Verladen von Containern im Hafen Hamburg

Wohin geht es in Digitalien? Folge 8: Logistik und die Blockchain

Die Blockchain gilt als einer der großen Trends bei der Digitalisierung der Logistik. Doch noch hat die Technik mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Erfolgreichen Beispielen für den Einsatz der Technologie stehen Probleme wie etwa die noch nicht ausreichende Standardisierung oder Vorbehalte bei der Zusammenarbeit innerhalb der Branche gegenüber. In der vorliegenden Folge unserer Serie „Wohin geht es in Digitalien“ nehmen wir deshalb den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Logistikbranche speziell auf Basis von Blockchain-Lösungen unter die Lupe. 

Aufmacherbild: Niklas9416/Pixabay

Sie scheinen wie füreinander gemacht: die Blockchain und die Logistik. Wir erinnern uns: eine Blockchain ist eine Datenbank, die gegen nachträgliche Manipulation abgesichert ist. Oder wie es Michael Henke vom Fraunhofer IML etwas komplizierter ausdrückt: „Eine Blockchain ist eine gemeinsam genutzte, vertrauenswürdige, validierte Transaktionsaufzeichnung, die von jedem Netzwerkmitglied eingesehen, aber von niemandem beeinflusst werden kann – eine verschlüsselte, geschützte, manipulationssichere, dezentralisierte Datenbank und damit der perfekte Speicherort für Werte, Identitäten, Übereinkünfte, Eigentumsrechte oder auch Berechtigungsnachweise.“

Blockchain schafft Vertrauen

Damit bietet sich die Blockchain-Technologie für alle Anwendungsfälle an, in denen sich die Beteiligten nicht zwingend vertrauen, sich aber trotzdem eine neutrale und vor allem kostengünstige Kontrollinstanz wünschen. Wie etwa im Supply Chain Management. Entlang der Wertschöpfungskette gibt es hier eine Vielzahl von Akteuren, die sich zum Teil überhaupt nicht kennen. Das ist aber nicht das einzige Problem, das sich in diesem Bereich ergibt: Daneben existieren auch zahlreiche Schnittstellenprobleme, die die Verfügbarkeit und Transparenz der Daten einschränken. Auch hier kann die fälschungssichere Blockchain mit weltweitem Zugriff Abhilfe schaffen.

Vielfältige Einsatzgebiete für Blockchain

Die Unternehmensberatung Roland Berger sieht drei große Einsatzfelder für die Blockchain in der Logistik.  Das erste ist „Track and Tracing.“ Damit lassen sich etwa die Anbaumethoden für Agrarerzeugnisse dokumentieren oder auch die Einhaltung von Arbeits- und Umweltvorschriften durch die Speicherung von Nachweisen und Zertifikaten belegen.

Der zweite große Einsatzbereich ist der Datenaustausch. Die Blockchain dient dabei als „Single-Source-of-Truth“. Also als alleinige Datenquelle, der alle Beteiligten vertrauen. Alle beteiligten Unternehmen, aber etwa auch  Zoll- oder Hafenbehörden haben direkten Zugriff auf die für sie relevanten Informationen.

Das dritte Einsatzgebiet ist schließlich die Automatisierung von Prozessen. Ein Beispiel sind die sogenannten Smart Contracts. Sie sind Handlungsanweisungen, die auf einer Blockchain gespeichert sind und ausgeführt werden, wenn vorher festgelegte Bedingungen erfüllt sind. So können sie  etwa das automatische Löschen von Ladung veranlassen oder auch elektronische Rechnungen, sogenannte E-Invoices, ausstellen.

Es gibt drei große Bereiche für den Einsatz von Blockchain in der Supply Chain.
Es gibt drei große Bereiche für den Einsatz von Blockchain in der Supply Chain. Grafik: Roland Berger

Die Palette der möglichen Einsatzgebiete ist also groß. Und doch ist,  wie das 14. Hermes-Barometer „Digitaler Wandel im der Supply Chain Management“ zeigt,  in Deutschland boslang nur eine von zehn Lieferketten digital. Und nur 35 Prozent aller Logistik-Unternehmen messen der Blockchain-Technologie bei der Umsetzung der Digitalisierung die größte Bedeutung zu.

