Künstliche Intelligenz (KI) verspricht dem Einzelhandel Wettbewerbsvorteile und Potenzial für mehr Wachstum.

Künstliche Intelligenz im Handel: Hilft KI im Wettbewerb gegen Amazon & Co.?

Von großen Handelsunternehmen bis zu kleinen Händlern – der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verspricht Wettbewerbsvorteile und Potenzial für mehr Wachstum. Europäische Firmen und Forschungseinrichtungen zeigen mit innovativen KI-Lösungen, dass der Zug für den Offline-Handel im Wettbewerb mit Amazon & Co. längst nicht abgefahren ist. Allerdings warnen die Experten, mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz nicht zu lange zu warten.

Aufmacherbild: Pixabay.com

Wie „dirigiert“ man möglichst effizient 1200 Filialen mit bis zu 60.000 Artikeln im Sortiment, und das über sieben Logistikstandorte und vier Fleischereibetriebe? Die Evaluierung dieses Prozesses war für die SB-Warenhaus-Kette Kaufland zwingend nötig geworden, nachdem die bisherigen Systeme an ihre Grenzen gestoßen waren. Um die Warendisposition im Bereich SB-Frischfleisch möglichst vollständig zu automatisieren, suchte Kaufland nach einer neuen Lösung – und fand sie beim Maschine-Learning-Spezialisten Blue Yonder. Diese Tochterfirma von Otto gilt als führender Anbieter von „cloudbasierten Predictive Applications“ für den Handel. Andere Spezialisten in diesem Bereich sind etwa die Start-ups 4tree aus Münster (gehört zur Unternehmensberatung McKinsey) und So1 aus Berlin.

Künstliche Intelligenz liefert genaue Prognosen für eine hohe Automatisierung

Durch präzise Vorhersagen für die zentrale Disposition erreicht Kaufland nun einen sehr hohen Automatisierungsgrad bei den täglichen Bestellungen. Das Besondere bei Blue Yonder ist die Aufbereitung von Big-Data-Analysen unter Einbeziehung aller möglichen Faktoren: Neben unternehmensinternen Daten werden bei den Bestellentscheidungen wichtige Einflüsse wie Sonderaktionen, Feiertage, Schulferien oder das Wetter berücksichtigt. Das Ergebnis: Der Arbeitsaufwand ließ sich in allen Filialen erheblich reduzieren, die Zahl der Abschriften wurde geringer, und die Produkte sind besser verfügbar und frischer.

„Der Handel ist wie kaum eine andere Branche prädestiniert für die Nutzung von künstlicher Intelligenz – dank seiner Nähe zum Konsumenten und dank der Datenschätze, über die er schon heute verfügt.“ (Peter Breuer, McKinsey)

„Künstliche Intelligenz rettet den Einzelhandel: Fünf Wege, um im Haifischbecken zu überleben“ – das E-Book von Blue Yonder will Handelsunternehmen Wege aufzeigen, wie sie KI gewinnbringend nutzen können. (C) Blue Yonder

Tatsächlich laufen allein bei der Metro-Gruppe jeden Tag Informationen von mehr als 21 Millionen Kunden zusammen. Sogar das Zwölffache sind es bei der Tesco-Gruppe in Großbritannien. Folgerichtig sieht Petert Breuer, McKinsey-Experte für künstliche Intelligenz, in solchen Lösungen „den nächsten großen Technologietrend, der den Einzelhandel – auch den stationären – revolutioniert“. Selbstlernende Systeme würden künftig auf sämtlichen Wertschöpfungsstufen zum Einsatz kommen.

Der Einzelhandel wird sich durch KI grundlegend verändern

Im Umkehrschluss klingt die Prognose der KI-Verfechter düster: „Wer nicht auf künstliche Intelligenz setzt, stirbt“ – so die provokante These von Blue Yonder, die den klassischen Einzelhandel an einem historischen Scheideweg angekommen sehen. „Er hat im Prinzip keine andere Wahl, als sich im Zuge der allgemeinen Digitalisierung der gesamten Lebens- und Geschäftswelt auf neue Technologien einzulassen und diese für sich zu nutzen.“ Das sei dann auch die positive Nachricht: „Der Einzelhandel ist nicht tot, aber er ist dabei, sich ganz gewaltig zu verändern. Künstliche Intelligenz ist hier der Schlüssel zum Erfolg!“

Spannende Schlagzeilen von Medien und Einschätzungen von Branchenexperten, die die These unterstreichen, fasst dieses zweiminütige Video zusammen:

