Viele Eltern lehnen die digitale Kita immer noch ab.

Wohin geht es in Digitalien? Folge 4: Bildungswesen – Kitas und Grundschulen

Kitas und Grundschulen galten lange als eine Art Schutzzone für die  Kleinsten. Der Einsatz von digitalen Medien war tabu. Doch durch Corona hat hier ein Umdenken eingesetzt. In der vorliegenden Folge unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien“ wollen wir deshalb einen gezielten Blick darauf werfen, was sich in puncto Digitalisierung in dieser Einstiegs-Stufe des Bildungssystems tut.

Aufmacherbild: cottonbro/Pexels 

Corona hat die allermeisten Kitas vollkommen unvorbereitet getroffen. Jahrelang galt der Grundsatz, die Kleinsten von allem Digitalen fernzuhalten. In der Kita sollen sie frei spielen und sich entfalten – ohne Apps und Tablet, hieß es. Manche Eltern haben Kitas sogar boykottiert, die eine zaghafte Annäherung an die digitale Welt gewagt haben.

Digitale Medien: Neuland auch für die ErzieherInnen

Mit der Corona-Krise wurde alles anders. Es galt, den Kindern trotz geschlossener Kindergärten einen Halt zu geben und vor allem auch den Kontakt zu den Familien zu halten. Dafür waren digitale Medien praktisch unverzichtbar. Das stellte auch die ErzieherInnnen vor große Probleme. Für sie waren die in Frage kommenden Angebote ebenso Neuland wie für die Eltern. Neben der technischen Kompetenz zur Nutzung mussten sie auch praktikable Einsatzszenarien entwickeln, die  Kindern und Eltern helfen, mit der Pandemie umzugehen.

Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist der Kindergarten Zauberwind im Rheinland-Pfälzischen Hüffelsheim. Der Leiter Martin Mucha hatte bereits vor einiger Zeit Tablet-Computer in der Kita eingeführt. Und wie er in einem Podcast des Webportals DigiKids betont, nicht als eine Art Projekt, sondern um den Umgang mit digitalen Medien alltäglich zu machen. Dazu musste er sein zunächst skeptisches Team überzeugen und auch Lösungen für eine Reihe von datenschutzrechtlichen Probleme finden.

Digitale Kitas: Morgenkreis per Videostream

Als im Frühjahr 2021 Corona die Kitas im Land lahmlegte, war das Team bereits eingearbeitet und hatte deshalb relativ schnell kreative Lösungen für den den Einsatz von digitalen Kommunikationswegen zur Hand. Wie Mucha auch in einem RND-Interview erzählt, stand dies immer unter der Prämisse, die Bindung zu den Kindern aufrecht zu erhalten.

Eine der Ideen war ein täglicher Morgenkreis im Livestream. 15 Minuten lang, ganz wie ein normaler Morgenkreis. Jede der vier Gruppen bekam seinen eigenen Stream, die Kinder wurden begrüßt, und jeder durfte erzählen, was er wollte. Es wurde gesungen und es gab Fingerspiele. Die technischen Hürden für die Teilnahme waren minimal: Es war keine Zusatzsoftware nötig, auch per Smartphone oder Tablet war die Einwahl möglich. Drei Monate dauerte die Aktion – und das mit großem Erfolg. In der Spitze nahmen 50 Kinder an den täglichen Morgenkreisen teil.

Martin Mucha, Leiter des Kindergartens Zauberwind und Pionier in Sachen digitale Medien
Martin Mucha, Leiter des Kindergartens Zauberwind und Pionier in Sachen digitale Medien. Bild: digikids.online

Digitalisierung: Aktzeptanz bei Eltern gewachsen

Bei so viel Kreativität wollten viele Eltern nicht zurückstehen: Sie produzierten kleine Videos für den Kita-eigenen YouTube-Kanal und erklärten etwa, die man Knetmasse selbst machen kann. Die ErzieherInnen füllten den Kanal mit Bastel- oder Backanleitungen und haben auch bereits ein interaktives Versteckspiel verfilmt. Auch wenn die Kinder nicht den ganzen Tag fernsehen sollen, findet es Mucha „trotzdem völlig in Ordnung, die Kinder auch mal eine halbe Stunde vor dem Fernseher oder dem Tablet zu parken.“ Nicht zuletzt, um sich in der Ausnahmesituation mal eine Verschnaufpause zu verschaffen. Corona hat mit dazu beigetragen, dass auch bei den Eltern das Verständnis für den Einsatz digitaler Medien in einer Kita gewachsen ist.

Videos der ErzieherInnen im YouTube-Kanal von Zauberwind hallfen die Bindung zu den Kindern zu erhalten
Videos der ErzieherInnen im YouTube-Kanal von Zauberwind hallfen die Bindung zu den Kindern zu erhalten. Screenshot: IW

Mexiko: Blaupause für Online-Kindergarten

Corona ist ein weltweites Problem. Und auch Jaqueline Treu hat mit den Folgen zu kämpfen. Sie ist Erzieherin in einem deutschen Kindergarten in Mexiko – ein Kindergarten, der gleich zu Anfang der Pandemie geschlossen wurde. Beziehungsweise nicht geschlossen, sondern auf Online-Betrieb umgestellt. Wie das funktionierte, erzählt Treu im Blog Klett-kita.de: „Es ist ganz ähnlich wie der Online-Unterricht, den wir aus der Schule kennen. Über Microsoft Teams haben wir uns zunächst an drei Tagen online mit den Kindern getroffen. Montags gab es digital gemeinsame Sportübungen oder Kinder-Yoga, mittwochs wurde gebacken und freitags gebastelt. Am Dienstag und Donnerstag haben die ErzieherInnen kleine Videos mit Aufgaben oder Spielen gedreht und sie den Eltern für die Kinder geschickt.“

