Insbesondere im Gastgewerbe hat die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Deshalb hatte der viel zitierte „Digitalisierungs-Beschleuniger“ Corona auch zur Folge, dass viele Hotels und Gastronomiebetriebe sich notgedungen neue Geschäftsmodelle überlegt haben. Orientierung haben vor allem die etablierten Online-Dienste gegeben. In unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien“ untersuchen wir am Beispiel verschiedener Branchen, wie sich unsere Art zu leben und zu arbeiten durch diese Umbrüche verändert. In der vorliegenden Folge wollen wir einen weiteren Blick auf das Gastgewerbe werfen – und dabei besonders darauf, welche neuen Konzepte in dieser Branche entstanden sind.
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Not macht erfinderisch. Das gilt auch und vor allem für das von Corona sehr hart getroffene Gastgewerbe. Bereits in der vorherigen Folge haben wir einen Blick auf entsprechende Trends in der Hotellerie geworfen. Doch es gibt noch mehr Ideen. So haben einige Hotels wie etwa die Scandic-Kette kurzerhand ihr Geschäftsmodell geändert und in ihren Häusern Coworking-Spaces eingerichtet. Mit High-Speed-Internet, kostenlosem Kaffee und Wasser, abgeschotteten Arbeitsbereichen, und vielen anderen Dienstleitungen mehr. Die Arbeitsplätze kann man hier ganz flexibel für einen Monat oder auch nur für einen Tag mieten.
Das Prinzip Airbnb
Für andere Hotels war Corona der Anlass, sich endlich gegen das Schreckgespenst der Branche zu stemmen: gegen Airbnb. Die Online-Plattform hatte sich mit ihrer Geschäftsidee bereits vor Corona-Zeiten zu einem harten Konkurrenten der klassischen Hotels entwickelt. In touristischen Hotspots wie Barcelona, Paris oder Wien vermittelt die Plattform Unterkünfte, die pro Nacht oft nur die Hälfte kosten wie vergleichbare Hotelangebote.

Aber nicht nur wegen der günstigeren Preise war und ist die Plattform so erfolgreich. Ihr Geschäftsmodell nutzt aus, dass viele Reisende einfach keine Lust mehr auf die immer gleichen anonymen Hotelzimmer haben. Sie wollen einen lokalen Gastgeber, der ihnen auch den einen oder anderen Geheimtipp geben kann. Wer bei Airbnb bucht, der kann schon im Voraus sehen, wie es in seiner zukünftigen Unterkunft ausschaut und weiß auch, wer sein Gastgeber ist. Denn der muss, wie die Gäste auch, sich auf der Vermittlungs-Webseite vorstellen.
Neues Geschäftsmodell: Wohnen wie bei Freunden
Viele internetaffine Millenials nutzen die Seite auch schon mal nur um sich inspirieren zu lassen. Sie schauen sich ein Loft in Stockholm an, überlegen sich, ob ein Baumhaus in der Bourgogne für den nächsten Urlaub in Frage kommt oder kontaktieren einfach den sympathischen Gastgeber in Reykjavik, um sich ein paar Tipps für die Reiseplanung abzuholen. Wenn es passt, kann man ja immer noch buchen.
Überhaupt sind die sozialen Medien die große Stärke des Geschäftsmodells von Airbnb. Sie halten die große Gruppe der Airbnb-Fans zusammen, die sich immer noch als eine Art Community verstehen und die im Herzen oft den Geist der Rucksacktouristen tragen, die sich gegenseitig die besten Tipps verraten.

