch über die Erschließung neuer Frequenzen.

In der angegliederten Ausstellung waren erste Forschungsergebnisse und frühe Anwendungen rund um 6G zu sehen.

Zusätzlich zu den heute bereits üblichen beziehungsweise bis 3,7 GHz sowie den bereits diskutierten „Millimeter-Wellen“ (mmWaves) um 26 GHz soll 6G auch den Bereich zwischen 110 und 170 GHz und für Ultrakurzstrecken- Kommunikation sogar den Terahertz- Bereich nutzen. Hier sind die Wellenlängen so klein, dass die Mobilfunksignale auch für Sensoren genutzt werden könnten – ähnlich wie etwa bei Radar- und Lidar-Anwendungen. Die Idee ist, die Wellen gleichzeitig als Sensoren und für die Signalübertragung zu nutzen. Die Sensor-Funktionen könnten etwa zur Abstandserkennung zwischen Fahrzeugen dienen oder für Gestensteuerung von Endgeräten.

Zudem sollen die kleinen Wellenlängen neben weiteren Verbesserungen in der Infrastruktur der Netze dazu beitragen, auch die Latenzen (also Reaktionszeiten) der Netze weiter zu senken. Ultrakurze Latenzen von deutlich unter einer Sekunde sind etwa für eine verbesserte Koexistenz und Kooperation zwischen Menschen und Robotersystemen nötig. Und dies ist auch eine der Visionen hinter 6G: Forscher wie Prof. Gerhard Fettweis, Inhaber des des Vodafone Stiftungslehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden und Co-Koordinator des 5G Lab Germany, erwartet von 6G etwa einen Siegeszug von Haushaltsrobotern und erschwinglichen Roboter-Butlern für private Nutzer.

Wie können 6G-Technologien dazu beitragen, dass Roboter und Menschen effizient und unfallfrei zusammenarbeiten? Auch das war ein Thema auf dem 6G Summit.

Kooperationen und Projekte sollen Europas Rolle bei 6G stärken

Im Netz soll nicht zuletzt KI dabei helfen, die Topologie, also die Strukturen. der Mobilfunknetze im laufenden Betrieb ständig zu optimieren. Signale und Kapazitäten würden dann binnen Sekunden dorthin gelenkt, wo größere Nutzerzahlen oder anspruchsvolle Anwendungen sie gerade benötigen.

Ein weiterer wichtiger Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt für 5G sind Datensicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation. Daran arbeiten Initiativen wie OPNESAS (Operationalization of NESAS). NESAS steht wiederum für Network Equipment Security Assurance Scheme – diesen Standard beziehungsweise dieses „Framework“ haben die GSMA (Global System for Mobile Communications Association) (GSMA) und das bereits erwähnte 3GPP entwickelt, um Sicherheit in der Mobilfunkbranche zu überprüfen, zu verbessern und zu gewährleisten. Neben dem BSI arbeiten mehrere deutsche auf Datensicherheit spezialisierte Firmen an dieser Initiative mit.

Förderprojekte und internationale Initiativen sollen die Entwicklung von 6G unterstützen.

Auch Förderprojekte der Bundesregierung und Kooperationen auf europäischer Ebene sollen die Entwicklung von 6G unterstützen. Zielsetzung ist dabei zu zuletzt, dass europäische Hochschulen und Unternehmen beim neuen Mobilfunkstandard ein gewichtiges Wort mitzureden haben sollen. Denn diese Zielsetzung für 6G steht für die europäischen Vertreter von Forschung, Regierungsinstitutionen und Unternehmen ganz weit oben: Man will zur nächsten Mobilfunkgeneration mindestens auf Augenhöhe mit den Pendants aus USA und Asien mithalten können. Dass die wesentlichen Impulse für diese global eingesetzten Zukunftstechnologien nur aus anderen Regionen der Welt kommen, gilt es dabei auf jeden Fall zu verhindern.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert