Mobilität der Zukunft: Woher kommt die Energie?

Wenn der Weg bis zum Ergebnis nicht so lang und so schwierig wäre, könnte die Antwort kurz ausfallen: Die Energie für unsere Mobilität wird es wohl auch in Zukunft dort geben, wo es sie schon vor einhundert Jahren gab – praktisch überall, auch beim Tante-Emma-Laden um die Ecke. Damit die allumfassende Versorgung tatsächlich erreicht wird, haben sich Ingenieure weltweit clevere Ladekonzepte einfallen lassen.

Drogerien, Fahrradhändler, Hotels und Gaststätten – diese und noch viele „Servicestellen“ mehr boten Anfang des 20. Jahrhunderts Benzin an. 1909 waren im ersten Tankstellen-Verzeichnis schon über 2500 Anbieter aufgelistet, bei denen man sich mit dem Treibstoff versorgen konnte. Richtig tanken, wie wir es heute kennen, war zum ersten Mal im Jahre 1927 an einer Hamburger Zapfsäule möglich.

Sind 150.000 Stromtankstellen in Deutschland bis 2020 realistisch?

Geschichte wiederholt sich ja bekanntlich, zumindest oft – und tatsächlich erinnert die Entwicklung von damals an die Zeit nach Eröffnung der ersten Stromtankstellen Anfang der 1990er-Jahre. Gemächlich ging es damals los, dann zur Jahrtausendwende gab das Thema Strom endlich Gas, und mittlerweile verzeichnet GoingElectric.de, eines der wichtigsten Verzeichnisse für „Ladepunkte“ in Europa, immerhin schon 21.000 Stellen in 29 Ländern, wo Elektrofahrzeuge kommerziell oder kostenlos geladen werden können.

Den Dämpfer für die „dezente Euphorie“ liefert die EU-Kommission: Nach ihren Berechnungen sollen bis 2020 gut 800.000 Ladestationen in Europa und 150.000 allein in Deutschland nötig sein, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen. Wie also soll es gehen, das massenhafte Einrichten von Ladepunkten? Drogerien, Fahrradhändler, Hotels und Gaststätten werden wohl (erst einmal?) nicht zum engeren Kreis der Anbieter zählen.

Battery Swapping dank Tesla

Beispiele zeigen, wie man’s machen könnte. Vorreiter einer cleveren Idee war das kalifornische Unternehmen „Better Place“, das ab 2007 flächendeckend Stationen für austauschbare Elektroauto-Batterien errichten wollte. „Battery Swapping“ nennt sich das Konzept, bei dem das langwierige Laden der Batterien, während der Fahrer quasi zum Nichtstun verdammt ist, entfällt. Zeit und Möglichkeiten waren aber wohl noch nicht reif für einen „besseren Ort“: Mangels Wirtschaftlichkeit (geplant war ein Leasing der Akkus) musste Better Place das Projekt einstellen und 2013 Insolvenz anmelden.

Diese im Grunde perfekte Idee einfach aufgeben? Autohersteller Tesla Motors, ebenfalls aus Kalifornien, der wohl wie kein anderer für Elektro-Sportwagen steht, präsentierte vor kurzem das Battery Swapping als Lösung für ungeduldige Kunden – denn selbst die gerade mal 30 Minuten zum Aufladen der halben Batterie eines Tesla Model S sind für viele Besitzer des schnellen Flitzers nicht schnell genug.

 

Akku-Austausch durch „Battery Swapping“. (Quelle: Tesla)

 

Bereits vor einem Jahr angekündigt, wurde jetzt der definitive Start zum Jahreswechsel bestätigt: Tesla-S-Fahrer können in gut 90 Sekunden (!) ihre Akkus durch kleine robotische Einheiten unterhalb des Fahrzeugs austauschen lassen. Dabei ist auch ein „Upgrade“ möglich: Wer einen 60-kw-Akku hat, kann ihn sich gegen die 85-kw-Version tauschen lassen. Der Fahrer muss dazu nicht mal das Fahrzeug verlassen – alles geschieht vollautomatisch.

 

Hängen an der Strippe: Lastwagen und Busse

Schauen wir zum dritten Mal nach Kalifornien: In Carson, wo täglich mehrere Zehntausend Lastwagen fahren, will Siemens Mitte 2015 auf einer Teststrecke eine Oberleitung für Elektro- und Hybrid-Lkw installieren, die maximal zu viert in beiden Fahrtrichtungen mit Strom versorgt werden und sogar elektrische Bremsenergie in das Versorgungsnetz zurückspeisen. Intelligente Stromabnehmer auf den Fahrzeugen docken automatisch an, wenn eine Oberleitung vorhanden ist, oder koppeln sich ab – selbst Spurwechsel sind möglich.

 

eHighway mit Oberleitungen für E-Lkw. (Quelle: Siemens)

 

Was an den guten alten Oberleitungsbus oder kurz „O-Bus“ erinnert, setzt das Schweizer Steckverbinder-Unternehmen Multi-Contact tatsächlich für Busse, aber an einer anderen Stelle am Fahrzeug um: Hier wird der Ladekontakt an der Seite positioniert, so dass ein elektrisch betriebener Linienbus theoretisch an jeder Haltestelle mit Strom versorgt werden kann.

