E-Government: Moderne Verwaltung soll Standort Deutschland stärken

Aufmacherbild (C) BMI / Henning Schacht

E-Government bedeutet nicht nur modernere elektronische Kommunikation, sondern auch mehr Offenheit und Transparenz – damit Behörden und Bürger enger zusammenrücken und die Effizienz gesteigert wird. Bundesregierung, Forschungs-Einrichtungen und Unternehmen erhoffen sich dadurch mehr Schlagkraft und Attraktivität für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und die Chancen, dass diese Rechnung aufgehen könnte, stehen nicht schlecht.

„Zu viele Menschen, Unternehmen und öffentliche Institutionen stoßen bei der Nutzung digitaler Dienste noch auf Probleme – etwa die mangelnde Versorgung mit leistungsfähigen Internetverbindungen, elektronische Behördendienste, die nicht über Grenzen hinweg funktionieren, oder Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Online-Einkauf oder -Verkauf“, erklärte Andrus Ansip, Vizepräsident der EU für den digitalen Binnenmarkt, bei der Vorstellung eines Maßnahmenpakets im Herbst letzten Jahres. Sein Fazit ist eindeutig: „Das müssen wir ändern.“

Warum eine Initiative nötig ist, zeigt eine Schätzfrage

Wie groß ist der Aufwand für Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern, um Anträge und Daten bei Behörden einzureichen? Schätzen Sie bitte die Gesamtzahl der jährlichen Personaltage.

Die Zahl ist so unglaublich hoch, dass eine „beschleunigte“ Initiative unabdingbar erscheint (und wir uns deshalb die Auflösung bis zum Ende dieses Beitrags vorbehalten). Zum Glück ist seit der Vorstellung der EU-Strategie ein Prozess in Gang gesetzt worden, der auch die einzelnen Länder wachgerüttelt hat. Wobei „grenzüberschreitende Probleme“ schon innerhalb Deutschlands bestehen, bedingt durch seine föderale Struktur. Oft erweisen sich Insellösungen als inkompatibel – zentral organisiertes E-Government funktioniert in der Regel wirkungsvoller.

Seit der CeBIT 2017 ist hierzulande eine ambitionierte Marschroute vorgegeben:

„Deutschland soll digitales Wachstumsland Nummer eins in Europa werden.“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)

Eine neue industrielle Revolution sei im Gange, sagt das BMWi. Nicht mehr der einzelne Hersteller oder Anbieter stehe im zentrum, sondern der Konsument mit seinen vielfältigen Ansprüchen, für die er eine möglichst integrierte Lösung erwarte. Diese Aussage lässt sich auch gut auf das Thema E-Government übertragen. Nicht die Behörde als „Weisungsabsender“, sondern der Bürger als „Nutzer“ steht im Mittelpunkt. Er greift für seine vielfältigen Anliegen auf integrierte Lösungen zurück.

Vor- und Nachteile des E-Government

Im Begriff „Electronic Government“ bündeln sich Regierungs- und Verwaltungsprozesse, die mittels moderner IT-Lösungen zwischen Ämtern und Bürgern abgewickelt werden. Viele Bürger nutzen beispielsweise schon die Behördenrufnummer 115, um Verwaltungsanliegen zu klären, geben die Steuererklärung elektronisch ab oder melden ihr neues Auto über das Internet beim Straßenverkehrsamt an. Noch wichtiger werden elektronische Wege für Unternehmen – etwa bei Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge.

Zu den Problemen zählen Fragen des Datenschutzes, die ausreichende Beachtung der Privatsphäre sowie Möglichkeiten des Staates, dem Bürger quasi über die Hintertür auf den PC zu schauen. Auch das Argument, welchen Zugang Nicht-PC-Besitzer nutzen sollen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die Vorteile jedoch überwiegen: Der Kontakt zu den Behörden wird mit E-Government „direkter“ und rund um die Uhr möglich, viele zeitaufwändige Wege entfallen. Durch die Automatisierung typischer Abläufe werden in den Behörden auch wieder mehr Kapazitäten frei, etwa für Sonderfälle. Für die Unternehmen wiederum geht man von großen Einsparungen aus, weil der berüchtige „Verwaltungskram“ reduziert wird und auch Behördengänge wegfallen können. Dies wäre ein nicht zu unterschätzender Aspekt für mehr Schlagkraft und Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Moderne Verwaltung: Andere Länder sind schon weiter

In Estland beispielsweise gibt es schon über 600 E-Government-Dienste, von der elektronischen Steuererklärung bis hin zum E-Voting. Am zufriedensten sind Umfragen zufolge die Schweizer Internetnutzer, und als „Europameister“ bei der elektronischen Verwaltung galten schon 2010 die Österreicher.

