Digitales Transportmanagement - Vortrag Thomas Becker, BearingPoint, transport logistic 2017

Supply Chain digital – Transportmanagement-System wird zur 360-Grad-Informationsdrehscheibe

„Digitales Transportmanagement – vom Gejagten zum Gestalter der Supply Chain.“ Diesen leicht provokanten Titel wählte Thomas Becker, Senior Manager und Head of Competence Center Logistics & Distribution, BearingPoint, für seinen Vortrag im Rahmen des Bühnenmagazins der Intelligenten Welt auf der transport logistic 2017. Er sprach über Chancen und Herausforderungen des 360-Grad-Ansatzes eines modernen Transportmanagement-Systems. Bei diesem wird das TMS-System zur Informationsdrehscheibe.

Sehen Sie im folgenden den ca. 10-minütigen Vortrag oder lesen Sie unter dem Video den ausführlichen Artikel.

Digitalisierung im Bereich des Transports ist kein neues Thema. Bereits 1980 kamen die ersten Datenbanken auf. 1985 die erste elektronische Frachtenbörse. Seit Anfang der 2000er Jahre beschäftigen sich die großen Systemhersteller wie SAP und Oracle intensiv damit, integrierte Transportmanagement-Lösungen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Mittlerweile sind die Systeme so mächtig, dass Mitarbeiter nur noch eine untergeordnete Rolle ausüben. In der Zukunft geht es laut Becker in Richtung eines automatisierten Preismanagements.

Was macht ein modernes Transportmanagement-System?

Zusammengefasst erklärte Thomas Becker: Ein modernes Transportmanagement-System beginnt beim Verlader. Dort werden Kundenaufträge platziert oder es müssen Umlagerungen zwischen Lagern erfolgen. Dazu werden Lieferungen von einem ERP-System (ERP = Enterprise Resource Planning) generiert. Diese Lieferungen werden in Transportaufträge umgewandelt, bei denen auch Restriktionen zu beachten sind. Kunden haben zum Beispiel Lieferzeitfenster vorgegeben. Oder es befindet sich Gefahrgut auf dem LKW und Zusammenladungsverbote müssen beachten werden. Um zu niedrigen Kosten fahren zu können, werden außerdem die Fahrzeuge möglichst gut ausgelastet. Da die Tarife hinterlegt sind und die Stammdaten zur Verfügung stehen, sind die Systeme in der Lage, automatisch ohne manuellen Eingriff optimale Transporte zu planen. Ein Mitarbeiter, der eine Kontrollfunktion ausübt, überprüft nur noch die geplanten Transporte und gibt diese frei. Bei unkritischen Transporten läuft auch dies automatisiert ab.

360-Grad Ansatz - Transportmanagement-System als Informationsdrehscheibe

Kommunikation und Collaboration

„Nun nützt die beste Planung nichts, wenn man sie nicht mitteilt“, erklärte Becker weiter. Der Transportplaner muss mit vielen Parteien interagieren. Auf der einen Seite müssen die Transportdienstleister wissen, was wohin zu transportieren ist. Auf der anderen Seite müssen die Ladestellen und Lager koordiniert werden. Eventuell muss der Kunde informiert werden, dass der Transport doch nicht wie gewünscht möglich ist. Die Information wird in verschiedene Richtungen und Kanäle distribuiert, sodass ein Zusammenwirken innerhalb der Supply Chain möglich wird.

Überwachung und Abrechnung

Ist der Transport gestartet und die Ware hat das Lager verlassen, stellt sich die Frage: Wo ist sie? Stichwort: Visibilität. Diese ist wichtig, um auf Abweichungen reagieren zu können. „Und wenn jemand eine Leistung erbringt, möchte er natürlich am Schluss sein Geld haben. Wir wissen, das ist heute ein sehr aufwändiger Prozess“, Thomas Becker, BearingPointführt Becker aus: „Die  Abrechnung erfolgt weitgehend durch eine Vorkalkulation. Das heißt, es werden viele verladende Unternehmen in die Lage versetzt, auf ein Gutschrift-Verfahren umzustellen. So wird der Frachtrechnungs-Prüfungsaufwand entweder minimiert oder auch ganz verlagert.“ Bei großen Unternehmen stelle sich außerdem die Frage der Frachtkostenallokation, wenn etwa die Ladung auf einem LKW von verschiedenen Business Units abgerechnet werden muss.

Beispiel Größenordnung

Dieser sogenannte 360-Grad-Ansatz erfordert eine groß angelegte Kommunikation. Das TMS-System als Informationsdrehscheibe  bildet einen Knoten, der die Information aus verschiedenen ERP-Systemen verknüpft und mit den Transportdienstleistern verbindet. Die mögliche Größenordnung so eines Systems verdeutlicht Thomas Becker anhand eines Kunden-Beispiels: „Wir haben inzwischen bei Henkel über 100 Transportdienstleister an so ein Transportmanagement-System angeschlossen, damit die Aufträge übertragen werden können, wir Status-Informationen bekommen und im Bereich der Abrechnung das Dispute-Management machen können, falls mal Dinge außerhalb des Tarifes gelaufen sind.“

Kommunikation mit den Transportdienstleistern

Thomas Becker stellt einen Trend in Richtung EDI fest. (EDI = Electronic Data Interchange / elektronischer Datenaustausch). Transportdienstleister wollen sich mit den verladenden Unternehmen vernetzen. Das macht vor allem für diejenigen Sinn, die 30, 40 oder 50 Transportaufträge am Tag abwickeln müssen. Denn mit EDI entfällt der manuelle Daten-Erfassungsaufwand. Für kleinere Unternehmen gibt es Portal-Lösungen auf Basis von Web-Plattformen. Auch die Anbindung und Integration von Transaktions-Plattformen ist eine Möglichkeit, wobei hier die Frage der Finanzierung und Transaktionsgebühren im Raum steht.

„Das Ganze ist nicht nur auf die Kommunikation zwischen Unternehmen bezogen, sondern auch in Richtung Ressourcen und Fahrer“, erklärt Becker weiter: Thomas Becker, BearingPoint„Wir haben hier den Vorteil, dass wir eine dynamische Transportplanung machen können. Das heißt, wir sehen Abweichungen relativ früh im Transportgeschehen. Wir sind in der Lage, auch den Fahrer mit Informationen zu versorgen. Nicht nur über die Verkehrslage, sondern beispielsweise auch über die aktuellen Wartezeiten an den Zentrallagern des Handels. Bei einer drohenden Wartezeit von drei Stunden ändert möglicherweise der Fahrer die Tour nochmal von sich aus, um vielleicht noch mal einen kleineren Kunden zwischendurch reinzunehmen, sodass die Tour auch so effizient wie möglich abgefahren wird.“

Echtzeitinformationen für das Transportmanagement

Mit Echtzeitinformation im Transportmanagement kann man Fortschritt und Prognose des Transportverlaufs erkennen: Wie sieht momentan der Tourverlauf aus? Hat sich eine Verspätung ergeben, etwa durch eine lange Wartezeit, wirkt sich das auch auf die entsprechenden Folgetermine aus? Möglicherweise kann eine Lieferung dann erst verzögert erfolgen. Diese Information rechtzeitig über den Customer Service an den Warenempfänger weitergegeben, erlaubt diesem möglicherweise auch seine Planung innerhalb des weiteren Supply-Chain-Ablaufs zu optimieren. Zum Beispiel den Produktionsplan bei Bedarf zu ändern oder eine priorisierte Behandlung des Fahrers zu organisieren, sobald dieser am Lager eintrifft.

Transportmanagement mit Echtzeit-Informationsaustausch

Opfer der Digitalisierung

„Der Digitalisierung eilt ja oft der Ruf des Disruptiven voraus. Das heißt, es wird möglicherweise Opfer geben“, stellt Thomas Becker klar. Eine der betroffenen Gruppen sieht er im Bereich der Disponenten sowohl auf der Verlader- als auch auf der Transporteur-Seite. Durch Automatisierung werden Prozesse schneller und effizienter gestaltet. Auch auf das Geschäftsmodell einer klassischen Spedition sieht Becker eine Bedrohung zukommen. Denn Organisation, Transportleistung und Handelsfunktion  könnten durch die entsprechenden TMS-Systeme übernommen werden. Somit müssen sich auch Spediteure zukünftig neu aufstellen: Entweder gehen sie stärker in den Bereich der IT-Dienstleistung hinein oder sie orientieren sich stärker an der klassischen Asset-based Logistik und investieren wieder eigene Kapazitäten am Transportmarkt.

„Man muss sich zukünftig wettbewerbsfähiger aufstellen. Die Schnellen werden das Geschäft machen.“

Thomas Becker, Senior Manager und Head of Competence Center Logistics & Distribution, BearingPoint

Die BearingPoint-Studie: „Uber-inspirierte Plattformkonzepte in der Logistik – Bedrohen neue Transportkonzepte etablierte Geschäftsmodelle?“ ist barriere-frei auf Deutsch erhältlich und kann über die BearingPoint-Website angefordert werden. 

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