Das Gastgewerbe zählt zu den Branchen, die von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen wurden. Gerade Hotels haben darauf häufig reagiert, indem sie die Digitalisierung ihres Geschäfts vorangetrieben haben. In unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien“ untersuchen wir am Beispiel verschiedener Branchen und Lebensaspekte, wie sich unsere Art zu leben und zu arbeiten durch diese Umbrüche verändert. In der vorliegenden Folge wollen wir das Gastgewerbe unter die Lupe nehmen – und konzentrieren uns dabei auf digitale Services in der Hotellerie.
Aufmacherbild: (C) betterspace
Am Rande der wirtschaftlichen Existenz
Keine Frage: Covid19 hat der Hotellerie viel Kummer und Sorgen bereitet. Die High-Touch-Industrie, die traditionell vom engen Kontakt zum Gast lebt, hat unter den Beschränkungen und Lock-Downs extrem gelitten. Laut offiziellen Zahlen des statistischen Bundesamtes sanken die Übernachtungszahlen in Deutschland im ersten Halbjahr 2020 um rund 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im April vorigen Jahres betrug der Rückgang fast 90 Prozent. Experten schätzen den daraus resultierenden Umsatzeinbruch für 2020 hierzulande auf rund 20 Mrd. Euro. Doch so hart die Folgen für die Branche auch waren: Viele Einzel-Unternehmen und vor allem die großen Hotelketten haben die bisweilen existenzielle Krise als einen Weckruf verstanden und sind die bislang eher vernachlässigte Digitalisierung der Hotellerie angegangen.
Digitalisierung der Hotellerie als Ausweg?
Denn die Digitalisierung gilt als eines der wichtigsten Werkzeuge für die Hotellerie, um die Folgen der Corona-Krise erfolgreich zu bewältigen. Durch sie soll aus der High-Touch-Industrie eine „Low-Touch-Economy“ werden.
Doch immer noch schätzen viele Hotel-Manager die Digitalisierung ihres Hauses als eher gering ein. Laut einer Umfrage der Hotel-Software-Schmiede betterspace unter ihren Kunden stufen 63 Prozent den Digitalisierungsgrad ihres Betriebes als „weniger fortgeschritten“ an. Nur 13 Prozent geben an, er sei „sehr fortgeschritten“. Dafür werden vor allem drei Gründe angeführt: Jeweils rund ein Viertel der Befragten nennen fehlendes Know-how, hohe Investitionskosten und die Angst vor dem Verlust des Kundenkontaktes als Ursachen. Zudem erwarten 19 Prozent einen hohen Schulungsbedarf.
Auch Hotel-Gäste wollen digitale Dienste
Allerdings: Der Druck auf die Branche ist groß, denn auch die Kunden haben sich geändert. Besonders Geschäftsreisende und technikaffine Millennials, die es gewohnt sind, Internet und Smartphone intensiv zu nutzen, fragen mit immer mehr Nachdruck nach digitalisierten Dienstleistungen. Für sie ist es selbstverständlich, das Hotel und möglichst auch gleich das Zimmer online auszuwählen und zu buchen. Fortschrittliche Häuser bieten ihnen dabei gleich einen virtuellen Rundgang durch das Haus an.
Dann macht die Digitalisierung wohl auch den klassischen Rezeptionisten ein Stück weit überflüssig. Die konventionelle Anmeldung mit Stift und Papier hat sich ohnehin weitgehend überlebt. Besonders weit ist in dieser Hinsicht das Wiener Hotel Schani, das seit mehr als fünf Jahren zusammen mit dem Fraunhofer Institut an einem digitalen Konzept tüftelt. So hat das Hotel eine eigene App entwickelt, mit der Gäste ihren Zimmer-Schlüssel verwalten können. Dieser Schlüssel lässt sich mit Mitreisenden via SMS, WhatsApp oder E-Mail teilen. In der App ist zudem eine Chatfunktion für die Rezeption mit eingebaut. Einchecken, auschecken, Rechnungserstellung – all das funktioniert digital und somit auch papierlos. Oder sollte es zumindest. Denn die App scheint nicht immer reibungslos zu funktionieren oder bisweilen auch die Benutzer zu überfordern: Im Google-Play Store finden sich miserable Bewertungen und einige bitterböse Beschwerden über mangelnde Funktionalität.
Roboter als digitaler Zimmerservice
Solche negativen Bewertungen sind jedoch unangenehm und schlecht fürs Image. Insbesondere dann, wenn die Digitalisierung Teil des Hotel-Vermarktungskonzepts ist. Allerdings sind sie auch symptomatisch für den Umbruch: Die Einschätzung fehlenden Know-hows ist wohl nicht aus der Luft gegriffen. Für viele Hoteliers gehört Digitaltechnik schließlich nicht wirklich zur Kernkompetenz.
So tasten sich die Hotelbetreiber mit kleinen Schritten an die Digitalisierung heran. Ausprobiert wird bereits vieles. So können Gäste etwa das House Keeping per Handy-App zeitlich abstimmen. Im Extremfall erledigt den Room Service auch schon ein Roboter. Hierfür hat das Münchner Technologie-Start-up Robotise den Service-Roboter„Jeeves“ entwickelt. Der elektronische Diener kann via App von den Gästen gerufen werden, Snacks verkaufen, Botengänge erledigen, Räumlichkeiten kontrollieren und via Sprachmodul direkt kommunizieren. Und er ist keine Zukunftsspinnerei: die „NYX-Hotels“ oder das „The Rilano Hotel“ in München haben ihn bereits im Einsatz. Offen ist allerdings noch die Akzeptanz durch die Gäste.
