Wenn GPS versagt – Indoor-Navigation

Wo finde ich im Krankenhaus die Zentralambulanz, wo sind die Badezimmerarmaturen im Baumarkt oder wo ist im Shoppingcenter der Apple-Store? Es wäre so einfach, wenn wir drinnen genauso einfach navigieren könnten wie draußen! Doch selbst wenn Navi-Apps die nötigen Innenraum-Daten hätten – in Gebäuden sind die Signale der GPS-Satelliten so gut wie nicht zu empfangen. Doch es gibt andere Lösungsansätze, die Indoor-Navigation ermöglichen sollen.

WLAN – bitte assistieren Sie!

Schon eine längere Tradition hat die Ortung mit Hilfe von WLAN. Weil die ersten „iPod touch“ im Gegensatz zu den ersten iPhones keinen GPS-Empfang boten, hatte Apple die Firma Skyhook gekauft und deren cleveres Ortungsprinzip weiterentwickelt: Der Anbieter hatte bei ausgiebigen Mess-Fahrten die Standorte, Namen und Sendeleistungen von WLAN-Access-Points erfasst und konnte so schon im Jahr 2007 anhand der empfangenen WLANs und ihrer Signalstärken recht genau „triangulieren“, wo sich ein Gerät befindet.

Nach einem ähnlichen, aber verfeinerten Prinzip arbeitet Google bei seinem Projekt „Indoor Maps“. Hier misst das Gerät die Empfangsstärke von innerhalb eines Gebäudes vorhandenen Hotspots und errechnet daraus die ungefähre Position. Die normale Google-Maps-App unterstützt dieser Indoor-Positionierung bereits – allerdings bislang nur in einer Handvoll amerikanischer Museen und Einkaufszentren. Die Werbetrommel rühren die Amerikaner aber trotzdem kräftig – etwa hier auf der „Place Conference 2013“:

Das von Google propagierte Verfahren funktioniert zwar mit fast jedem Smartphone; aber wirklich genau ist das Verfahren nicht. Und das ist gerade bei Indoor-Navigation ein großes Problem. Denn in einem Lebensmittelladen etwa will man schon genauer als auf ein paar Meter wissen, wo man Duschgel, Nudeln oder Getränke findet.

Etwas genauer und auch ambitionierter ist ein Projekt des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen: Es heißt „Awiloc“ und versteht sich als Austausch- und Arbeitsplattform für die Entwicklung der Lokalisierung im öffentlichen Bereich und in Gebäuden sowie der darauf aufbauenden Location-based Services. So sollen unterschiedliche Anbieter und Betreiber zusammenarbeiten, um möglichst schnell eine dichte Versorgung von Indoor-Kartendaten bereitzustellen. Technisch basiert die Lösung ebenfalls auf Feldstärkenmessungen – in der Regel von WLANs, wobei das Fraunhofer-Institut darauf hinweist, dass sich für die eingesetzte Technologie grundsätzlich alle Kommunikationsnetze eigenen, also etwa auch UMTS, GSM sowie Bluetooth.

Als erste Pilotanwendung kommt Awiloc in fünf deutschen Museen zum Einsatz. Dort läuft es auf Tablets mit einer eigens entwickelten Guide-App, die unter anderem Infos über die vorhandenen Ausstellungsstücke enthält und spezielle Touren anbietet.

Bitte ein Beacon

Auf den Kurzstreckenfunk Bluetooth setzen auch andere Konzepte beziehungsweise Anbieter. Denn insbesondere der jüngste Standard Bluetooth 4.0 LE (für „Low Energy“) bietet den Vorteil, dass Geräte und Positionierungs-Signale wenig Strom verbrauchen. Dazu muss das Smartphone beziehungsweise Tablet diesen Standard aber auch unterstützen.