Dabei hat das Team schnell gemerkt, dass ein strukturierter Ablauf notwendig ist. Weil einige ErzieherInnen besser mit der Technik zurechtkamen, gab es des Öfteren Wünsche für einen Gruppenwechsel von Seiten der Eltern. Weswegen die Gruppen daraufhin altershomogen und kleiner wurden. Alle ErzieherInnen hielten sich in ihren Online-Kita-Stunden zudem an einen gemeinsamen Leitfaden, machten die gleichen Übungen und Spiele. Eine der wichtigsten Erfahrungen von Treu: „Was im normalen Kita-Alltag ganz spielerisch funktioniert, lässt sich digital auch umsetzen.“

Digitale Kitas: Vorteile für alle Seiten

Der Umgang mit der Technik hat alle schlauer gemacht: die ErzieherInnen, wie auch die Kinder. Treu sagt, sie habe gelernt, mit der Technik umzugehen und sei gleichzeitig kreativer geworden. Und für die Kinder sei die Online-Kita schnell Alltag geworden. Nur der persönliche Kontakt fehlt Treu. Aber: „Die Zeit, die die Kinder weniger mit uns ErzieherInnen verbringen, gewinnen sie mit ihren Eltern. Und das ist ein großer Mehrwert.“ Ihren Kita-internen YouTube-Kanal wollen die ErzieherInnen auch nach der Corona-Zeit weiterführen.

Digitale Kita bringt Vorteile für alle Seiten.
Digitale Kita bringt Vorteile für alle Seiten. Bild: Julia . M Cameron/Pexels

Digitalisierung: Hamburger Grundschule als Vorreiter

Ähnlich wie den Kitas ist es auch den Grundschulen gegangen. Auch hier war das digitale Lernen für die meisten Neuland. Heike Riegamer, die zusammen mit ihrer Kollegin Susanne Kühn an der Vor- und Grundschule Sterntaler Straße in Hamburg unterrichtet, hatte Glück im Unglück: Im Frühjahr 2020, kurz bevor das Virus richtig zuschlug, hatte sich die Schule bereits behutsam auf den Weg zur Digitalisierung gemacht. Was die harte Landung in der Corona-Krise ein wenig abfederte. Doch vor allem bei der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern gab es trotzdem Probleme. Wie Riegamer auf dem deutschen Schulportal erzählt, war es schwer, den Kontakt zu halten. So hatten die beiden Lehrerinnen  in den Anfängen täglich mit den SchülerInnen telefoniert, Zettel geschrieben und Übungsmaterialien vorbeigebracht.

Dann gab es aber die ersten Videokonferenzen via JitsiMeet, über die den Kindern auch neuer Lernstoff vermittelt werden konnte. Aus Tutorials für die Kinder, etwa wie man Pusteblumen macht, fertigten die beiden Lehrerinnen über die App Book Creator E-Books. Für die Kommunikation mit den Eltern entdeckten die Pädagoginnen die App Schoolfox für sich. Das Programm hat den Vorteil, dass es Nachrichten automatisch in andere Sprachen übersetzen kann. In einer Klasse, in der 90 Prozent der SchülerInnen einen Migrationshintergrund haben, ein unschlagbarer Vorteil. Und die digitale Pinwand Padlet ersetzte das schwarze Brett.

Digitale Grundschule: Schoolfox hat sich in Hamburg als Kommunikations-App bewährt.
Digitale Grundschule: Schoolfox hat sich in Hamburg als Kommunikations-App bewährt. Scrennshot: IW

Grundschulen: Kaum auf Corna vorbereitet

Die Hamburger Grundschule dürfte aber noch eine Ausnahme sein. Laut dem deutschen Schulbarometer sagen 82 Prozent aller GrundschullehrerInnen, dass ihre Schule in Bezug auf die technische Ausstattung weniger gut  bis schlecht auf die Corona-Situation vorbereit war. 67 Prozent der PädagogInnen sehen Verbesserungsbedarf bei der technischen Ausstattung der eigenen Grundschule, 76 Prozent glauben, dass die technische Ausstattung der Schüler zu Hause nicht adäquat für Fern – oder Hybridunterricht ist. Ausdruck dieses Mangels: Aufgabenblätter sind mit fast 80 Prozent das vorherrschende Aufgaben- und Unterrichtsformat, Videokonferenzen hingegen wurden in Grundschulen während der Coronakrise nur zu 9 Prozent genutzt.

Digitalisierung Volksschule: Die Lehrkräfte sehen noch deutlichen Verbesserungsbedarf.
Digitalisierung Volksschule: Die Lehrkräfte sehen noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Quelle: deutsches-schulportal.de

Immerhin: Wie auch in anderen Branchen, scheint die Corona-Krise auch im Schulwesen als Digitalisierungsbeschleuniger zu wirken. Die Schulschließungen scheinen manche Dinge weitergebracht zu haben. So sagen 59 Prozent der PädagogInnen, dass dadurch digitale Projekte beschleunigt oder gar erst ermöglicht wurden. Und immerhin 47 Prozent der LehrerInnen will digitale Lernformate auch künftig häufiger im Unterricht einsetzen. Damit hätte die Pandemie dann zumindest in dieser Hinsicht auch etwas Gutes bewirkt.

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