Das mag auch den Anfängen von Airbnb geschuldet zu sein, das vor etwas über 12 Jahren als „Air Bed and Breakfast“, also „Luftmatratze und Frühstück“ gestartet ist. Heute kann man laut eigenen Angaben aus mehr als fünf Millionen Gastgebern wählen, die in mehr als 100.000 Städten der Welt zu finden sind. Allein für Deutschland gibt es mehr als 160.000 Inserate. In manchen Städten ist Airbnb so erfolgreich, dass die Plattform mehr Übernachtungen vermittelt als es Gäste in den örtlichen Hotels gibt.
Alles außer gewöhnlich
Die Hotelbranche hat diese Plattform und damit auch den Einfluss des Internets lange unterschätzt. Doch mittlerweile gibt es erste Ansätze, das Konzept von Airbnb für den eigenen Bedarf zu adaptieren.
So bietet etwa die Kette 25Hours Hotelzimmer an, die alle unterschiedlich sind und die alle einen stylischen und doch auch gemütlichen Charme ausstrahlen. Dazu gehören lässige Bars, die eher an einen Studentenclub erinnern, oder auch Hängematten statt Clubsesseln. Verbunden wird das Ganze mit einer breit aufgestellten Präsenz in den sozialen Medien und modernster Technik wie iMac-Workstations im Business-Center oder auch Bluetooth-Boom-Boxen auf den Zimmern.

Zum Geschäftskonzept gehören nicht zuletzt kostenloses High-Speed-WLAN und eine Gratis Minibar. Der Gast soll sich wirklich als Gast fühlen.
Airbnb-Konzept allerorten
Während 25hours mit seinem Konzept in Europa noch als eine Art Pionier gelten darf, so gibt es mittlerweile eine breite Palette an Nachahmern, die mit ähnlichen Geschäftsideen punkten wollen. So hat etwa die Arcor-Gruppe in den obersten Stockwerken des neuen Ikea-Gebäudes am Wiener Westbahnhof das JO&JOE Vienna eröffnet. Die Mischung aus Hostel und Hotel verfügt über 345 Betten, einen großen Community-Bereich mit Bar und Restaurant und Extras wie zum Beispiel einem privaten Kino. Das Styling haben Urban Street Artists übernommen, die den öffentlichen Räumen und den Zimmern einen trendigen Touch gegeben haben.

Selbst altehrwürdige Häuser wollen auf den Zug von Airbnb aufspringen. Etwa die Hilton-Kette mit der poppig bunten Marke tru, die mit Free Wifi, einem Spielzimmer und Workspaces im Stil von Strandkörben wirbt.
Um den Gästen das richtige Insider-Feeling zu bieten, gehört neuerdings auch das Trendscouting zum Geschäftsmodell der Hotels. Sie arbeiten eng mit lokalen Anbietern zusammen, buchen den angesagten Bäcker für das Frühstücksbuffet, empfehlen den trendigen, aber etwas versteckten Barbershop oder bieten die ganz speziellen Mischungen der örtlichen Kaffeerösterei an, die es sonst nur in kultigen Kaffeehäusern gibt. Und natürlich gehört auch die lokale Kulturszene dazu, um den Gästen eines Hotels das Gefühl zu geben, die besuchte Stadt wirklich zu erleben. Auch für dieses Konzept ist die Präsenz in den sozialen Medien überaus wichtig. Sie bietet die Option, sich aus der grauen Masse der Angebote herauszuheben.
Geschäftsmodell für Wirte: der To-Go-Trend
Nicht nur für die Hotellerie, sondern auch für die Gastronomie bedeutete Corona den Zwang, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Die Pandemie machte die klassische Bewirtung schon aus rechtlichen Gründen unmöglich. Abstandsgebote reduzierten die Zahl der Tische und machten den Restaurantbetrieb oft unwirtschaftlich.
In den Städten fehlen aber auch auf einmal viele Büroangestellte, die sonst in der Mittagspause die Tische bevölkerten. Sie arbeiten noch oder wieder im Homeoffice – andere haben sich in Corona-Zeiten statt Essen im Restaurant an den schnellen Snack vom Bäcker oder aus dem Supermarkt angewöhnt.
Um zu überleben, mussten die Restaurants sich an den To-Go-Trend anpassen. Das war allerdings für viele Gastwirte nicht so einfach. Denn, wie der Münchner Jung-Gastronom Evrim Karabog dem Fach-Portal hogapage berichtet: „Essen ausliefern, statt Gäste im Restaurant zu bedienen, das ist eine ganz neue Challenge, in die wir erst reinwachsen mussten“. Geholfen haben dem Gründer, der sein Restaurant „Lyfe“ im November 2020 – also just mitten im ersten großen Corona-Lockdown – eröffnete, die oft geschmähten Lieferdienste. Ihre Kunden sind bereits online. Waren Sie zufrieden, dann haben sie auf den entsprechenden Webseiten gute Kritiken hinterlassen, was wiederum neue Kunden bewogen hat, beim gleichen Anbieter zu bestellen.

