Die Energiewirtschaft befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Wandel. Klimakrise, Energiesicherheit und steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energien setzen die Branche unter Druck – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Gerade in Ländern wie Österreich, das hier als Beispiel dient, zeigt sich, wie Unternehmen und Netzbetreiber an neuen Wegen arbeiten, um die Versorgung sicher, effizient und kostengünstig zu halten. Barbara Schmidt von „Oesterreichs Energie“ spricht aus der Praxis und gibt Einblicke in die Herausforderungen und Chancen, die der Transformationsprozess mit sich bringt.
Hinweis: Unsere kleine Serie #Energiegespräche soll helfen zwischen Experten und uns anderen zu vermitteln. Dinge verständlich und nachvollziehbar zu machen, wenn es um die Transformation in Sachen Energie geht und in die Richtung einer intelligenten Welt.
Hier verlinken wir das Video, damit man das Gespräch komplett sehen kann. Der Link führt auf die Youtube Seite der Mission Innovation Austria. Einer Veranstaltung rund um das Thema Energiewende. Eine Zusammenfassung des Talks gibt es darunter in schriftlicher Form.
Wachsende Erwartungen an die Energiewirtschaft
Die Erwartungen an die Energiewirtschaft sind klar: Sicher, bezahlbar und nachhaltig soll die Stromversorgung sein. Doch die Realität zeigt, dass es oft knifflig ist, alle drei Aspekte gleichzeitig zu erfüllen. Schmidt erläutert, dass die Energiewirtschaft mit hohen Kosten für die Transformation zu kämpfen hat und der Aufbau eines zukunftsfähigen Systems die Zustimmung der Bevölkerung braucht. Die Akzeptanz der Bürger:innen, so Schmidt, sei entscheidend.
„Wenn die Akzeptanz für die Kosten des Systemumbaus nicht da ist, dann wird die Akzeptanz insgesamt fehlen.“
Barbara Schmidt, Oesterreichs Energie
Warum Flexibilität in der Stromversorgung entscheidend ist
Die Energiewirtschaft muss eine stabile Versorgung gewährleisten – das ganze Jahr über, unabhängig vom Wetter oder Verbrauchsspitzen. Hier kommen Innovationen und Flexibilitätslösungen ins Spiel. Besonders Reallabore haben in Österreich und zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung gewonnen, weil sie als Testumgebung für nachhaltige und flexible Energiesysteme fungieren. Die Idee dahinter: Unternehmen und Haushalte sollen nicht nur erneuerbare Energiequellen nutzen, sondern diese auch effizient und kostenschonend einsetzen.
Netzausbau und Kosten: Eine schwierige Balance
Der Ausbau der Stromnetze und Speicherlösungen ist ein teures, aber notwendiges Unterfangen, damit auch bei Flaute oder Dunkelheit genug Strom vorhanden ist. In Österreich und Deutschland, aber auch weltweit wird das Netz in den kommenden Jahren stark belastet werden, wenn es nicht gelingt, die Infrastruktur an die neuen Anforderungen anzupassen. Die Herausforderungen dabei, wie Schmidt betont, sind vielfältig: „Je mehr erneuerbare Energien wir nutzen, desto dringender benötigen wir einen stabilen Netzausbau und neue Speichertechnologien.“ Die Frage ist jedoch, wie die entstehenden Kosten fair verteilt werden sollen.
Das Solidarsystem auf dem Prüfstand
Eine der größten Herausforderungen, so Schmidt, liegt im Finanzierungssystem. Bisher werden die Netzgebühren von allen Stromverbrauchern gleichermaßen getragen. Doch durch die Zunahme an Eigenstromerzeugung, etwa durch Solaranlagen auf Privatdächern, beziehen immer mehr Menschen weniger Strom aus dem Netz. Die Kosten verteilen sich damit auf immer weniger Schultern. Das klassische Solidarsystem steht somit unter Druck, da es den Anstieg der Netzgebühren auf die verbleibenden Stromverbraucher verlagert – meist private Haushalte und kleine Unternehmen, die weniger Chancen zur Eigenversorgung haben.
Reallabore: Innovation im kleinen Maßstab, mit großer Wirkung
Reallabore sind ein Schlüsselinstrument der Transformation. Sie bieten Raum für innovative Technologien und Modelle, die nicht nur das öffentliche Netz entlasten, sondern auch neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Schmidt hebt hervor, dass in den Reallaboren unter anderem die Flexibilität beim Verbrauch eine zentrale Rolle spielt. Besonders wertvoll sind hierbei dezentrale Lösungen, bei denen überschüssige Energie entweder gespeichert oder direkt vor Ort verbraucht wird.
Zusammenarbeit und Offenheit als Erfolgsfaktoren
Die Transformation verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Akteuren. Schmidt betont, dass neben innovativen Technologien auch Offenheit und Transparenz unverzichtbar sind, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln. „Zusammenarbeit mit Wissenschaft und innovativen Unternehmen ist gelebte Praxis“, so Schmidt. Nur durch eine sektorübergreifende Kooperation sei es möglich, die ehrgeizigen Klimaziele und die Versorgungssicherheit gleichzeitig zu gewährleisten.
Kundenkommunikation: Ein wichtiger, aber oft unterschätzter Aspekt
Eine reibungslose Energiewende ist nur möglich, wenn auch die Bevölkerung versteht, warum und wie der Umbau des Energiesystems erfolgt. Gerade bei steigenden Netzgebühren und höheren Stromrechnungen ist es wichtig, die Bürger:innen transparent über die Gründe und den Nutzen aufzuklären. Schmidt appelliert an ihre Kolleg:innen und alle Markteilnehmer*innen, sich stärker auf die Kundenkommunikation zu fokussieren und deren Informationsbedürfnis ernst zu nehmen.
Fazit: Mehr Flexibilität, mehr Zusammenarbeit, mehr Akzeptanz
Die Energiewirtschaft steht in Deutschland und darüber hinaus vor ähnlichen Herausforderungen wie in Österreich: Einerseits gilt es, das Stromnetz resilienter zu machen und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, andererseits müssen die Kosten fair verteilt und die Akzeptanz in der Bevölkerung gesichert werden. Reallabore und flexible Ansätze im Energiemanagement sind ein vielversprechender Weg. Es zeigt sich: Nur durch Innovation und Kooperation kann die Energiewirtschaft die Transformation erfolgreich gestalten.