Wie Solarkraftwerke von einem Zwei-Minuten-Blick in die Zukunft profitieren

Autor: Stefan Achleitner; Aufmacherbild: (C) Stefan Achleitner

Wettervorhersagen werden üblicherweise für die nächsten Tage erstellt, mit größerer Fehlerwahrscheinlichkeit auch für die nächsten ein bis zwei Wochen. Dass auch eine Wettervorhersage mit einem Vorausblick von ein bis zwei Minuten in die Zukunft wichtig sein könnte, hört sich im ersten Moment etwas absurd an. Man sieht ja, wie das Wetter gerade ist – und allzu schnell wird es sich wohl auch nicht ändern. Doch exakte Kurzzeit-Wetterberichte haben eigene, besondere Anwendungen – vor allem für Solar-Kraftwerke. Möglich machen es ein Sensornetzwerk und spezielle Algorithmen.

Solarenergie ist einer der wichtigsten erneuerbaren Energieträger. Aber es gibt ein Problem: Wie Windkraft ist auch Solarenergie eine „unzuverlässige“ Energiequelle, denn sie ist stark von den Umweltbedingungen abhängig. Bei dichter Bewölkung oder in der Nacht produziert sie nur einen Bruchteil ihrer Maximalleistung oder gar keinen Strom. Grundsätzlich lösen lässt sich dieses Problem nicht – aber Wissenschaftler können es durch Optimierungsprozesse entschärfen.

Sogar im sonnigen Kalifornien, wo ein interessantes Projekt mit dieser Zielsetzung erprobt wurde, gibt es Wolken – den natürlichen Feind jedes Solarkraftwerks. Vor allem die Dynamik der Wolken am Himmel beeinflusst die Energieproduktion einer Solarzelle und kann kurzzeitige Einbrüche in der Energieproduktion von bis zu 80 Prozent verursachen.

Solarproduktion
Der Energieausstoss eines Solarkraftwerks wird vor allem von den Wolken am Himmel beeinflusst.

Nun lassen sich Wolken nicht einfach verschieben oder umleiten. Aber wenn man weiß, dass der Solarenergie-Output in zwei Minuten auf die Hälfte sinken wird, lassen sich Massnahmen treffen, um eine verlässliche Stromversorgung zu gewährleisten. Denn solche plötzlichen Energieeinbrüche können durch ein smartes „load-balancing“ ausgeglichen werden, wie etwa den Zukauf von Strom aus dem Netz oder temporäres Deaktivieren von Verbrauchern wie Klimaanlagen.

Genauso ein System wurde in Kalifornien entwickelt. Er besteht zum einen aus einem Netzwerk kleiner Microcomputer mit Lichtsensoren und zum anderen aus intelligenten Algorithmen.

Sensornetzwerk im Erprobungsbetrieb

In einem ersten Feldversuch wurde dieses System zur Wettervorhersage für Solarkraftwerke im kalifornischen Central Valley getestet, das etwa zweieinhalb Stunden südöstlich von San Francisco liegt. Kleine Microcomputer, sogenannte „Motes“ (für Remotes, also entfernte Geräte) bilden dazu ein Drahtlosnetzwerk rund um das Solarkraftwerk und melden im Takt weniger Sekunden die von ihnen aktuell gemessene Lichteinstrahlung an einen zentralen Server.

Die Remote-Sensoren oder „Motes“ sind drahtlos miteinander vernetzt.
Die Remote-Sensoren oder „Motes“ sind drahtlos miteinander vernetzt.

Bei einer nahenden Wolkenfront registrieren die Sensoren den Abfall der Sonnenlichtstärke. Aus der bekannten Position des Solarsensors und der gemessenen Lichtintensität lässt sich so eine Vorhersage des Energieausstoßes des Solarkraftwerks berechnen.

Ist die Wolkenfront noch entfernt, melden die Sensoren klaren Himmel.
Ist die Wolkenfront noch entfernt, melden die Sensoren klaren Himmel.
Nähert sich die Wolkenfront, melden einige Sensoren die Verdunklung.
Nähert sich die Wolkenfront, melden einige Sensoren die Verdunklung.

Aus Sicht der Algorithmen liefert das Sensornetzwerk, welches das Solarkraftwerk umspannt, einen stetigen Datenstrom, der den Energieausstoß des Kraftwerks simuliert. Der Zeitvorsprung, mit dem eine Wolkenfront von dem Sensornetzwerk erkannt wird, hängt dabei von der Distanz der Sensoren ab – vor allem jedoch von der Windgeschwindigkeit, die die Wolkenbewegungen beeinflusst.

Der Datenstrom der Sensoren liefert ein Vorhersagemodell für den Energieausstoss des Kraftwerks.
Der Datenstrom der Sensoren liefert ein Vorhersagemodell für den Energieausstoß des Kraftwerks.

Die Genauigkeit der Simulation des Energieausstoßes durch die Sensoren nimmt mit steigender Distanz vom Kraftwerk ab. Daher gilt es, eine Balance zwischen Vorhersagegenauigkeit und Zeitvorsprung zu finden. Mit einer optimierten Sensorplatzierung lässt sich eine Vorhersagegenauigkeit von bis zu 98 Prozent erreichen.

Spezial-Algorithmen für die Vorhersage

Interessant bei diesem speziellen Datenstrom ist, dass traditionelle Machine-Learning-Techniken wie neuronale Netze nur eine Genauigkeit von ca. 80 Prozent erreichen. Das liegt vor allem daran, dass sich aus den sehr kurzfristig gemessenen Wolkenstrukturen keine klaren Erkentnisse für nachfolgende Wolkenmuster ziehen lassen. Mit anderen Worten: Die Wolken von heute haben auf die Wolken von morgen nur einen sehr geringen Einfluss. Daher besteht die Software dieses Systems aus speziell entwickelten Algorithmen, die durch den laufenden Vergleich von Sensor- und Kraftwerksdaten eine sehr hohe Vorhersagewahrscheinlichkeit erreichen.

Schwerpunkt des Projekts war die Entwicklung der Algorithmen und die Demonstration der Funktionsfähigkeit – von einer Markteinführung ist die Lösung noch einige Zeit entfernt. Daher haben die Forscher ihr Sensornetzwerk nach dem Feldversuch fürs erste auch wieder abgebaut. Doch die Ergebnisse machen Mut und zeigen, dass Sensoren und Auswertung im Prinzip so wie gewünscht funktionieren.

Wer sich detaillierter mit dem Projekt und seinen Hintergründen beschäftigen möchte, findet hier eine wissenschaftliche Publikation, in der auch die eingesetzten Algorithmen und Modelle ausführlich beschrieben werden.

 

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