Neue Konzepte auch für die gehobene Gastronomie
Natürlich funktioniert das Außer-Haus-Prinzip als Geschäftsmodell für ein Restaurant nur eingeschränkt. Ein Sterne-Menü in der Plastik-Schale werden sich wohl nur wenige bestellen, und das frisch gezapfte Pils ist auch längst schal, wenn es der Lieferdienst bringt. Trotzdem kommen auch viele Wirte der gehobenen Gastronomie gestärkt aus der Pandemie. Sie haben die Zeit genutzt und das Konzept ihrer Betriebe digitaler gemacht. Beispielsweise durch elektronische Speisekarten, die auch über Webseiten abrufbar sind. Per QR-Code lassen sich diese Karten dann auch im Außenbereich des Lokals abrufen. Durch die Digitalisierung ergeben sich viele Vorteile. So lassen sich etwa per Mausklick Menüs für mittags und abends zusammenstellen, und Gäste können die Speisen nach bestimmten Zubereitungsarten oder Zutaten filtern, etwa „vegetarisch“ oder „ohne Soja“. Weil eine solche Speisekarte die Auswahl und Bestellaufnahme beschleunigt, ermöglicht sie bis zu 80 Prozent reduzierte Wartezeiten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Alle Speisen können mit Bildern versehen werden. Eine Umfrage des Reservierungsportals bookatable.at hatte bereits im Jahr 2018 ergeben, wieviel Macht Bilder auf den Gast haben. So haben bereits damals 70 Prozent der Deutschen angegeben, schon einmal ein Restaurant besucht zu haben, weil Food- und Restaurantbilder vorab überzeugt haben. In Österreich und der Schweiz sind es sogar jeweils knapp 90 Prozent. All dies soll sich laut nach Angeben der Digi-Karten-Anbieter in einer Umsatzsteigerung von 30 bis 40 Prozent niederschlagen.

Online-Kurs: Fernsehkoch mal anders
Ein weiteres Geschäftsmodell, das sich in Zeiten vor Corona durchgesetzt hat: Online-Kochkurse. Viele Restaurants, aber auch Hotels, laden bereits seit einiger Zeit in die hauseigene Küche ein, um Gästen Gelegenheit zu geben, von den Profis zu lernen. Ein Angebot das sehr gut angenommen wird, denn Selbstkochen ist schon seit langem wieder in.
Seit Corona laufen – wie etwa beim Weinberg-Schlösschen in Oberheimbach – Kochkurse aber des öfteren auch als Video-Konferenz ab. (Fast) alle benötigten Zutaten kommen vorher per DPD Express ins Haus, ein Video erklärt die Vorbereitungen. Mit solchen Konzepten kann man durchaus ein großes Publikum erreichen. Bei einem Kochevent im Weinberg-Schlösschen sind bisweilen bundesweit mehr als 200 Hobby-Köche zugeschaltet. Derzeit haben die Kochkurse zwar Pause. Dafür lassen sich aber Schlemmerpakete online bestellen, aus denen sich mit wenigen Handgriffen ein Luxusmenü zaubern lässt. Eine weitere starke Geschäftsidee, um Corona ein Schnippchen zu schlagen.
Zu airbnb schreiben Sie „Allein für Deutschland gibt es mehr als 160.000 Inserate. In manchen Städten ist Airbnb so erfolgreich, dass die Plattform mehr Übernachtungen vermittelt als es Gäste in den örtlichen Hotels gibt.“ – Das verstehe ich nicht. Mehr Übernachtungen als Gäste geht doch nicht. Könnten Sie dies genauer erläutern?
Hallo Frau Gähwiler,
vielen Dank für die Anmerkung. Tut mir leid für die missverständliche Formulierung. Ich habe sie gewählt, weil Airbnb kein klassicher Gastgeber ist, sondern nur ein Vermittler. Gemeint ist, dass über Airbnb mehr Menschen eine Unterkunft buchen, als alle Hotels des Ortes zusammen als Gäste begrüßen können.
Viele Grüße
Wolfgang Korne