 

Ladestation für E-Busse. (Quelle: Multi-Contact)

 

Ähnlich wie beim Betanken von Flugzeugen in der Luft verbindet sich ein flexibler Stecker mit der Ladebuchse, was auch bei ungenauer Positionierung und Winkelabweichungen funktionieren soll. Nur wenige Sekunden Laden genügen, damit der E-Bus zur nächsten E-Haltestelle weiterfahren kann.

 

Der Vorgang erinnert an das Betanken von Flugzeugen in der Luft. (Quelle: Multi-Contact)

 

Längst im Trend: Auftanken unter Solar-Carports

Egal ob große Firmenwagen oder private Autos: Stehen sie ungenutzt herum, werden sie mit Strom versorgt – in immer mehr Solar-Carports. So werden „unnütze“ Dachflächen zu idealen Energielieferanten. Zum Beispiel bei der GÖDE Gruppe am Firmensitz in Waldaschaff, wo drei hintereinander angeordnete Carports Platz für 56 Pkw bieten und die dort angebrachte Solaranlage jährlich gut 90.000 Kilowattstunden Strom liefert. Das Foto wiederum zeigt ein anderes Beispiel der Firma Sunside.

 

Solar-Carports liegen bei Firmen und Privathaushalten im Trend. (Quelle: Sunside)

 

Strom aus intelligenten Straßen – ein Ehepaar macht’s vor

Mit „unnützen Flächen“ kennen sich vor allem zwei US-Bürger aus: Scott und Julie Brusaw hatten die fixe Idee, mit Hilfe von Solarzellen ganze Straßen in Stromspender zu verwandeln.

 

Ein Parkplatz in Idaho, dessen Fläche Strom für Elektroautos liefert. (Quelle: Solar Roadways)

 

Mehr als 40.000 Menschen ließen sich von der Idee überzeugen und „spendeten“ 2,2 Millionen Dollar in einer Crowdfunding-Aktion der Plattform indiegogo.

 

 

Die Idee der „verrückten Solar Roadways“ (siehe Video) ist jedoch kein Hirngespinst, sondern längst in die Tat umgesetzt worden. Mit den sechseckigen Modulen – die Oberschicht ist aus festem Glas und bietet mehr Haftung als Asphalt – ist bereits ein Parkplatz in Idaho gepflastert worden. Und sie können mehr als nur Strom erzeugen, blenden beispielsweise Warnhinweise ein oder zeigen Tempolimits an. Ganz flexibel lassen sich Fahrbahnmarkierungen umprogrammieren, und durch integrierte Heizschlangen bleiben Straßen auch im Winter schnee- und eisfrei.

 

Die Solarstraßen sind intelligent und blenden z.B. Warnhinweise ein. (Quelle: Solar Roadways)

 

Während die „Solar Roadways“ noch in der Erprobungsphase stecken, ist in den Niederlanden, nördlich von Amsterdam, bereits ein 70 Meter langes Teilstück eines Fahrradwegs eröffnet worden. Die verwendeten Betonmodule sind eingebettet in Solarpanele, deren obere Schicht ebenfalls aus rutschfestem Hartglas besteht. Ihr Name: „SolaRoad“. ;-)

Zum Schluss noch einmal zurück zum Trend-Treibstoff des vergangenen Jahrhunderts: Als „1. Tankstelle der Welt“ rühmt sich die Stadt-Apotheke in Wiesloch in Baden-Württemberg: Im August 1888 sprang plötzlich jemand in den Laden, um für ein seltsames Gefährt Ligroin einzukaufen. Das Leichtbenzin nutzte man damals als Waschbenzin für Kleidung, taugte aber auch zur Weiterfahrt des ersten Automobils der Geschichte – gesteuert von Bertha Benz auf ihrer berühmten Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim.

Jetzt, am Ende von 2014, gibt es – laut dem Online-Verzeichnis GoingElectric – zwölf Stromtankstellen im Bereich Mannheim, fünf in Pforzheim. Eine Apotheke ist leider noch nicht dabei.

René Wagner

 

INFO

Normalerweise wird die Batterie eines Elektrofahrzeuges nach dem Anschluss an das Stromnetz „ungesteuert“ und bisher noch wenig effizient geladen. In Zukunft soll es aber, so erklärt es der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE), verschiedene Ausbaustufen für intelligentes gesteuertes Laden geben.

Beim „nutzergesteuerten Laden“ entscheidet der Kunde selbst, wann, wie lange und wie viel Energie benötigt wird – auch um einen passenden Stromtarif zu wählen. Einen Schritt weiter geht das „netzgesteuerte Laden“, das nicht nur den Kundenwunsch, sondern auch den Netzzustand berücksichtigt, indem es zum Beispiel die Ladeleistung begrenzt oder den Beginn des Ladens verschiebt. Die dritte Ausbaustufe hebt die Intelligenz des Ladens weiter an: Wenn aktuell schon immer mehr Wind- und Solarenergie erzeugt wird, deren Intensität jedoch schwankt, gleicht das „erzeugungsgesteuerte Laden“ diese Fluktuation aus, indem es den Ladevorgang am Angebot erneuerbarer Energien ausrichtet.

 

 

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