Digitalisierung im Tourismus: Alle Achtung, die Reisebranche ist gut gerüstet!

Wohl kaum eine Branche verbindet die Digitalisierung so sehr mit Vergnügen und Innovationen wie der Tourismus – gibt es hier doch unzählige clevere Anwendungsgebiete, die das Reisen attraktiver machen. Die Intelligente Welt hat sich umgeschaut in der Welt der Reise-Verschönerungs-Dienste und stellt fest: Wer sich auf die Digitalisierung einlässt, wird in Zukunft (und auch jetzt schon) Reisen deutlich anders erleben als noch vor wenigen Jahren.

Autor: René Wagner; Quelle des Aufmacherbildes: Pixabay.com / Collage

Der Tourismus zu den Branchen, die von der Corona-Pandemie besonders stark getroffen wurden. Doch nicht nur die nun wieder gelockerten Beschränkungen und Reisewarnungen geben für die Zukunft Anlass zur Hoffnung. Auch die Digitalisierung ist in diesem Bereich weiter fortgeschritten als viele meinen. Und sie wird das Reisen verändern.

Entsprechende Lösungen und Angebote reichen von der Anregung für das nächste Reiseziel im Netz über den Mobile-Check-in am Flughafen bis hin zur Übersetzungs-App im Restaurant und der Online-Bewertung der Unterkunft. Laut einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom kommt mittlerweile für jede vierte Reise die Inspiration aus dem Netz, etwa von Vergleichsportalen, Online-Werbung, Reiseblogs oder aus sozialen Netzwerken.

(C) Bitkom

Diese digitalen Dienste sind aber schon fast ein alter Hut. Spannender sind die Erkenntnisse, wenn die Befragten Auskunft zu ihren Wünschen geben: 78 Prozent würden sich über Tablets & Co. als Unterstützung zur persönlichen Beratung freuen. 70 Prozent würden gerne im Reisebüro 360°-Bilder ihres Reiseziels auf einem Bildschirm anschauen. Und Virtual-Reality-Brillen für das realitätsnahe Erleben des Urlaubsziels würden 51 Prozent nutzen. Immerhin 35 Prozent wünschen sich Augmented Reality zur Orientierung am Flughafen.

Dabei sind diese Zahlen in gewisser Weise „total veraltet“ – sie stammen von 2018. Seither sind zwar nur zwei Jahre vergangen, doch das ist in der Digitalisierung eine lange Zeit. Die Wünsche dürften noch gestiegen sein – und das eine oder andere wurde zwischenzeitlich sogar schon Wirklichkeit.

Virtual Reality macht Appetit auf Sehenswürdigkeiten

Interaktiv präsentiert sich die Tourist-Information am Erfurter Bahnhof: Touristen können mittels VR-Brille Sehenswürdigkeiten besuchen. Dabei reagiert ein smarter Roboter auf die Gäste und zeigt ihnen Kurzfilme zur Thüringer Heimat.

Apropos VR-Brille: In Österreich nutzen bereits mehrere Destinationen Virtual Reality und 360°-Filme – etwa das Kunsthistorische Museum Wien, wie das Video oben zeigt.

Über die Webseite von Tourismus NRW e.V. kann man schon vor dem echten Besuch von Sehenswürdigkeiten einen virtuellen Besuch dort abstatten: Fünf UNESCO-Welterbestätten in Nordrhein-Westfalen wurden in 360°-Panoramen verwandelt.

Ebenso zeigt auch der Tourismusverband Fränkisches Seenland seine schönsten Plätze in 360°-Panoramen. Und der Reiseveranstalter DER Touristik stellt Reisebüros 360°-Videos für VR-Brillen zur Verfügung. TUI wiederum macht über VR-Brillen virtuelle Hotelrundgänge möglich.

Virtual Reality ist ein riesiger Trend im Tourismus. Bildquelle: Pixabay.com

Das Projekt „Erlebnisradweg“ entlang des Hohenzollern-Radweges macht seinem Namen alle Ehre, indem es über Augmented Reality Sehenswürdigkeiten in das Handykamera-Bild integriert und die Historie der Region präsentiert.

Beacons weisen den Weg und liefern Daten

Auch die Orientierung durch stationäre Mini-Funksender, die sogenannten Beacons, spielen bei touristischen Anwendungen eine zunehmend wichtige Rolle.