Digitale Dienste helfen bei der Kontaktminimierung in der Hotellerie
Eine allgemein bereits akzeptierte Ausprägung der Digitalisierung sind elektronische Speisekarten für den Room Service oder auch das Hotelrestaurant oder die Hotelbar. Der Gast lädt sie einfach per QR-Code und WLAN auf das Smartphone herunter – Desinfektion unnötig. Bezahlt wird – wie etwa bei der Hotelkette „Prizeotel“ – bargeldlos, auch an der Bar. Cash wird nicht mehr akzeptiert.
Genau wie digitale Bestellprozesse für Zusatzdienstleistungen helfen solche Maßnahmen, den Kontakt mit den Mitarbeitern zu virtualisieren. Ein weiteres Mittel hierzu kann die Videokommunikation sein. So lassen sich Displays in der Lobby, im Empfangsbereich oder auf den Gästezimmern nutzen, um mit den Gästen in Kontakt zu treten. Sogar Mitarbeiter im Homeoffice können sich so um die Gäste kümmern. Eine Alternative zu fest installierten Chat-Displays sind in vielen Häusern Tablet-Computer.
Digitalisierung der Hotellerie hilft auch Kosten zu sparen
Tablets sind auch der Schlüssel zu einem weiteren Gebiet der Digitalisierung: dem Smart Building. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, in der Hotellerie ökonomisch zu arbeiten. Hier hilft vergleichbare Technik, wie sie auch bei immer mehr privaten Nutzern unter dem Schlagwort „Smart Home“ Einzug hält.
Analog dazu sind smarte Hotelzimmer mit Sensoren ausgestattet, die ganz unterschiedliche Parameter messen. Sie bieten die Option, Strom- und Wasserverbrauch zu erfassen und zu optimieren. Wasserlecks können erkannt und Fenster im Falle eines Unwetters per Fernsteuerung geschlossen werden, auch wenn der Gast nicht im Zimmer ist. Die Heizung läuft nur dann, wenn sich Gäste im Zimmer aufhalten oder wenn der Raum gebucht ist. Ansonsten werden die Zimmer nur noch auf Mindesttemperatur gehalten.
Für den Gast ist das Tablet der Schlüssel zu den Zimmerfunktionen. Mit ihm kann er Heizung und Licht steuern oder auch die Fenster öffnen und schließen. Nicht selten funktioniert das auch schon über Sprachsteuerung – und somit so, wie es viele Gäste von Alexa und Co auch schon von zu Hause gewohnt sind.
Mit konsequenter Digitalisierung gegen den Mitarbeitermangel
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) haben in ihrer Studie „Futurehotel – Das smarte resiliente Hotel“ noch zwei weitere Gebiete ausgemacht, die der Hotelbranche helfen können, effektiver zu arbeiten und vor allem auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen: Sie nennen diese Bereiche „Digital Business“ und „New Work“. Vor allem letzterer Punkt ist für viele Häuser essenziell. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Belegschaft hat nämlich die Corona-Krise genutzt, um in andere Branchen zu wechseln. Die Gründe hierfür waren neben schlechter Bezahlung auch häufig schlechte Arbeitsbedingungen, die aus mangelnder Umsetzung von Digitalisierung und Technikeinsatz resultieren.
Dies ergibt sich auch aus einer Befragung des Fraunhofer IAO unter knapp 4000 Personen im Gastgewerbe. Insbesondere Mitarbeiter aus dem Bereich Haustechnik und Gebäudemanagement empfinden eine besonders große Diskrepanz zwischen der theoretischen Bedeutung der Digitalisierung in ihrem Arbeitsalltag und der tatsächlichen Umsetzung. Und vor allem Mitarbeiter im Management wünschen sich, zumindest teilweise im Home-Office arbeiten zu können. Sie benötigen dazu einen Online-Zugriff auf alle für sie relevanten Daten. Diesen Wunsch zu erfüllen, sollte sich für die Betreiber auszahlen: Mit einer solchen Arbeitsweise gehen mehr Eigenverantwortung und mehr Selbstbestimmtheit einher, und sie mindert die Abwanderung deutlich.
Software optimiert Abläufe
Unter dem Stichwort „Digital Business“ schlagen die Forscherinnen und Forscher den Einsatz eines Online-Hotelmanagement-Systems (PMS) vor. Damit ist ein komplexes Tool gemeint, das alle Betriebsinformationen bündelt und etwa auch beim Customer Relationship Management und in der Personalplanung hilft. Damit eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. So kann das System etwa durch automatische Zutrittskontrollen das Zeitmanagement der Mitarbeiter flexibilisieren. Oder es kann die Gästeströme am Frühstücks-Buffet oder in Restaurants regeln und damit die persönlichen Kontakte der Gäste minimieren. Daneben können solche Programme auch die Kommunikation mit den Zulieferern und Dienstleistern abwickeln, und sie sind die Grundlage für den Aufbau eines effektiven Online-Marketings. Zudem ist ein solches System auch Schnittstelle für alle Gästeservices, die online angeboten werden.
Die Krux bei diesem Thema: Gerade für solche Dienste ist eine schnelle Internet-Anbindung unabdingbar. An vielen ländlichen Hotelstandorten bleibt das jedoch nur ein frommer Wunsch. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.