Kostendruck und Personalmangel – so heißen zwei der größten Sorgenkinder der Logistiker. Digitalisierung? Kann warten. Sagen fast 50 Prozent der Befragten. Doch gehen diese Themen nicht mittlerweile Hand in Hand? Von innovativen Technologie-Konzepten bis hin zu veränderten Kompetenz-Anforderungen – beim Bühnenmagazin der Intelligenten Welt auf der Fachmesse transport logistic 2017 sprach Dr. Christian Grotemeier, Leiter Forschung und Veranstaltungen, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., über wichtige Erkenntnisse der BVL-Studie „Trends und Strategien in der Logistik“.
Dr. Christian Grotemeier bezeichnet die BVL-Studie als eine Art Kompass für Logistiker, sowohl im Bereich der Dienstleister als auch im Bereich Industrie und Handel. Um sie zu erstellen, wurde mit mehr als 1.000 Logistikern gesprochen.
Überraschend: Fast die Hälfte plant keine
Digitalisierung des Geschäftsmodells
Obwohl 46,8 % der befragten Logistiker angaben, derzeit nicht zu planen, ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren, kann die Situation in fünf Jahren natürlich ganz anders aussehen. Allerdings könnte genau die aktuelle Einstellung für IT-Consulter und weitere Dienstleiter ein spannender Ansatzpunkt sein, um mit diesen Personen ins Gespräch und final auch ins Geschäft zu kommen – indem sie zusammen einen Weg finden, wie sich das jeweilige Geschäftsmodell dennoch digitalisieren lässt.
BVL-Studie: Vier Trends
Insgesamt zeichnen sich im Rahmen der Studie vier Trends ab:
- Kostendruck bleibt das Top-Thema der Logistiker. Trotz vieler Diskussionen um Mehrwert-Dienstleistungen sehen sich viele Unternehmer vor der Aufgabe, große Kosten-Optimierungen vorzunehmen.
- Außerdem stellt man sich die Fragen: Wie können logistische Prozesse digitalisiert werden? Und wie kann man Transparenz in der Supply Chain herstellen?
- Nachhaltigkeit hat weiterhin an Bedeutung gewonnen.
- Den größten Handlungsbedarf sieht man bei den Themen Personalmangel und Business Analytics. Viele Logistiker sagen: Damit können wir nicht umgehen, wir fühlen uns nicht vorbereitet. Grotemeier erklärte: „Es gibt einen Fach- und Führungskräfte-Mangel im Logistik-Bereich, der zum Teil schon sichtbar wird.“ Gute Chancen ergäben sich daher für junge Talente aus dem Bereich IT und Logistik, die die Chance ergreifen sollten, die Transformation in der Logistik mitzugestalten. „Unter anderem im Bereich von Business Analytics. Sie können dafür sorgen, dass Logistiker aufgrund von Daten die richtigen Entscheidungen treffen.“ Entsprechende Talente zu bekommen sei hingegen die große Herausforderung auf Unternehmensseite.
Innovative Technologiekonzepte
Um richtige Entscheidungen zu treffen, braucht man Daten. Von den vier großen Technologiekonzepten, die man laut Dr. Christian Grotemeier als Logistiker jetzt im Visier haben sollte, sind drei sehr stark Daten-bezogen:
- Datenerhebung: Sensortechnologien werden wesentliche Datenquellen für Überwachung und Verbesserungen.
- Datenzugriff: Wie kann der Zugriff auf Daten erfolgen? Mobile Endgeräte haben dabei eine hohe Relevanz. Wie können Daten auch in Cloud-Lösungen bereitgestellt werden?
- Analyse: Prädiktive Analysen und der Einsatz von künstlicher Intelligenz können maßgeblich zur Optimierung von Logistikprozessen beitragen.
- Prozesse: Um Mitarbeiter effizienter in der operativen Steuerung halten zu können, wird hohes Wachstum im Bereich fahrerloser Transportsysteme, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und Augmented Reality-Konzepten erwartet.