Deutschlands erste „Beacon Mile“ befindet sich in Minden und setzt eine digitale Stadtführung per Smartphone um. Außerdem liefern QR-Codes im Straßenpflaster Infos zu Kultur, Restaurants und Einkaufmöglichkeiten.

Die Römer-Lippe-Route geht sogar noch weiter und hat den Teutoburger Wald, das Sauerland und Münsterland, die Metropole Ruhr und den Niederrhein mit Beacons miteinander verbunden. Entlang der 479 Kilometer langen Route werden standortbezogene Dienste getestet, etwa Wetterwarnungen, Baustellen, Hinweise zu Veranstaltungen und vieles mehr.

Ideen für das Hotel der Zukunft

Die Deutsche Hospitality, Dachmarke der Steigenberger Hotels, hat als erste deutsche Hotelkette eine eigene Anwendung für Amazons Sprachassistenten Alexa entwickelt. Dieser stellt verschiedene Fragen, um die Bedürfnisse und Wünsche der Reisenden zu ermitteln, und präsentiert dazu passende Hotelempfehlungen.

Wie könnte das Hotel der Zukunft aussehen? Diese Frage beschäftigt auch das Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) im Duisburger Forschungslabor „FutureHotel“ – und bietet anderen Hotels an, an den Erkenntnissen zu partizipieren. So können etwa die Gäste des Wiener Hotels Schani bequem von zu Hause aus ein Wunschzimmer buchen, quasi analog zum Check-in beim Flugzeug. Ein Lichtleitsystem führt die Gäste nach Ankunft zu ihrem Zimmer, per Smartphone lässt sich das Zimmer aufschließen, das Licht steuern, das Klima regeln und noch einiges mehr. Sogar die Zahlung mit Bitcoins ist möglich.

Einen mobilen Check-in gibt es auch bei der Connected Hospitality in Köln: Beacons erkennen den ankommenden Gast, übermitteln seine Daten an die Rezeption, der Meldeschein wird automatisch ausgedruckt. Auch der Check-out inklusive Bezahlung geschieht per Smartphone. Da das Hotel vorher weiß, was der Kunde will, kann es den individuelle Service verfeinern.

App zeigt an, in welchen Läden wenig Andrang ist

Sie möchten sich per Beacons oder App zu einem Hotspot in der Stadt leiten lassen? Dann wäre es doch praktisch, schon vorher zu sehen, wann ein Besuch nicht mit großen Menschenansammlungen verbunden ist, sondern zu welchen Zeiten dort wenig los ist, so dass der Besuch mehr Spaß macht.

Screenshot: Google Play Store / App „Crowdless“

Genau das hat sich ein britisches Start-up gedacht: Die App „Crowdless“ zeigt, wo wann wenig oder viel los ist. Die Basisdaten dafür stammen von Google, aber auch die User können den Grad der Menschenansammlung in Echtzeit melden. Laut den Entwicklern gehören zu den finanziellen Unterstützern der App die Oxford University, die London School of Economics sowie die Raumfahrtbehörde ESA.

Verreisen mit Augmented-Reality-Kontaktlinsen

Das US-Startup Mojo Vision entwickelt zurzeit die ersten smarten AR-Kontaktlinsen, die die echte Welt mit digitalen Informationen erweitern. In den Linsen ist ein Display integriert, das Daten anzeigt, ohne den optischen Fokus zu stören. Dazu liefert ein Relais wie etwa eine Halskette die nötige Rechenleistung, nachdem ein Sprachbefehl gegeben wurde.

Augmented Reality über Kontaktlinsen? Bildquelle: Pixabay.com

Besonders faszinierend dürfte in Zukunft die Eye-Tracking-Technologie werden: Je nachdem, wohin der Nutzer schaut, kann das System automatisch die passenden Informationen anzeigen, ohne dass sie extra angefordert werden müssen. Praktisch zum Beispiel, wenn wir uns in fremden Ländern zurechtfinden wollen, etwa für Echtzeit-Übersetzungen von Schildern. Oder natürlich als Ersatz fürs Smartphone, wenn man Informationen zu Sehenswürdigkeiten sucht.