Blockchain ist kein Selbstläufer

Diese Skepsis mag auch daran liegen, dass die Blockchain kein Selbstläufer ist. Um aus der Technik Vorteile zu generieren, müssen alle Partner ein Interesse an ihrem Einsatz haben und auch bereit sein, ihre Daten zu teilen. Das scheint in der Praxis aber eher schwierig zu sein. Laut dem 13. Hermes Barometer „Transparenz in der Supply Chain“ beklagt zudem mehr als die Hälfte der Unternehmen, dass eine fehlende Vernetzung mit den Lieferanten und Handelspartnern der Umsetzung im Wege stehe. Bei großen Unternehmen sind es sogar 68 Prozent.

Möglicherweise liegt das Zögern der Logistik-Branche aber auch noch an anderen ungelösten Problemen. So erfordert der Einsatz der Blockchain einen vergleichsweise hohen Rechenaufwand, der die Anzahl der Transaktionen massiv einschränken kann und die Technik deshalb bei zeitkritischen Anwendungen dann doch wieder nicht als erste Wahl erscheinen lässt. Zudem setzt die Implementation viel Know-how und einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Ein weiterer Stolperstein ist für viele Unternehmen die Einbindung der Blockchain in bestehende Strukturen.

Tradelens als Proof of Concept

Trotz all dieser Hürden gibt es aber bereits eine ganze Reihe von Beispielen einer erfolgreichen Anwendung der Blockchain im Logistik-Umfeld.

Als Vorbild gilt die Informationsplattform Tradelens. Sie ist ein Joint Venture des Computerriesen IBM mit der dänischen Reederei Maersk. Auf Tradelens lassen sich Frachtbriefe, Versanddaten und Zollbriefe hinterlegen. Zugriff darauf haben alle Handelspartner, wie Reedereien, Zollbehörden oder Terminalbetreiber. Die Plattform stellt die Daten in Echtzeit zur Verfügung, Sensoren in den Containern überwachen dabei auch Temperatur oder Luftfeuchtigkeit.

Das Joint Venture Tradelens, an dem IBM und die dänische Reederei Maersk beteiligt sind, gilt als Vorzeigeprojekt für Blockchain in der Logistik.
Das Joint Venture Tradelens, an dem IBM und die dänische Reederei Maersk beteiligt sind, gilt als Vorzeigeprojekt für Blockchain in der Logistik. Bild: Chanaka/Pexels

Ein ebenfalls bereits kommerziell verfügbares System ist RoadLaunch. Das Komplettpaket bietet Echtzeit-Sendungsverfolgung und -Verwaltung mit Hilfe von IoT-Sensorik, ein automatisiertes Angebots-Framework sowie Tools für digitales Frachtkapazitätsmanagement. Dank Integration der Smart-Contract-Lösung FactR lassen sich auch internationale Zahlungen durchführen oder  Abrechnungen und Audits erstellen. Möglich wird das Ganze durch Kombination der privaten Blockchain HyperLedger und der öffentlichen Blockchain Ethereum.

Das Unternehmen CargoCoin ersetzt Papierdokumente durch Smart Contracts und führt sichere Treuhandzahlungen auf Blockchain-Basis durch. Damit will CargoCoin Kosten senken, das Betrugsrisiko mindern und Verzögerungen verhindern. Und natürlich soll auch die sichere Archivierung gewährleistet werden.

Sichere Transporte von Corona-Impfstoffen dank IoT und Blockchain

Die Schweizer Firma SkyCell stellt Unternehmen temperaturkontrollierte Container für die Beförderung von sensiblen Waren wie etwa Pharmazeutika bereit. Wie Statistiken zeigen kommt ohne  eine solche Kontrolle bis zu einem Viertel der Waren verdorben beim Empfänger an, in der Lebensmittelindustrie sind es sogar bis zu 40 Prozent. Das Logistik-Unternehmen Schenker beispielsweise nutzt die Technologie, um Covid-19-Impfstoffe sicher zu transportieren.

