Car-2-X: kooperative Systeme versus digitaler Egoismus

Sind einzelne Fahrer bereit, zum Wohl der Gesamtheit einige Minuten Verzögerung in Kauf zu nehmen? Oder sabotiert der Egoismus jedes einzelnen („Ich bin schlauer als die anderen“ – beziehungsweise vermeintlich schlauer als das System) solche Konzepte?

Über diese Fragen sprach die Intelligente Welt mit Dr.-Ing. Ilja Radusch, Director Automotive Services and Communication Technologies (ASCT), am Fraunhofer FOKUS (Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme.

Dr. Radusch ist auch Experte der IT-Gipfel Plattform „Digitale Netze und Mobilität“ und dort Mitglied der Fokusgruppe 5G. Im Rahmen des Bühnenmagazins der Intelligenten Welt in der New Mobility World der IAA 2015 sprach er über Möglichkeiten, um den Verkehr durch kooperative und systemweite Konzepte per Vehicle to X-Kommunikation zu optimieren.

Seine Kernthese: Die reine Verbreitung von Informationen reicht nicht. Erforderlich ist eine systemweite Optimierung, deren Vorteile den Nutzern auch klar vermittelt werden müssen.

In diesem Zusammenhang interessant: Die IT-Gipfel-Plattform hat in Berlin eine Umfrage unter rund 100 Teilnehmern durchgeführt und nachgefragt, welche Verzögerung Autofahrer bei einer Strecke von 30 Minuten in Kauf nehmen würden. Über 70 Prozent der Befragten antworteten, dass sie bis zu 10 Minuten akzeptieren würden. Voraussetzung ist eine gewisse Verlässlichkeit, dass dieser Puffer nicht deutlich überschritten wird. Diese Bereitschaft hat nur bedingt mit Altruismus zu tun – der Abwägung liegt nicht zuletzt zugrunde, dass es besser ist, relativ zuverlässig nur 10 Minuten aufgehalten zu werden als mit einem gewissen Restrisiko deutlich mehr Zeit zu verlieren.

Neue Möglichkeiten durch Car-2-X-Kommunikation – und automatisierte Fahrzeuge

Darüber hinaus weist Dr. Radusch darauf hin, dass dynamische und kooperative Verkehrssteuerungssysteme auch auf Seite der Infrastruktur neue Möglichkeiten bieten. So könnten Städte und Gemeinden beispielsweise „digitale Tempo-30-Zonen“ einrichten: Wohngebiete würden vom Verkehrssystem ausgespart. In Ausnahmefällen könnten aber doch einige Verkehrsteilnehmer gezielt durch solche Zonen geleitet werden – oder umgekehrt könnte die Sperrung etwa in Urlaubszeiten, in denen ohnehin weniger Verkehr unterwegs ist, aufgehoben werden.

Positive Perspektiven für den Straßenverkehr in Städten sieht der Fraunhofer-Experte darüber hinaus durch das hochautomatisierte Fahren. Ein Beispiel sei etwa, dass Car-Sharing-Fahrzeug sich nachts selbstständig dorthin umparken könnten, wo sie am nächsten Morgen gebraucht werden. Erstmals in der Geschichte der Verkehrsplanung könnte so der Effekt einsetzen, dass Effizienzgewinne nicht durch höhere Nutzung beziehungsweise Nachfrage aufgezehrt werden.

Das komplette, knapp 10-minütige Interview können Sie im folgenden Video anschauen:

 

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