Die Orientierung funktioniert dann ähnlich wie bei WLAN, nämlich durch die Messung der Empfangsstärken der im Gebäude verteilten Bluetooth-Sender, der sogenannten Beacons. Apple nutzt dieses Verfahren zum Beispiel, um seinen Kunden mit App-Hilfe die Orientierung in seinen US-Stores zu ermöglichen. Gerne würde der Konzern seine Lösung iBeacons auch anderen Shop-Betreibern verkaufen – deren Resonanz ist aber dem Vernehmen nach bislang eher gering. Feldversuche gibt es allerdings einige – zum Beispiel eine Anwendung, mit der sich Besucher des Rubens-Hauses in Antwerpen orientieren können:

Fast so wie die Fledermäuse!

Alle bislang vorgestellten Lösungen basieren darauf, empfangene Signale zu analysieren und daraus den eigenen Standort innerhalb eines Gebäudes zu berechnen. Das erfordert hohe Rechenleistung und ist dennoch nicht allzu genau – zumal sich zum Beispiel die Präsenz von WLAN-Netze in der Nachbarschaft auch immer wieder ändert.

Deshalb hat das Freiburger Startup Telocate einen neuen, ganz anderen Ansatz entwickelt: Statt eine Lokalisierung durch den Vergleich empfangener elektromagnetischer Signale zu versuchen, sendet das Smartphone mit der Telocate-Technik über seinen eingebauten Lautsprecher unhörbare akustische Impulse aus. Diese akustischen Signale des Handylautsprechers empfangen kleine Sensoren, die an der Decke des von Telocate unterstützten Raums angebracht sind. Sie melden dann per Internetverbindung (also zum Beispiel über WLAN oder Mobilfunk) die so ermittelte Position ans Smartphone zurück.

Auf der IFA 2014 erhielt Telocate für sein System den Hauptpreis im Gründerwettbewerb „IKT Innovativ“. Das folgende Video stellt Firma und Konzept im Rahmen eines Interviews mit Telocate-CEO Dr. Johannes Wendeberg vor:

Mit einer speziellen Anwendung der Freiburger sollen sich sogar Sehbehinderte ohne weitere Hilfe in Gebäuden zurecht finden können. Die entsprechende Smartphone-App unterstützt ihre Nutzer durch Stimmnavigation dabei, zum Beispiel in einem Verwaltungsgebäude die richtige Tür finden.

Telocate Assist (Acoustic Self-calibrating System for Indoor Smartphone Tracking) ist fertig entwickelt und patentiert, im Kürze steht ein Pilotprojekt mit einer Messegesellschaft an. Dort soll die neue App Infos zu allen Messeständen sowie die Routen dorthin bereitstellen.

Bild: Telocate
Bei „Assist“ von Telocate sendet das Smartphone über einen Lautsprecher unhörbare Tonimpulse aus, die von Sensoren an der Decke empfangen und ausgewertet werden. (Bild: Telocate)

 

Auch Philips bastelt schon seit Jahren an einem Navigationssystem für Innenräume. Dieses System setzt darauf, Ortungsinformationen über LED-Lampen zu verteilen, die das Gebäude ohnehin beleuchten. In ihrem Licht werden Code-Impulse untergebracht, die das menschliche Auge nicht wahrnimmt, die sich aber über eine Handykamera analysieren und auswerten lassen.

Eine Referenzanwendung im französischen Supermarkt Carrefour zeigt Philips in diesem Video:

Das Grundproblem aller Indoor-Navigationslösungen bleibt: Es gibt eine Vielzahl konkurrierender Konzepte – und mit Ausnahme der eher ungenauen Erkennung von WLAN-Netzen setzt jedes voraus, dass der Gebäudebesitzer entsprechende Beacons, Sensoren oder Lampen einbaut. Sollen Kunden oder Besucher entsprechende Dienste nutzen, müssen sie erst die zur installierten Technik passende App installieren. Ein allgemein akzeptierter Standard ist noch nicht gefunden, und es ist auch nicht abzusehen, dass sich eine der vorgestellten Lösungen gegenüber den anderen durchsetzen wird. Dies wäre aber die Voraussetzung für eine breite Akzeptanz durch die Nutzer einerseits sowie Anbieter und Gebäudebesitzer andererseits – und somit einen durchbrechenden Erfolg.

 

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