Das amerikanische Start-up Bonafi will Produkte mit Hilfe der Blockchain fälschungssicher machen.
Das amerikanische Start-up Bonafi will Produkte mit Hilfe der Blockchain fälschungssicher machen. Screenshot: IW

Das kalifornische Startup Bonafi hingegen hat sich dem Kampf gegen Produktfälschungen verschrieben. Der illegale Handel mit gefälschten Waren ist ein großes wirtschaftliches Problem für viele Branchen. Plagiate haben 2020 knapp sieben Prozent aller Einfuhren in die EU ausgemacht – es geht um Waren im Wert von mehr als 120 Milliarden Euro. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) schätzt, dass 3,3 Prozent des globalen Handelsvolumens auf Produktfälschungen entfällt. Bonafi hat ein System geschaffen, mit dem sich jedes Produkt lückenlos vom Hersteller bis zum Endverbraucher verfolgen lässt. Dadurch lässt sich die Authentizität eines Produktes garantieren.

Das Problem der Blockchain: Es gibt noch (zu) wenige Standards

Tatsache ist aber auch: Blockchain ist keine Anwendung für nur ein Unternehmen. Es müssen alle Beteiligten entlang der Supply Chain mitziehen. Und es müssen Normen geschaffen werden, die die Zusammenarbeit erst ermöglichen. An deren Entwicklung sind oft auch Forschungs- und Normierungsgremien beteiligt, wie etwa die GS1 Austria. GS1 ist ein Netzwerk von Not-for-Profit-Organisationen, die weltweit Standards für unternehmensübergreifende Prozesse entwickeln, aushandeln und pflegen.

In Österreich betreut GS1 bereits seit dem Jahr 2019 das Projekt „Blockchain-Initiative Logistik“. Es hat die Entwicklung eines elektronischen Frachtbriefes (eCMR) zum Ziel, der schneller und vor allen betrugssicher Informationen entlang der Frachtkette zur Verfügung stellen soll. Ein erster Testlauf mit der Salzburger Spedition Wildenhofer verlief erfolgreich. Insbesondere der Zeitgewinn durch die Digitalisierung hat sich als besonderer Vorteil herauskristallisiert.

Allerdings: Mehr als ein Praxistest war das Ganze noch nicht. Was noch vor den Projektpartnern liegt, ist der Aufbau einer branchenweiten Plattform. Und auch die Anpassung an die EU-Verordnung über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (eFTI), die  August 2024 in Kraft tritt, steht noch aus.

Die Salzburger Spedition Wiedenhofer testete den Blockchain gestützten elektronischen Frachtbrief eMCR.
Die Salzburger Spedition Wiedenhofer testete den Blockchain gestützten elektronischen Frachtbrief eMCR. Bild: Wildenhofer

Fraunhofer IML: Blockchaintechnologie als Open Source

In Deutschland arbeitet man daran, mit der Blockchain Gefahrentransporte sicherer zu machen. Das interdisziplinäre Projekt „Blockchain Europe“, an dem auch das Fraunhofer IML beteiligt ist, forscht an einer unternehmensübergreifenden Kooperationsplattform. Sie soll sicheren Informationsaustausch von der Gefahrgutanmeldung bis zur Entladung gewährleisten.

Auch hier geht es um die Entwicklung eines elektronische Frachtpapiers, bei dem alle Interaktionen mit dem Gefahrengut lückenlos dokumentiert werden. Gleichzeitig soll aber auch ein sogenanntes „Blockchain Device“ entwickelt werden, mit dem sich die relevanten Dokumente abrufen, Parameter tracken und auch Smart Contracts auslösen llassen. IoT-Devices, genannt „Sensing Pucks“ erfassen die Position des Gefahrenguts und erlauben so Tracking and Tracing. Zudem können die Sensoren auch melden, ob Umweltdaten wie etwa die Temperatur oder Luftfeuchtigkeit in einem vorgegebenen Toleranz-Bereich liegen.

Die Entwicklungsergebnisse des bis 2023 laufenden Projekts sollen  nach Abschuss als Open-Source-Komponenten zur Verfügung gestellt werden. Auch kleine und mittelständische Unternehmen können sie dann nutzen. Vielleicht bringt dies die Logistik-Branche der benötigten Einigkeit beim Einsatz der Blockchain-Technologie einen großen Schritt näher.

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