Digitale Tourismus-Trends, die sich die Deutschen wünschen

Die Bitkom-Studie, die wir bereits am Beginn dieses Beitrags erwähnt haben, brachte übrigens noch weitere Wunsch-Reisetrends der Zukunft hervor. Insgesamt zeigt sie, dass die Deutschen neuen Technologien recht aufgeschlossen sind. So möchten sie etwa …

– während einer Flugreise digitale Informationen zu überflogenen Sehenswürdigkeiten auf einer digitalen Anzeige im Außenfenster sehen (71 Prozent)
– mit dem Smartphone oder Tablet alle Einstellungen am Sitzplatz vornehmen (48 Prozent)
– bereits im Flugzeug reiserelevante Daten zum Urlaubsziel automatisch auf das Smartphone gespielt bekommen (46 Prozent)
– Smart-Home-Technologien im Hotel nutzen, etwa einen automatischen Anwesenheitsassistenten (69 Prozent)
– Virtual Reality und Augmented Reality nutzen, um Orte virtuell zu bereisen oder näher kennenzulernen (54 bzw. 52 Prozent)
– Urlaubsvideos im 360°-Format anschauen (48 Prozent)
– von Robotern für Empfang und Check-in an der Rezeption begrüßt werden (24 Prozent)

Auf smarten Schuhen zum Flieger oder zum Gepäck

Vieles davon wird schon entwickelt, und manches dringt sogar in völlig neue Dimensionen vor: Die Fluglinie Easyjet forscht an smarten Schuhen, die ihrem Träger den Weg weisen. Via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden, leiten die „Sneakairs“ den Nutzer über Vibrationen im Schuh zu seinem Ziel, das er vorher in eine App eingegeben hat.

Vielleicht weisen die Schuhe auch erst einmal den Weg zum eigenen Koffer. Denn dafür hat eine andere Fluglinie eine Lösung entwickelt: Die Lufthansa bietet zusammen mit dem Kofferhersteller Rimowa einen elektronischen Gepäckanhänger an. Er lässt sich unter anderem an den Flughäfen Frankfurt und München nutzen. Einfach vor dem Flug via Lufthansa-App den „Rimowa Electronic Tag“ mit Daten füllen und ihn am Koffer anbringen – die App zeigt dann an, wann und wo am Flughafen der Koffer abgeholt werden kann, und bietet sogar eine Live-Verfolgung.

Auch für Zugfahrten gibt es vergleichbar smarte Anwendungen: Siemens setzt künstliche Intelligenz ein, um „unangenehme Mitreisende“ im Zug zu erkennen. Die Software bietet eine Aggressionserkennung und meldet potenzielle Angriffe automatisch der Leitstelle. Schon 2022 will die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft 23 neue Siemens-Züge mit der Technik in Berlin und Brandenburg fahren lassen.

In der Region Wangerland kann man Strandkörbe übers Smartphone buchen und sogar benutzen – über einen digitalen Schlüssel, der das ebenso digitale Schloss am Strandkorb freischaltet. Die App zeigt sogar den Weg zum gebuchten Strandkorb.

Tourismus-Mehrwert durch Ent-Digitalisierung

Wem aber die Sache mit der Digitalisierung im Tourismus zu viel werden sollte, der schaut sich vielleicht einmal das folgende Beispiel an. Es zeigt, wie man als findiger Unternehmer die Digitalisierung auch „andersherum“ als Alleinstellungsmerkmal nutzen kann – indem man sie ins Gegenteil verkehrt.

So gibt es im Weinstadt-Hotel in der Nähe von Stuttgart handyfreie Zonen, und auch andere Hotels stellen explizit kein WLAN zur Verfügung oder weisen auf fehlenden Handyempfang hin – womit sie sich als Refugium für Menschen empfehlen, die eine digitale Auszeit nehmen wollen. Auch das kann ein Geschäftsmodell im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung sein.

Digitalisierung im Tourismus in den letzten zwei Jahrzehnten

Zum Schluss noch eine spannende Infografik vom Projekt „Tourismuszukunft“ der Realizing Progress GmbH aus Bayern. Sie zeigt die Entwicklung der Digitalisierung im Tourismus in Meilensteinen seit 1999:

(C) www.tourismuszukunft.de

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