Veränderung von Wertschöpfungsketten
Da Prozesse beziehungsweise Produkte immer spezifischer werden (beispielsweise beim Thema „Losgröße Eins“) und darüber hinaus auch mehrere Vertriebskanäle bedient werden sollen (etwa sowohl der Offline-, als auch der Online-Bereich), werden auch die Wertschöpfungsketten komplexer. Die Frage ist nun: Was kann man als Logistiker tun, um hier effiziente Prozesse sicherzustellen? Ein Thema, das die Studie auch mit interessanten Geschäftsmodell-Ansätzen verbinden, nämlich: Wie können Logistiker in einer Wertschöpfungskette Daten miteinander austauschen?
Einsatz von Daten-Brokern
Viele Unternehmen, die im Transportbereich aktiv sind, tauschen schon Daten mit ihren Geschäftspartnern aus. Doch die Studie stellt fest, dass es noch einen großen Bedarf gibt, Daten aus dem Bereich der Produktion beziehungsweise über Produktionsstörungen zu erhalten. Und: Es gibt auch ein Interesse von Produzenten, diese Daten bereitzustellen. Es besteht also Nachfrage wie auch Angebot – und damit ein Markt. Über Daten-Broker könnte man diese verschiedenen Partner miteinander verbinden und die komplexen Wertschöpfungsketten handhaben.
Neue Kompetenzen sind gefragt
Schließlich beschäftigt sich die Studie auch mit der Frage: Welche Kompetenzen brauchen Logistiker heute und in Zukunft, um digitale Transformation zu gestalten? Nicht mehr nur für die Fachkräfte, sondern immer mehr auch für Führungskräfte, werden IT-Kenntnisse unverzichtbar. Was es braucht, ist allerdings vor allem ein intuitiver Umgang mit diesen Technologien. Weniger Scheu, sondern Mut, Dinge auszuprobieren. Und auch keine Sorge zu haben, wenn man an der einen oder anderen Stelle scheitert und Dinge noch einmal ausprobieren muss. „Das ist etwas, was unsere Experten-Interviews uns auch zurückgegeben haben“, erklärt Dr. Christian Grotemeier: „Im Silicon Valley würde man sagen, es ist Fast-Failure-Kompetenz. Also das Thema, etwas auszuprobieren und wieder auszuprobieren und wieder auszuprobieren.“ Diese Einstellung müssten zukünftig Führungskräfte auch ihren Fachkräften vermitteln. Ihnen Raum dafür lassen, Dinge auszuprobieren. Es gehe nicht nur um reine Fach-IT-Kenntnisse, es gehe um soziale Kompetenz wie etwa der beschriebenen Fast-Failure-Kultur.
Tipps von Dr. Christian Grotemeier –
Vier Takeaways aus der BVL-Studie
- Versuchen Sie in Ihren Unternehmen, wenn Sie Daten verfügbar haben, diese aktiv und gezielt abzugreifen. Und versuchen Sie, diese zu analysieren.
- Sorgen Sie dafür, dass Sie in Ihrem Unternehmen eine Fast-Failure-Kultur haben. Dass Sie es Mitarbeitern ermöglichen, Dinge immer wieder neu auszuprobieren, bis sie dann letztlich auch funktionieren.
- Versuchen Sie, Datenschnittstellen sicherzustellen mit den Wertschöpfungspartnern in ihrer Wertschöpfungskette. Bedienen Sie sich dort Daten-Brokern bei Produktionsdaten.
- Nutzen Sie Messen wie die transport logistic. Man sollte sich einen Technologie-Kalender anschaffen. Das bedeutet im Grunde genommen, dass Sie in Ihrem Unternehmen einen Ausblick auf die nächsten fünf Jahre brauchen: Welche Technologien kommen, welche werden wieder gehen? Und wie können Sie diese Technologien in Ihre Digitalisierung innerhalb des Geschäftsmodells einbringen?