Aufmacherbild: (C) TU Dresden
Unter dem Stichwort „5G“ bereiten Hersteller und Netzbetreiber die nächste Generation des Mobilfunks vor. Wer seine Ideen und Konzepte in die dafür zu definierenden Standards einbringen kann, wird ab 2020 beim Mobilfunk der Zukunft den Ton angeben – und darf sich dann nicht zuletzt über hohe Lizenzeinnahmen freuen. Mit den Forschungsaktivitäten von rund zwanzig Professoren aus dem „5G-Lab“ der Technischen Universität Dresden tritt Deutschland somit im Wettbewerb gegen Institute und Unternehmen aus China und den USA an. Zu den Forschungs-Schwerpunkten der TU zählt aber nicht nur der rasante Transport von Daten, sondern auch deren intelligente Analyse und Aufbereitung – in einem eigenen Kompetenzzentrum zum Thema Big Data.
Autoren: R. Wagner; H.Rügheimer
„Was man mal in Science-Fiction-Filmen gesehen hat, wird ein Teil unseres Lebens werden.“
Dieser Satz fällt in einem Video von Samsung, das die Entwicklung der Mobilfunknetze in zwei Minuten zusammenfasst: von 1G (mobile analoge Telefone) und 2G (mobile digitale Telefone und erste einfache Datenübertragungen) über 3G (Digitaltelefonie und zügigere Datenübertragung) bis hin zu 4G (Fokus auf Highspeed-Datenfunk) – und schließlich sehr beeindruckend, was die fünfte Mobilfunkgeneration oder kurz „5G“ schon in wenigen Jahren leisten soll.
5G hat einiges vor
Der künftige Mobilfunkstandard soll ultraschnelle Datentransfers ermöglichen – eine ganze DVD soll sich in wenigen Sekunden übertragen lassen. Videostreaming soll sogar hochauflösende 4K-Videos unterstützen. Interaktive Anwendungen profitieren davon, dass es bei den Datentransfers kaum mehr nennenswerte Zeitverzögerungen geben soll. Eine intelligente Priorisierung passt Übertragungsgeschwindigkeit und Datenmenge an die jeweilige Anwendung und Netzauslastung an. Diese Basistechnologien sollen die Vernetzung von Gegenständen im Internet der Dinge forcieren, selbstfahrende Autos koordinieren, chirurgische Eingriffe mit Hilfe von Operations-Robotern aus der Ferne ermöglichen und vieles mehr leisten.
Statt rund sieben Milliarden Smartphones werden in wenigen Jahren wohl hunderte Milliarden Geräte miteinander verbunden. Damit all das reibungslos funktioniert und die Netze den unvorstellbaren Daten-Ansturm verkraften, arbeiten Professoren, Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeiter an der TU Dresden im „5G-Lab“ zusammen, um die Grundlagen für die nächste Mobilfunkgeneration zu entwickeln. Dabei sind viele einzelne Probleme zu lösen: Die Übertragungsgeschwindigkeiten sollten künftig in der Spitze Größenordnungen von Gigabit pro Sekunde erreichen. Gleichzeitig müssen die Reaktionszeiten im Netz, die sogenannten Latzenzzeiten, auf wenige Millisekunden reduziert werden. Dies hat wiederum Konsequenzen für die Netzstruktur. Denn selbst wenn die Datenpakete zwischen Funkantenne und Netz-Elementen über Glasfaserkabel transportiert werden, wird nun die Lichtgeschwindigkeit zum limitierenden Faktor: In einer Millisekunde legt ein Datenpaket per Glasfaser „nur“ rund 300 bis 500 Kilometer zurück. Daher kann der bundesweite Netz-Verkehr nicht mehr über eine einzige Netz-Zentrale laufen, sondern er erfordert mehrere dezentrale Verteilstationen. Die Forscher an der TU Dresden sprechen vom „taktilen Netz“ und meinen damit, dass die Reaktionszeiten so kurz sind, dass die Rückmeldungen schnell genug erfolgen, dass die Sinne des Menschen sie als Echtzeit akzeptiert. So lassen sich etwa virtuelle Objekte über Datenhandschuhe manipulieren, und der Tastsinn lässt sich durch die Simulation überlisten.
Hinzu kommen weitere Anforderungen wie extrem hohe Zuverlässigkeit – angestrebt wird eine Netzverfügbarkeit von über 99,9 Prozent. Im folgenden Video gibt Dr.-Ing. Frank Fitzek, Professor für Kommunikationsnetze an der TU Dresden, einen Überblick, mit welchen Konzepten und Lösungen das 5G-Lab in Dresden diesen Herausforderungen begegnet:
Auch die Redaktion der Intelligenten Welt hat sich bereits ausführlich am 5G-Lab der TU Dresden umgesehen. Im folgenden Video erklärt unser Redaktionsleiter Hannes Rügheimer, was 5G von den bisherigen Mobilfunk-Generationen unterscheidet:
Weitere Hintergründe über die Zielsetzungen der nächsten Mobilfunkgeneration lesen Sie darüber hinaus in unserem Webspecial zu den Schwerpunkten des Nationalen IT-Gipfels 2015. 5G war dort Thema einer Fokusgruppe innerhalb der Plattform „Digitale Netze und Mobilität“.
