Datenablage, Geschäftslogik oder Benutzerinterface – bekannte Begriffe aus dem Unternehmens-Alltag. Doch dann kommt die Blockchain. Und plötzlich ist alles anders. Oder doch nicht? Experte Frank Bolten, Managing Partner bei CHAINSTEP, hilft im Talk mit Intelligente-Welt-Chefredakteur Christian Spanik, die Begriffe wieder einzusortieren.
Der knapp zehnminütige Videomitschnitt des Talks findet sich direkt hier:
Für alle, die lieber lesen möchten, haben wir die wichtigsten Infos in diesem Text zusammengefasst.
Die gute Nachricht vorneweg: An dem normalen Aufbau eines IT-Systems ändert sich nichts. Blockchain ersetzt nicht die Applikation, sondern ergänzt diese.
Klassischer Aufbau eines IT-Systems
- Es gibt eine Datenablage mit zentralen Systemen und Daten bei den Nutzern.
- Darauf aufbauend folgen die Geschäftslogik – die programmierten Prozesse und Abläufe, die man mit der IT automatisieren möchte.
- Und schließlich gibt es ein Benutzerinterface – also die Schnittstelle, über die die Systeme vom Anwender bedient werden.
Wenn nun Blockchain ins Spiel kommt, gibt es auf den Ebenen der Datenablage und der Geschäftslogik eine Ergänzung. Frank Bolten betont noch einmal: Dies ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung.
Blockchain als Ergänzung
Durch die Blockchain kann Transaktionen vertrauensvoll, gesichert und transparent über ein Verteilsystem ablegen. Dies betrifft die einzelnen Teile der Transaktionen. Sie werden ergänzend zur Standard-Datenablage gespeichert. Und zwar nicht an einer Stelle, sondern an vielen. Gerade deshalb ist das System auch so vertrauenswürdig. Man kann überall einsehen, wie etwas war, ohne dass es verändert wird.
Die Transaktions-Historie ist verkettet – eine Kette von Blöcken mit einem Zeitstempel. Spannend für den geschäftlichen Einsatz wird es, wenn die sogenannten Smart Contracts zum Einsatz kommen. Diese sind übrigens weder besonders smart, noch Verträge, erklärt Frank Bolten. Vielmehr stecken dahinter Programme, die einen Teil der Willensbekundung eines Vertrages in ein Blockchain-System einspeisen. So erhält man die Möglichkeit, automatisierte Abläufe zu protokollieren. Der gleiche Status eines Programms liegt auf vielen Rechner-Einheiten in einem verteilten Blockchain-System.
Beispiel Seefracht
Bei der Verschiffung eines Containers kommt einiges an IT zum Einsatz – vom Verladen über die Verschiffung bis zu Entladen. Somit müssen viele Daten abgespeichert werden. Für bestimmte Prozess-Schritte macht Blockchain Sinn. Zum Beispiel, wenn es darum geht, den Kühlzustand von verderblicher Ware festzuhalten. Sensoren im Container können etwa permanent die Daten aufzeichnen. Der Smart Contract, der zum Einsatz kommt, könnte so programmiert sein, dass ein Alarm beziehungsweise eine Aktion ausgelöst wird, wenn bestimmte Temperaturbereiche verlassen werden. Dies könnte so weit gehen, dass bei verderblichen Lebensmitteln oder Medikamenten automatisch die zuständige Aufsichtsbehörde darüber informiert wird, dass die Ware aus dem Verkehr gezogen werden muss.
Wie entscheidet man, ob Blockchain
sinnvoll ist oder nicht?
Blockchain macht immer dann Sinn, wenn mehrere Teilnehmer an einem Prozess beteiligt sind, die unterschiedliche Interessen haben. „Das ist ein ganz wichtiges Entscheidungskriterium“, erklärt Frank Bolten: „Wo ist der Teil meiner Geschäftslogik, an dem mehrere Parteien partizipieren sollen und in den ich ein besonderes Vertrauen einprogrammieren möchte? Das kann auch Rechtssicherheit sein. Die nächste Frage ist: Wo habe ich Daten, von denen ich möchte, dass sie unveränderlich abgespeichert werden und vielleicht auch öffentlich einsehbar sind? Wichtig: Blockchain kommt dabei punktuell zum Einsatz und ersetzt nicht komplett die bisherige Applikation.“
Private oder Public Blockchain?
Daraus ergibt sich die nächste Frage: Private oder Public Blockchain? Mit beiden Welten sollte man sich sehr intensiv beschäftigen, rät Frank Bolten. Ähnlich wie Intranet-Lösungen oder Extranet-Lösungen für unterschiedliche Einsätze sinnvoll sind, gibt es auch spezifische Anwendungen für Private oder Enterprise-Blockchains. Mit ihnen hat man die Möglichkeit, vertrauensvolle oder private Transaktionen durchzuführen. Dafür bieten Private Blockchains aber nicht die programmierte Sicherheit einer Public Blockchain.
Stärken von Public Blockchains
- Offener Zugang für jeden, lesend und schreibend
- Teilung der Kosten für Infrastruktur und Betrieb
- Öffentliche Aufzeichnung von Transaktionen
- Höchste Stabilität, schrittweise Weiterentwicklung
- Unveränderlichkeit der Daten
- Pseudonyme Selbstverwaltung
- Weder zensierbar noch abschaltbar
- Speicherung von Werten
- Absicherung durch Energieaufwand
Herausforderungen von Public Blockchains
- Offener Zugang für jeden, lesend und schreibend
- Transaktionskosten
- Öffentliche Aufzeichnung von Transaktionen
- Varianz in der Geschwindigkeit der Transaktionsbestätigung
- Unveränderlichkeit bei Fehlern
- Regulatorische Anforderungen an Transparenz
- Metadaten, z. B. Nachvollziehbarkeit von (Nicht-) Auslastung
- Skalierbarkeit der Menge der Transaktionen
- Energiekosten für das Mining
Der Vergleich der beiden Auflistungen macht deutlich, dass bestimmte Merkmale von öffentlichen Blockchains – wie etwa der offene Zugang für jeden – zwar eine Stärke sind, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung darstellen können.
Aktuelle Entwicklungen gehen aber auch in die Richtung, Elemente von Public und Private Blockchains miteinander zu kombinieren.