Facebook hat gerade eine ordentliche Breitseite zu verkraften. Im Schwerpunkt dieser Ausgabe von „09:59 – das Digitalmagazin“ lassen wir drei Journalisten-Kollegen zum Datenskandal rund um die Aktivitäten von Cambridge Analytica zu Wort kommen. Und: Wir klären, was es mit den blau-grünen Kontrollsäulen auf sich hat, die man am Rand vieler Bundesstraßen sehen kann.
Was Facebook über uns weiß
Seinen Netzfund der Woche entdeckte Intelligente-Welt-Chefredakteur Christian Spanik in der Online-Ausgabe der Berliner Morgenpost. Ihr Redakteur Marcus Schwarze wollte mal wissen, was Facebook so alles über ihn weiß, und nutzte die Möglichkeit, sich das über ihn gesammelte Datenmaterial herunterzuladen. Was folgte, war ein Aha-Moment.
„Die pure Masse an Daten hat dann aber doch überrascht, als ich das gespeicherte Material über mich herunterlud.“
Marcus Schwarze
Eine Zip-Datei von 276 Megabyte stellte ihm das soziale Netzwerk bereit. Was ihn vor allem deshalb überraschte, weil sein Profil bei Facebook erst seit 2015 existiert. Erstaunt war er auch über die Menge der Seiten, denen er auf Facebook folgt und die das Profil penibel auflistet. Diese sind zwar alle öffentlich einsehbar, lassen unkommentiert aber einen gewissen Interpretationsspielraum. In seinen Worten: „So weit, so harmlos – wäre da nicht auch die Seite eines AfD-Verbands, über den ich mal journalistisch berichtete, für den ich mich allerdings rein dienstlich interessierte. Fremde könnten über die Facebook-Suche durchaus all jene Journalisten aus einer bestimmten Stadt aufrufen, die eine bestimmte Partei mit einem ,Gefällt mir‘ versehen haben.“
Auch zum Thema Handydaten findet Marcus Schwarze kritische Worte: „Ein Quell schierer Datensammelwut ist, was Facebook über meine Bekannten, Kollegen, Informanten und Freunde gesammelt hat. Es taucht jeder Mensch auf, den ich jemals im Adressbuch auf dem Mobiltelefon hatte, samt seiner Handynummer und gelegentlich auch Mail-Adresse – und zwar seit dem allerersten Handy, das ich jemals besaß.“
Auf der Webseite der Berliner Morgenpost finden Sie den ganzen Artikel von Marcus Schwarze zum Nachlesen.
Ist neutrale Berichterstattung möglich?
Medienkollege Dennis Horn brachte einen weiteren wichtigen Punkt ins Spiel, nämlich die Frage: Wie sehr fließt eigentlich die Angst der Journalisten vor Facebook in diese ganze Facebook-Berichterstattung mit ein? Dennis Horn schreibt: „Facebook ist einer der Player im Netz, die unseren Berufsstand seit Jahren vor enorme Herausforderungen stellen – unter anderem, weil Facebook zunehmend Kontrolle darüber hat, welche Inhalte unserem Publikum über den Newsfeed zugestellt werden und welche nicht. Deshalb gab es zuletzt die erhitzte Diskussion über die Ankündigung von Facebook, mehr Inhalte von Familie und Freunden im Newsfeed anzuzeigen und weniger von Seiten.“ Damit wirft er die durchaus berechtigte Frage in den Raum, wie neutral die Medien hier berichten. In seinen Facebook-Notes ist sein ganzer Artikel nachzulesen.
Kluger Kopf – Kluger Satz: Cordt Schnibben
Auch der mehrfach für seine journalistische Arbeit ausgezeichnete Journalist Cordt Schnibben, bekannt als Reporter-Legende des Magazins Spiegel und Mitgründer der Online-Journalisten-Schule „Reporterfabrik“, hat seine Gedanken zum Datendesaster bei Facebook veröffentlicht. Auf Facebook. In unserer Rubrik „Kluger Kopf – Kluger Satz“ hier einige Auszüge daraus:
„Was habe ich schätzen gelernt: Erstens den Zugang zu Texten, Fotos, Videos und kleinen privaten Storys, die ich ohne Facebook nie bekommen hätte. Zweitens den Austausch mit Leuten, die ich vorher nicht kannte. Drittens den Anstoß, kleine Beobachtungen und Überlegungen zu schreiben, die zu klein waren, um daraus Artikel zu machen.
