Digitale Zukunft Mittelstand war das Thema. Diese Zukunft bedeutet Digitalisierung, Vernetzung, Disruption. Was hält diese Zukunft für kleine und mittlere Unternehmen bereit? Wie verändert sich die Wirtschaft durch die Digitalisierung? Welche Rolle spielen dabei Qualifizierung oder Sicherheit? Wie können Forschung und Entwicklung dazu beitragen, intelligente Antworten auf die neuen Herausforderungen zu liefern? Und würden die Gäste auf der Bühne von Digitale Zukunft Mittelstand auf alle diese Fragen klare, ehrliche Antworten geben? Oh ja…
Von Hannes Rügheimer & Christian Spanik
Nein, es steht nicht optimal um Ausbildung und Fortbildung im Zeitalter der Digitalisierung. Ja, die Politik ist selbst noch viel zu oft im Erbhof-Denken verankert und tut sich zum Teil selbst schwer mit Disruption beziehungsweise Veränderungen durch Digitaltechnik. Aber wie unser Liveblog zeigt und auch die unten stehende Zusammenfassung: es wurde ehrlich diskutiert, offen geantwortet und mit mehr Leidenschaft argumentiert als wir es erwartet hätten – bei der DIHK-Konferenz „Digitale Zukunft@Mittelstand“ im April in Berlin. Moderator der hochkarätig besetzten Veranstaltung war Intelligente-Welt-Chefredakteur Christian Spanik – gemeinsam mit einem Roboter… Und für alle, die nicht vor Ort sein konnten, berichtete unsere Redaktion während der gesamten Veranstaltung im Liveblog.
Direkt unter dem Liveblog-Fenster hier findet sich eine Gesamtzusammenfassung einiger wichtiger Higlights und Aspekte.
Auf der Konferenz Digitale Zukunft Mittelstand war vor allem eines gefragt: Ehrlichkeit. Außerdem Engagement und Leidenschaft für das Thema Digitalisierung. Und – das kann man nun rückblickend sagen: diese Eigenschaften brachten alle mit, die auf der Bühne zu Gast waren…
Digitale Zukunft Mittelstand: Leidenschaft und Engagement für die Sache der Digitalisierung
Es begann schon am Morgen mit der Parlamentarischen Staatssekretärin beim BMVI Dorothee Bär. Sie machte deutlich, dass die Herausforderungen und auch Probleme für das Thema Digitale Zukunft Mittelstand schon in der Schule anfangen. Dort wird die Basis gelegt – im guten wie im schlechten. Sie erzählte, wie kompliziert es war, einer Schule einen Bausatz für mehrere tausend Euro zu schenken, damit die Kinder sich mit Programmierung und Robotik beschäftigen können. Allein schon weil der Rektor der Schule nach Unterbreitung des Angebots erst mal gar nicht zurückrief. Und als er dann doch ans Telefon zu bewegen war, meinte er: „Wir haben keinen geeigneten Raum für sowas…“
Zum Glück gab es die Rektorin einer anderen Schule, die sofort zugriff. Geballte Frauenpower – etwas, wovon die IT-Branche ganz ohne Frage sowieso mehr braucht… Das findet nicht nur Dorothee Bär.
„Selbst die Kanzlerin hält sich an ihr Wort: wenn es wichtig ist, gibt es einen Rückruf in 24 Stunden. Nur ein Lehrer ist mal einfach 7 Tage nicht erreichbar – und es waren keine Ferien.“
Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin beim BMVI
Aber es wurde auch deutlich: das hält die Politikerin und Digitalisiererin mit Leidenschaft nicht davon ab, immer wieder Neues anzuschieben, um die Basis für einen digitalen Mittelstand in Deutschland zu legen. Für Schüler, für Mittelständler und für die Bevölkerung. Das machte sie mit vielen persönlichen Beispielen klar.
Wansleben: Digitale Zukunft Mittelstand gibt es nur, wenn wir die Zeichen richtig lesen
Es war keine Rede, es war ein Appell, den DIHK-Chef Dr. Martin Wansleben in seinem Grußwort an die Teilnehmer richtete. Er machte deutlich, dass große Themen, die langfristig wichtig sind, oft an kleinen, vielfach lokalen Problemen scheitern. „Der knappe Wohnraum in London führt heute zu Frust über EU und Erweiterung. Und kann eine Ursache für den Brexit sein. Aber das wurde lange ignoriert und schöngeredet. Wir müssen jetzt herausfinden: Was ist das Äquivalent zum knappen Wohnraum in London bei der Digitalisierung im Mittelstand?“
„Eine große Sache wie die Digitale Zukunft des Mittelstands darf nicht daran scheitern, dass wir kleine lokale Probleme übersehen, die das große Ganze zuerst stören und später womöglich zunichtemachen.“
Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des DIHK
Anders gesagt: Wer die kleinen Zeichen nicht sieht, sie nicht frühzeitig lesen kann, wird mit dem großen, wichtigen Projekt womöglich scheitern.
Das gilt aus unserer Sicht als Redaktion übrigens durchaus auch für die IT-Branche selbst, die zwar gerne den Mittelstand digitalisieren will – aber weder für die Fachsprache, noch für die Herangehens- oder Denkweise von Mittelständlern wirkliches Feingefühl beweist. Diese Problematik haben wir auch in unserem Artikel über das Wirtschaftswunder 4.0 zur letztjährigen CeBIT auf unserer Partner-Seite www.digisaurier.de diskutiert. Nicht umsonst lautet die Überschrift dort: „Wirtschaftswunder 4.0? Sind die IT-Manager größenwahnsinnig?“
Digitale Zukunft Mittelstand: Vom Stahlhersteller bis zum Metzger – die machen es einfach!
Interessant waren sicherlich auch die beiden an die Grußworte anschließenden Talkrunden. Und ebenso beeindruckend. Denn hier redeten Mittelständler von Groß bis Klein darüber, was sie wie gemacht haben, um erfolgreich zu digitalisieren. Ob nun Eishersteller (Ralf Schulze, Gründer und Geschäftsführer IceGuerilla) oder Metzgerei (Claus Böbel, Gründer und Geschäftsführer Metzgerei Böbel). Beide sind in kleinen Orten ansässig, haben nun aber durch digitale Technik bundesweit Erfolg. Dennoch sind beiden „Erlebnisorte“ wichtig. Also die richtige Kombination aus Virtuell und real, wie der Videoausschnitt der Talkrunde deutlich macht.
Ob Stahlhändler Klöckner (Gisbert Rühl, Vorsitzender des Vorstands Klöckner & Co SE), der mit voller Absicht digital sein eigenes Geschäftsmodell kannibalisiert, um seine Zukunft zu sichern. Oder der Metro-Konzern (Dr. Babak Zeini, Director Business Innovation der METRO AG), der neue Shop-Systeme und Konzepte entwickelt, um auch künftig bei seinen Kunden anzukommen.
Übrigens: ausgerechnet Klöckner Chef Rühl machte deutlich, dass es bei Digitalisierung nicht gleich um große Summen gehen muss:
Aber damit waren diese Geschichten noch nicht zu Ende. Da war der Unternehmer (Florian Reichle, Gründer und Geschäftsführer trinckle 3D GmbH), der 3D Druck als Enabler für völlig neue Konzepte sieht und auch an Beispielen belegen kann, dass das wirklich so ist, oder auch der SAP-Vertreter Rolf Schumann, der klar sagt: „Das Problem des deutschen Mittelstandes ist nicht die Digitalisierung. Sondern dass es ihm auch ohne Digitalisierung sehr gut geht. Vielleicht zu gut…“
„Dem deutschen Mittelstand geht es eigentlich zu gut, als dass er digitalisieren müsste.“
Rolf Schumann, CTO SAP
Solche Aussagen sind zum Teil schon starker Tobak. Aber ebenso fielen auf der Bühne klare Worte, die beweisen: es geht – auch jetzt schon. Und Digitalisierung bringt was. Allerdings wurde auch klar: Nicht für jeden Mittelständler ist der Weg eines anderen Mittelständlers ebenfalls richtig. One size fits all? Fehlanzeige!
Kopieren hilft nicht – Digitale Zukunft Mittelstand heißt sehen, verstehen, adaptieren, anders machen
Sehr deutlich wurde dies am Beispiel der digitalen Metzgerei: Bühne und Liveblog stellten zwei Metzgereien vor. Und beide vermarkten erfolgreich digital. Aber nur einer von beiden, nämlich Claus Böbel, nutzt dazu einen Online-Shop. Der andere, Ludger Freese, stellte den Verkauf übers Internet wieder ein – dafür vermarktet er seinen Laden und Partyservice online erfolgreicher als alle anderen. Daraus kann man lernen: Jeder Mittelständler muss seinen eigenen Weg finden. Gerade deshalb sind Veranstaltungen wie Digitale Zukunft Mittelstand auch als Ideengeber und zur Inspiration so wichtig. So sehen das auf jeden Fall Dirk Binding vom DIHK und seine Teamleiterin für dieses Projekt, Linda van Renssen.
Aber man muss bei so einem Event auch Menschen zusammenbringen, die gestalten wollen. Dies stand sicherlich im Vordergrund bei der Diskussion „Politik trifft Wirtschaft“.
Fünf Gäste diskutierten mit Moderator Christian Spanik über die politischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Realitäten.
Die Teilnehmer waren:
- Ulrich Begemann, Mitglied des Ausschusses Industrie und Forschung des DIHK
- Dieter Janecek, MdB Bündnis 90/die Grünen-Bundestagsfraktion
- Lars Klingbeil, MdB SPD-Bundestagsfraktion
- Christoph Obladen, stellvertretender Vorsitzender des Bildungsausschusses des DIHK
- Dr. Bernd Sörries, Vorsitzender des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie des DIHK
Die Diskussion war zu vielschichtig, um sie hier komplett wiederzugeben. Dazu empfehlen wir, wie auch zu den anderen Runden, am besten einen Blick in das oben eingebettete Archiv unseres Liveblogs. Dort finden Sie Zitate, noch mehr Video-Statements und Zusammenfassungen von Gesprächsabschnitten.
Lars Klingbeil (SPD) war auf jeden Fall an einer Sache sehr interessiert: Schulen und Ausbildung. „Wir brauchen einen echten Kulturwandel an den Schulen in Sachen Digitalisierung“, sagte er auf der Bühne und machte bei uns im Videostatement klar, was er damit meint:
Klare Erkenntnis von „Wirtschaft trifft Politik“: Wir sind alle zusammen nicht schnell genug.
Deutlich wurde in der Diskusstion etwa: Weder Politik noch Wirtschaft sind derzeit wirklich perfekt für die Herausforderungen der Digitalisierung aufgestellt. Von Infrastruktur über Ausbildung bis hin zu politischen Erbhöfen und veralteten Gesetzen, die nicht angepasst werden: es gibt viel zu tun. Es reicht nicht, das Große und Ganze zu beschwören. Es ist nötig, auf Details zu achten und auch sie bei Bedarf zu verändern. So sprach Dieter Janecek (und wir schafften es gerade noch mit der Handykamera zurück zur Bühne um das Statement aufzuzeichnen) über das Thema Behördengänge in digitalen Zeiten – wo er freundlich gesagt, Diskrepanzen sieht…
Doch kein Teilnehmer der Diskussionsrunde versuchte, diese Problematik schönzureden. Weder für den eigenen Verantwortungsbereich noch für andere. Und jeder vermittelte den Eindruck, dass man den Willen hat, mit Beharrlichkeit dicke Bretter zu bohren. Und dies mit höherem Tempo als bisher.
„Wir sind nicht schnell genug – wir sind zu oft hinterher. Damit machen wir es der Digitalisierung schwer. Und denen die digitalisieren wollen.“
Fazit durch Moderator Christian Spanik aus der großen Diskussionsrunde
Nein, langweilig wird es weder der Politik noch der Wirtschaft werden, auf dem Weg zum digitalen Mittelstand. Und erst recht nicht auf dem Weg zu dem Ziel, das da heißt: Digitale Zukunft Mittelstand.