KI-basierte Big-Data-Anwendungen bringen dem Einzelhandel zahlreiche Vorteile, die am Ende in mehr Umsatz und Gewinn münden sollen. Über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg werden komplexe Entscheidungen automatisiert, der Workflow wird effizienter, die Kosten sinken. „Durch die Machine-Learning-Algorithmen wird die Qualität der Prognosen ständig optimiert“, heißt es etwa bei Otto, wo nicht überraschend ebenfalls Blue-Yonder-Lösungen zum Einsatz kommen. „So bekommen wir präzise Ergebnisse, die uns helfen, unser Sortiment zukunftsorientiert zu planen und zu steuern.“

Ein weiteres Beispiel ist der Neusser Lebensmittelhersteller Natsu Foods, der nun exakte Bedarfsvorhersagen bekommt, sodass Restbestände drastisch reduziert werden konnten. Die Drogeriekette DM wiederum lobt die Vorhersagen der Umsätze pro Filiale auf Tagesebene. Und beim britischen Supermarktbetreiber Morrisons war der geringe Kapitaleinsatz bei gleichzeitig signifikant sinkenden Kosten ausschlaggebend.

Automatische Preisgestaltung durch Machine Learning

Aber auch die automatische Preisgestaltung ist ein wichtiger Aspekt. Um beim Beispiel Blue Yonder zu bleiben: „Price Optimization ermittelt automatisch den optimalen Preis, mit dem Einzelhändler die besten Ergebnisse erzielen und gleichzeitig ihr Markenversprechen erfüllen können.“ Einbezogen würden Konsumentennachfrage, Kundentreue und Wettbewerb – und das für jeden Vertriebskanal und jedes Produkt. Blue Yonder wirbt damit, dass die Systemkomponente „Price Optimization“ wissenschaftlich fundiert sei und auf Machine Learning basiere, „statt auf vordefinierten Regelsystemen oder vorformulierten Hypothesen“.

Gerade jetzt, wo die Investitionen führender Online-Händler in KI-Lösungen steigen, sehen Analysten die Offline-Händler in der Pflicht – nicht nur, weil laut einer 2015 veröffentlichten Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) bis 2020 jedes zehnte Ladengeschäft vor dem Aus stehen soll. Auf der anderen Seite steigen die Online-Umsätze laut GfK mittlerweile langsamer, die Kunden würden je nach Bedarf sowohl online als auch offline einkaufen. Umso wichtiger also, dass Händler jeder Größenordnung für ihre Kunden auf allen Kanälen präsent sind.

Automatische Beratung: Ist das noch ein Mensch oder schon eine Maschine?

So wird auch im Bereich Beratung das Thema Künstliche Intelligenz immer wichtiger. Ob Online-Handel allein oder Offline-Handel mit Webseiten-Anbindung: Intelligente Chat- und Service-Bots, die zu einem Produkt oder einer Lieferung Auskunft geben können, rücken immer mehr in den Fokus. Die Leistungsfähigkeit ist oft schon so hoch, dass Benutzer manchmal nicht sicher sein können, ob sie mit einem Menschen oder einer Maschine sprechen.

Ein Beispiel, wie KI dem Nutzer dabei helfen kann, bessere Kaufentscheidungen zu treffen, ist das Berliner Start-up Wunderai. Der IT-Branchenverband Bitkom stellt es in einem zweieinhalb Minuten langen Video vor:

Neben Amazon, das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg auf KI setzt, testen auch deutsche Unternehmen künstliche Verkaufsassistenten – etwa Saturn mit seinem Roboter „Paul“. Diese sollen den Kaufprozess für den Kunden angenehmer und durch die höhere Bestellrate für die Betreiber einträglicher machen.

Auch die Globus SB-Warenhaus Holding ist im KI-Bereich aktiv. Gemeinsam mit der Saar-Universität und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) aus Kaiserslautern hat sie das Forschungslabor „Innovative Retail Laboratory“ (IRL) in St. Wendel eingerichtet, das sich vor allem die Entwicklung intelligenter Assistenzsysteme für Kunden und Mitarbeiter zum Ziel gesetzt hat.

Fazit: Künstliche Intelligenz soll Kunden und Unternehmen glücklich machen

Auf Data-Mining-Anwendungen hat sich ein Spin-off der Technischen Universität Chemnitz spezialisiert. Die prudsys AG analysiert komplexe Datensammlungen in Echtzeit und generiert zum Beispiel personalisierte Produktempfehlungen im Online-Shop, individuelle Rabatt-Coupons per Newsletter oder auch Treueprämien für wiederkehrende Kunden.

Dominique Ziegelmayer, KI-Experte von Trusted Shops, resümiert die Relevanz des Themas wie folgt:

„Im Grunde kann man sich als Faustregel merken, dass KI überall dort wichtig wird, wo aus Daten Entscheidungen vorbereitet oder sogar getroffen werden müssen. KI kann uns helfen, Routinearbeiten zu automatisieren, Prognosen über zukünftige Entwicklungen zu geben und Erkenntnisse aus großen oder unklaren Daten zu ziehen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert