Irgendwo in diesem Moment, tausendfach in Deutschland: Die Solaranlage des Nachbarn produziert mehr Strom als er selbst benötigt. Naheliegende Frage: Warum kann man ihm davon nicht etwas abkaufen? Die Antwort: Weil Konzerne dazwischen hängen – aber vielleicht nicht mehr lange: Smarte Lösungen auf Basis von Big Data vernetzen die Solaranlagen der Bürger virtuell und effizient. Willkommen in der Share Economy!
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Wohin mit dem vielen Strom, der zunehmend regenerativ gewonnen wird? 900.000 Haushalte in Deutschland haben bereits Solaranlagen, immerhin 35.000 von ihnen zusätzlich einen Solarspeicher für überschüssige Energie. Die Tendenz ist stark steigend, weil die Preise für kleine Speicher rasend schnell fallen – nicht zuletzt ausgelöst durch den Wettbewerbsdruck von Tesla, das seine „Powerwall“ schon für gut 3000 Dollar anbietet.
Eigentlich sind diese Speicher dafür gedacht, den selbst produzierten Strom dann zu verbrauchen, wenn man ihn für den Eigenbedarf abrufen muss. Die gute alte Vorratshaltung ist zwar praktisch für den Stromproduzenten selbst, doch muss oft gar nicht so viel Energie abgerufen werden, wie sie „zu viel“ gespeichert wurde – und das vielleicht genau in der Zeit, wo der Nachbar etwas „abnehmen“ könnte, weil ihm gerade Strom fehlt.
Social Energy: Gemeinsam stärker und unabhängiger
Hier setzen verschiedene Plattformen an: Sie verbinden kleine Solaranlagen miteinander zu einem großen virtuellen Gesamtnetz, das den Bedarf für Einspeisung und Entnahme intelligent ausgleicht. Voraussetzung für die Abstimmung in Echtzeit sind intelligente Stromzähler. Ein Werbevideo des Anbieters Caterva verdeutlicht das Prinzip in zweieinhalb Minuten.
Mit den vernetzten Speichern seiner Kunden nimmt Caterva am Stromhandel teil: Bei niedrigen Preisen werden leere Akkus mit Strom aus dem Netz aufgeladen, umgekehrt bei hohen Preisen volle Akkus ins Netz entleert, der Strom somit verkauft. Die Eigentümer werden dabei an den Einnahmen beteiligt. Der Clou: Alle Akkus zusammen fungieren als Regelleistung, mit der Schwankungen im Netz ausgeglichen werden.
Soziale Stromnetze: Warum nicht auch im Mietshaus?
Das Prinzip, so buzzn, funktioniere sogar in Miniaturform – zum Beispiel in einem Mietshaus, einem Gebäudekomplex oder einem Wohnquartier. Dann beliefere der Vermieter seine Mieter mit selbst erzeugtem Strom vom Dach oder aus dem Keller. Buzzn hat dazu das Dienstleistungspaket „Localpool“ geschnürt: Über die Stromanschlüsse im Gebäude fließt der Strom auf direktem Wege zu den Steckdosen der Mieter.
Big Data hilft dem Schutz der Umwelt
Für alle diese Lösungen gilt: Große Datenmengen müssen in Echtzeit verknüpft und analysiert werden, um das Optimum für eine effiziente Steuerung herauszuholen. Das Stichwort heißt „Big Data“ – in diesem Bereich wird praktisch überall in Deutschland eifrig geforscht. So bündelt etwa die Fraunhofer-Gruppe das Know-how von 28 Forschungsinstituten zu einer eigenen „Allianz Big Data“ und bietet ihre Innovationen auch für den kommerziellen Einsatz an.
„Die zunehmende Vernetzung im Energiesektor, die Verbreitung intelligenter Sensorik zur Messung von Verbraucher- und Umweltdaten, aber auch die Kommunikation in sozialen Netzwerken stellen hierzu einen gewaltigen Fundus an Informationen bereit“, schreibt die Fraunhofer-Allianz auf ihrer Webseite. „Sie öffnen die Türen für eine flächendeckende Organisation geeigneter Maßnahmen und Steuerungsmöglichkeiten.“
Weil die 28 Institute des Fraunhofer-Verbunds Fachwissen aus nahezu allen Branchen mitbringen, sind sie auf vielen unterschiedlichen Anwendungsfeldern tätig – vom Monitoring und Steuerung des Energieverbrauchs auf Haushalts-, Unternehmens- und Bundesebene über die Optimierung von Prozessen in der Landwirtschaft bis zur Überwachung von Gewässern.
Bürger werden zu sozialen Stromversorgern
Doch ihre Idee geht noch weiter: Stromproduzenten sollen frei entscheiden können, was mit ihrer selbst erzeugten Energie geschieht – zum Beispiel über eine Smartphone-App. Nach Abzug einer Gebühr kümmert sich Lichtblick um die Abwicklung.
„Wenn ich selbst Strom produziere, ist dieser mein Eigentum. Ich sollte frei entscheiden können, was ich damit mache.“
Diese Worte stammen von Lichtblick-Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz. „Egal, ob ich den Strom meinem Nachbarn liefern oder ihn an ein Flüchtlingsheim spenden will – oder ob ich ihn während meines Urlaubs Dritten über das Internet anbiete, so wie ich heute meine Wohnung an Dritte vermieten kann.“