Das war noch lange nicht alles: Break-Out Sessions, fliegende Handys und ein Roboter als Co-Moderator
Der Tag war so voll und vielschichtig, dass er sich hier nicht in allen seinen Dimensionen wiedergeben lässt. Wie schon angesprochen, empfehlen wir auch deshalb unbedingt einen Blick in das oben eingebetteten Liveblog-Archiv.
Denn auch nach all dem bisher Beschriebenen war noch lange nicht Schluss. Auch der Nachmittag bot ein volles Programm.
So gab es viele spannende Erkenntnisse aus den Break-Out Sessions, die sich mit wichtigen Einzelfragen beschäftigten: von digitalen Plattformen über die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern bis hin zur Datensicherheit. Hier agierten mit den Thema umfassend vertraute Hauptgeschäftsführer der DIHK als Moderatoren und führten den teilweise durchaus kontroversen Diskurs mit ihren Gästen. Dazu kamen Kurzvorträge als Diskussionsimpulse wie beispielsweise der von Ansgar Baums von HP über digitale Plattformen. Auch er plauderte aus dem Nähkästchen – zum Beispiel über neue Strategien bei Druckern, weil die alten in der digitalen Welt nicht mehr funktionieren.
Das waren die Break-Out Sessions:
- Plattformmärkte: Wie verändert sich die Wirtschaft durch die Digitalisierung? Moderation Prof. Dr. Dr. Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam
- Sichere Industrie 4.0: Wie schafft die mittelständische Industrie das? ModerationDr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt
- Qualifizierung: Wie machen wir Fachkräfte fit für das digitale Zeitalter? Moderation Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Düsseldorf
Aber ein paar Überraschungen warteten dann immer noch auf die Gäste der Veranstaltung Digitale Zukunft Mittelstand.
Nicht nur, dass es einen Roboter als Co-Moderator gab, der auch das beliebteste Selfie-Motiv des Tages war. Auf der Bühne konnte das Publikum auch Psychotherapeuten kennenlernen, die eigentlich nicht dachten, dass man ihre Arbeit digitalisieren könnte – bis sie es selbst mit Erfolg machten. Oder Bilderstürmer, die ganz neue Wege finden, um sich in einer immer visueller werdenden digitalen Welt zurechtzufinden. Und diese Herausforderung braucht ganz sicher neue Lösungen, wie er den Publikum sehr deutlich machte. „Wir wissen ja selber nicht, wie wir ein Bild erkennen. Wie soll man also das einem Computer einprogrammieren?“
Der praktische Nutzen solcher Forschungen und Entwicklungen zeigt sich etwa in Katalogen und umfangreichen Bildersammlungen, wie sie auch viele Mittelständler haben. Oder Sicherheitsexperten, die klar machten: Mitarbeiter kann man nicht zu IT-Experten machen, um das Netz sicherer zu machen. Es gibt aber andere Wege. Oder einem Vortragenden, der unser Verhältnis zur digitalen Technik wie insbesondere Handys in Frage stellte. Und einen kollektiven Schmerzensschrei auslöste, als er sein eigenes einfach runterwarf und mit dem Fuß wegkickte. Weil er nicht digitaler Zombie werden will, wie er uns sehr eindrücklich erklärte.
Und man muss klar sagen: auch diese Gedankengänge gehören ganze zentral dazu, wenn man den Mittelstand digitalisieren will. Und genau darum wurden solche Querdenker auch eingeladen in Berlin zu sprechen und ihre Gedanken darzulegen. Es ging ja um offene Worte von allen Seiten.
„Ja – wenn es um Digitale Zukunft Mittelstand geht, da fliegt dann schon auch mal ein Handy durch die Gegend. Und das ist gut so…“
Teilnehmer der Veranstaltung
Über all diese Menschen und Ereignisse lesen Interessenten mehr im Liveblog-Archiv. Wer nicht dabei war, hat also auf jeden Fall eine spannende Veranstaltung mit vielen Denkanstößen verpasst. Und die, die dabei waren, fragten nicht selten: „Wann ist das das nächste Mal?“ Das ist vielleicht der beste Beweis dafür, dass der Event für seine Teilnehmer einen klaren Nutzen brachte. So haben sich Veranstalter und Vortragende das häufig geäußerte Lob redlich verdient. Und das Abschluss-Bier dann ebenso…
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