Was hat mich nicht gestört: Erstens, dass irgendwas mit meinen Daten passiert. Zweitens, dass mir Werbung zugespielt wird, zum Teil lächerlich personalisiert. Drittens der Ton und die Dummheit mancher Kommentare. Viertens die Unbekümmertheit, mit der viele Leute sich (und ihre Kinder) nackt machen.
Natürlich kann ich mich für ein Leben entscheiden abseits der sozialen Medien, genauso wie ich mich entscheiden kann, aufs Land zu ziehen und mein eigenes Gemüse anzubauen, weil ich angewidert bin vom industrialisierten, durchorganisierten, stressigen, bedrohlichen Leben in der Stadt.
Aber wenn ich mich entscheide, diese Gesellschaft mitzugestalten, schade ich mir und nicht Facebook, Twitter etc., wenn ich soziale Medien meide. Und keine Recherche kann ersetzen, was ich über die sozialen Medien an Informationen und Zeitgeist zugespült bekomme.“
Cordt Schnibben
Zu Gast im Digitalmagazin: Claudia Steen von Toll Collect zum Thema Kontrollsäulen an Bundesstraßen
Im Digitalmagazin konnte Christian Spanik diesmal auch einen Gast im Studio begrüßen. Claudia Steen, Pressesprecherin des deutschen Lkw-Mautbetreibers Toll Collect, erklärte die Aufgabe der neuen Kontrollsäulen.
Am 1. Juli 2018 werden alle Bundesstraßen in Deutschland für Lkw ab 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht mautpflichtig. Ab dann werden die Kontrollsäulen die Einhaltung der Lkw-Mautpflicht an den Bundesstraßen kontrollieren. Sie unterstützen und ergänzen die mobilen Kontrollfahrzeuge des Bundesamts für Güterverkehr. Derzeit ist Toll Collect dabei, die Kontrollsäulen aufzubauen (im Video kann man den Aufbau so einer Säule im Zeitraffer mitverfolgen). Davor standen umfangreiche Planungs- und Genehmigungsprozesse.
Wie wird entschieden, an welchen Stellen Kontrollsäulen errichtet werden?
Auf Basis von Verkehrsströmen, Belastungen und weiteren Kriterien werden vom Bundesamt für Güterverkehr bestimmte Streckenabschnitte errechnet. Diese bekommt Toll Collect vorgegeben. Innerhalb dieser Abschnitte legt Toll Collect anhand eines Kriterienkatalogs fest, wo die Kontrollsäulen genau aufgestellt werden. Einige dieser ca. 30 Kriterien befassen sich etwa damit, ob ein geeignetes Grundstück vorhanden ist, ob freie Sicht herrscht, inwiefern alter Baumbestand zu berücksichtigen ist, oder ob eine Bebauung oder anderen Dinge vorliegen, die hinderlich sein könnten. Wurde eine passende Stelle gefunden, spricht Toll Collect mit dem örtlichen Energieversorger, es erfolgt die übliche bautechnische Begehung, und Planungsunterlagen werden eingereicht. Sobald alle Genehmigungen vorliegen, beginnt der Tiefbau inklusive Strom- und Leitungsversorgung sowie dem Setzen von Fundamenten. Sind alle Vorarbeiten erledigt, werden die Kontrollsäulen errichtet.
Bundesweit werden rund 600 Säulen aufgebaut. Claudia Steen betonte, dass die Säulen keine Maut erheben, sondern diese nur kontrollieren. Die Maut-Erhebung geschieht im automatisierten Verfahren über Fahrzeug-Geräte, die in die Lkw eingebaut werden. Über diese derzeit rund 1,1 Millionen verbauten sogenannten On-Board-Units wird der größte Teil der Maut erhoben.
Zur Sicherheit ein wichtiger Hinweis: Die vier Meter hohen, blau-grün gekennzeichneten Kontrollsäulen unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern auch funktional gravierend von einem Geschwindigkeits-Blitzer. Im Klartext: Die Geschwindigkeit der von den Säulen erkannten Fahrzeuge wird nicht protokolliert. Außerdem: Sobald feststeht, dass die Maut korrekt entrichtet wurde, werden alle für die Mautkontrolle erhobenen Daten sofort wieder gelöscht.