Lange Tradition in der Informatik-Forschung
Mit der Entwicklung der Grundlagen von 5G in enger Zusammenarbeit mit Netzbetreibern wie Vodafone steht die TU Dresden fraglos im Mittelpunkt der öffentlichen „IT-Wahrnehmung“. Mit etwa 2000 Studierenden gehört die Fakultät Informatik heute zu den größten Ausbildungsstätten für Informatik in Deutschland. Dabei geht die Geschichte der Informatikausbildung in Dresden bis in die Anfänge der elektronischen Rechentechnik zurück. Forscher aus Dresden waren unter den ersten, die den Magnettrommelspeicher konzipierten und die ersten digitalen elektronischen Rechenautomaten entwickelten. Nur drei Beispiele für aktuell über 100 Forschungsthemen sind das Leuchtturmprojekt „Theseus“ zur Schaffung einer Plattform für das Internet der Dinge, die Erhöhung der Sicherheit von Betriebssystemen durch Mikrokerne sowie das Forschungsprojekt AUTEG für einen automatisierten Entwurf von Gebäudeautomationssystemen.
Das CHE-Hochschulranking der „ZEIT“, erhoben von der Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung GmbH, attestiert der Fakultät Informatik der TU Dresden eine „hervorragende Forschung in den Gebieten Softwaretechnik, Multimedia, Betriebssysteme, Datenschutz und -sicherheit, parallele und verteilte Rechnersysteme, intelligente Systeme und formale Methoden der Spezifikation“.
Darüber hinaus zählt die Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik (E&I) mit 29 Professuren und vier Juniorprofessuren, 400 wissenschaftlichen Mitarbeitern, etwa 2300 Studierenden und einem durchschnittlichen Drittmittelaufkommen von 23,4 Millionen Euro pro Jahr zu den Leistungsträgern der Universität. Dementsprechend lang ist die Liste ihrer nationalen und internationalen Forschungsprojekte.
Grundlagenforschung für Big Data
Neben der 5G-Entwicklung ist auch ein weiteres Projekt ein Flaggschiff der IT-Forschung in Dresden: das „Competence Center for Scalable Data Services and Solutions“ (ScaDS), das auf eine Initiative der Bundesregierung zurückgeht. Es gehört zu zwei Big-Data-Kompetenzzentren, die 2014 eingerichtet wurden und mit insgesamt gut 10 Millionen Euro unterstützt werden. Das ScaDS in Dresden beschäftigt sich mit „Herausforderungen auf dem Gebiet der Akquise, Handhabung und Verwertung großer Datenbestände für ein breites Anwenderspektrum“. In der Praxis konzentriert sich das ScaDS auf fünf Anwendungsbereiche: Lebenswissenschaften, Werkstoff- und Ingenieurwissenschaften, Umwelt- und Verkehrswissenschaften, Digital Humanities und Business Data.
„Wir müssen lernen, wie wir mit riesigen Datenmengen richtig umgehen können“, sagte dazu Bundesforschungsministerin Johanna Wanka auf der CeBIT 2015 in Hannover. „Erstens müssen wir Instrumente entwickeln, mit denen aus bloßen Daten nützliches Wissen generiert werden kann. Und vor allem muss der technische Fortschritt auch gewährleisten, dass wir uns sicher und selbstbestimmt in der digitalen Welt bewegen können. Das betrifft den einzelnen Menschen ebenso wie Unternehmen.“
Mobile Anwendungen, soziale Netzwerke, Multimedia-Sammlungen, Sensor-Netzwerke, datenintensive wissenschaftliche Experimente und komplexe Simulationsrechnungen – sie alle führen zu einer Datenflut, deren Verarbeitung und Analyse mit innovativen Methoden vielfältige neue Optionen zur Verwertung eröffnen. So werden etwa im Bereich „Business Data“ IT-Systeme erforscht, die unternehmensübergreifende Wertschöpfungssysteme verbessern. Die Forscher konzentrieren sich dabei auf schnelle Datenauswertung in Echtzeit und entwickeln smarte Applikationen für datengetriebene Geschäftsprozesse. So entstehen beispielsweise in der Logistik intelligente Echtzeit-Verkehrsinformationssysteme, im Energiesektor zum Beispiel „mitdenkende“ Stromnetze für eine zuverlässige Energieversorgung oder im Gesundheitswesen besondere Datenanalyse-Verfahren – denn auch hier wird die Datenmenge mit der zunehmenden Verfügbarkeit miniaturisierter Sensoren und bildgebender Verfahren rasant wachsen.
Apropos Datenmengen und Geschwindigkeiten: Nach Prognose von Vodafone soll das Internet in fünfzehn Jahren tausend Mal (!) schneller sein als heute. Mit solchen Geschwindigkeiten ließen sich alle heute bei Youtube gespeicherten Filme innerhalb von nur einer Stunde herunterladen – ein Vergleich, den man erst einmal verdauen muss. Wie lassen sich ein solches Netz und seine Anwendungen clever organisieren? Die TU Dresden und ihre Fakultäten arbeiten mit Hochdruck an den Antworten und Lösungen.