Die Energiewende schreitet in vielen Ländern schnell voran – sei es in Deutschland, Österreich oder anderen europäischen Staaten. Ein oft übersehener, aber zentraler Akteur dabei sind die Stromnetze, die den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien sicher und zuverlässig verteilen müssen. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist, zeigt das Beispiel der Austrian Power Grid (APG), des Betreibers des österreichischen Übertragungsnetzes. Im Gespräch mit Kurt Misak, einem Vertreter der APG, wird deutlich, vor welchen Herausforderungen Netzbetreiber auch in Deutschland stehen und welche Lösungen für die Zukunft entwickelt werden müssen.
Hinweis: Unsere kleine Serie #Energiegespräche soll helfen zwischen Experten und uns anderen zu vermitteln. Dinge verständlich und nachvollziehbar zu machen, wenn es um die Transformation in Sachen Energie geht und in die Richtung einer intelligenten Welt.
Hier verlinken wir das Video, damit man das Gespräch komplett sehen kann. Der Link führt auf die Youtube Seite der Mission Innovation Austria. Einer Veranstaltung rund um das Thema Energiewende. Eine Zusammenfassung des Talks gibt es darunter in schriftlicher Form.
Exponentielles Wachstum – eine besondere Herausforderung für die Energiewende
„Wir Menschen haben ein Problem mit exponentiellen Entwicklungen“, erklärt Kurt Misak im Interview. Dieser Satz bringt treffend auf den Punkt, warum die Energiewende nicht nur technologische, sondern auch organisatorische und infrastrukturelle Herausforderungen mit sich bringt. Während Planungen oft von linearen Entwicklungen ausgehen, zeigt sich, dass erneuerbare Energien eher exponentiell wachsen.
Ein Beispiel: In Österreich wurden im letzten Jahr in manchen Monaten über 200 Megawatt an Photovoltaikanlagen zugebaut. Derartige Zahlen sind auch für Deutschland relevant, wo der Ausbau der Solarenergie immer mehr an Fahrt gewinnt. Solche Entwicklungen stellen die Stromnetze vor enorme Herausforderungen, denn die Infrastruktur muss nicht nur die durchschnittliche Stromversorgung gewährleisten, sondern insbesondere für Spitzenlasten ausgelegt sein. So kann es beispielsweise in sonnenreichen Stunden zu massiven Einspeisungen kommen, die das Netz stabil verarbeiten muss – eine enorme Herausforderung, die Netzbetreiber in Deutschland ebenso betrifft wie jene in Österreich.
Dezentrale Lösungen als Hoffnungsträger?
Eine Lösung, die immer häufiger diskutiert wird, sind dezentrale Ansätze zur Lastenreduktion im Stromnetz. Misak sieht hier großes Potenzial, sowohl in Österreich als auch in Deutschland:
„Durch intelligente Speicherlösungen und smarte Verbrauchssteuerung können wir den Strombedarf vor Ort optimieren und weniger ins Netz einspeisen oder entnehmen.“
Das bedeutet, dass Verbraucher und Erzeuger auf regionaler Ebene durch den Einsatz von Batteriespeichern, intelligenten Steuerungssystemen und flexiblen Einspeisungslösungen das Netz entlasten können.
Aber so vielversprechend diese Lösungen auch sind, sie allein reichen nicht aus, um das gesamte Problem zu lösen. Der Netzbetreiber muss weiterhin massiv in den Ausbau und die Modernisierung der Übertragungsnetze investieren, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein weiteres Hindernis: die oft langwierigen Genehmigungsverfahren für neue Netzinfrastrukturprojekte, die sowohl in Deutschland als auch in Österreich den Ausbau erheblich verzögern.
Netzstabilität: Das unsichtbare Rückgrat der Energiewende
„Die Energiewende wird im Netz entschieden“, betont Kurt Misak mehrfach im Interview. Diese Aussage unterstreicht, dass das Stromnetz das Rückgrat der Energiewende darstellt – und das gilt weltweit. Während die Öffentlichkeit oft auf die Produktion erneuerbarer Energien fokussiert ist, bleibt die Infrastruktur, die diese Energie zu den Verbrauchern bringt, häufig unbeachtet. Dabei ist ein stabiles, leistungsfähiges Netz essenziell für den Erfolg der Energiewende. Ohne funktionierende Netze bleibt die grüne Energie in Solar- und Windparks ungenutzt.
Netzbetreiber wie die APG oder die deutschen Übertragungsnetzbetreiber wie TenneT oder 50Hertz arbeiten täglich daran, die Netzstabilität zu gewährleisten. „Infrastruktur wird oft nur dann wahrgenommen, wenn sie nicht funktioniert“, sagt Misak. Die Netzbetreiber müssen 24/7 dafür sorgen, dass die Stromversorgung reibungslos läuft. Erst wenn es Probleme gibt, wird deutlich, wie entscheidend ein stabiles Netz ist.
In den letzten Jahren ist das Thema Netzstabilität jedoch stärker in den Fokus gerückt. Misak erklärt, dass Netzbetreiber oft als Bremser der Energiewende wahrgenommen werden, wenn es zu Verzögerungen beim Netzausbau kommt. Doch die Realität ist komplexer: Netzbetreiber müssen dafür sorgen, dass sowohl kurzfristige als auch langfristige Kapazitätsanforderungen erfüllt werden – ein Prozess, der erhebliche Investitionen und Zeit erfordert.
Was muss sich ändern?
Um die Energiewende erfolgreich voranzutreiben, braucht es nicht nur technologische Lösungen, sondern auch Anpassungen in den bürokratischen Prozessen. Misak wünscht sich, dass die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden:
„Bei der Salzburg-Leitung hat der Genehmigungsprozess statt der geplanten 15 Monate ganze 78 Monate, also die fünffache Zeit, in Anspruch genommen.“
Diese Verzögerungen betreffen auch Deutschland, wo der Ausbau der Stromnetze ebenfalls durch langwierige Genehmigungsverfahren und Einsprüche verzögert wird.
Neben der Beschleunigung der Verfahren ist es wichtig, die Bevölkerung besser über die Bedeutung der Stromnetze aufzuklären. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass ein stabiles Netz die Grundlage für die Nutzung erneuerbarer Energien ist. Misak betont, dass es nicht darum geht, Angst vor einem Blackout zu schüren, sondern um eine sachliche Information, damit die Akzeptanz für notwendige Projekte steigt.
Fazit: Die Energiewende braucht starke und flexible Netze
Die Energiewende bringt große Herausforderungen mit sich – insbesondere, weil sich die erneuerbaren Energien oft schneller entwickeln, als es die Infrastruktur nachziehen kann. **Dezentrale Lösungen** wie Speichertechnologien und intelligente Verbrauchssteuerung sind wertvolle Ansätze, aber ohne einen raschen und gut geplanten Ausbau der Übertragungsnetze wird es schwer, die Energiewende erfolgreich zu meistern.
„Wir tun alles, damit es sich ausgeht“, sagt Kurt Misak zuversichtlich. Doch um die Energiewende wirklich umzusetzen, braucht es nicht nur Engagement seitens der Netzbetreiber, sondern auch effizientere Genehmigungsprozesse und eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich steht die Netzstabilität im Mittelpunkt der Energiezukunft – und ohne sie wird die Wende zur nachhaltigen Energiegewinnung kaum gelingen.