Drei Viertel der Österreicher nutzen schon E-Government-Angebote. (C) eGovernment MONITOR
Drei Viertel der Österreicher nutzen schon E-Government-Angebote. (C) eGovernment MONITOR

Dagegen reicht es für Deutschland im aktuellen Bericht der EU-Kommission nur für Platz 18 von 28. Dass nicht mal jeder fünfte Bürger entsprechende Angebote nutzt, ist einer der niedrigsten Werte in der gesamten EU. Da ist es kein Wunder, dass die Kommission der Bundesregierung und den Ländern empfiehlt, den Bekanntheitsgrad der bestehenden Angebote zu erhöhen, sie benutzerfreundlicher zu gestalten und dabei „die datenschutzrechtlichen Bedenken der Bürger“ zu berücksichtigen.

In den Ländern sind digitale Behördendienste noch zu wenig bekannt. (C) eGovernment MONITOR
In den Ländern sind digitale Behördendienste noch zu wenig bekannt. (C) eGovernment MONITOR
Aktuelle Studie zum Abruf. (C) eGovernment MONITOR

Tipp 1: Die seit 2010 jährlich durchgeführte Studie „eGovernment MONITOR“ der Initiative D21 und des Institute for Public Information Management bewertet die Akzeptanz, Nutzung und Zufriedenheit sowie Treiber und Barrieren für die Nutzung von digitalen Verwaltungsangeboten in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz.

Tipp 2: Das Kompetenzzentrum schlechthin, was Forschung und Beratung zum Thema E-Government betrifft, ist das ifG.CC in Potsdam. Dabei handelt es sich um einen Verbund verschiedener Organisationen, die Lösungen für modernes Regieren und Verwalten unter intensiver Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) erforschen und entwickeln.

(C) ifG.CC

Nicht nur aus Effizienz- und Transparenz-Gründen seien Optimierungen wichtig, schreibt das ifG.CC auf seiner Website: „Angesichts neuer weltweiter Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel, Terrorismus, Ressourcenverknappung und demografischem Wandel sind neue Governance-Formen gefragt, die durch IKT ermöglicht werden.“

Virtuelles Verwaltungsportal: nur drei Klicks bis zum Ziel

Angesichts des Nachholbedarfs in Deutschland soll sich die Lage spätestens in fünf Jahren deutlich verbessern: Mit nur drei Klicks sollen möglichst alle Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen erreichbar sein – die lange Suche im Netz nach der richtigen Stelle soll entfallen. Dazu werden Verwaltungsportale aller Behörden zu einem Portalverbund verknüpft. Die Bürger können eigene Nutzerkonten einrichten und sich für das Sicherheitsniveau authentifizieren, das für die jeweilige Verwaltungsdienstleistung notwendig ist.

Eine weitere Initiative ist die „mobile AusweisApp2“, über die das Smartphone quasi zum Kartenlesegerät wird. Bisher war für die Online-Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen ein separates Zusatzgerät erforderlich, das sich auch nur an stationäre PCs anschließen ließ. Künftig sollen sich viele solche Vorgänge je nach Wunsch und Aufwand vollständig über die App abwickeln lassen.

Regionale und lokale Initiativen haben bereits zahlreiche Möglichkeiten getestet – etwa Beteiligungsportale (Berngau, Neudorf, Neumarkt, Steinach, Nürtingen) oder auch die Beteiligung der Bürger über soziale Netzwerke (Ulm). Die „Intelligente Welt“ hat über diese Projekte bereits im Rahmen der Reihe „Landleben 2.0“ berichtet.

Diese Angebote für mehr Bürgerbeteiligung (Open Government) sind am beliebtesten. (C) eGovernment MONITOR

E-Government als neuer Meilenstein in der Digitalisierung

Die Versorgung mit smartem Lösungen in Politik und Verwaltung sehen Forscher sogar als „Quantensprung in der Grundversorgung“ und als nächste Veränderungswelle wie seinerzeit die Industrialisierung. Wir zitieren deshalb noch einmal Andrus Ansip, Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt:

„Ich appelliere an die EU-Mitgliedstaaten, keine Zeit zu verlieren, denn es geht bei den Vorschlägen für einen digitalen Binnenmarkt darum, die digitale Leistungsfähigkeit der EU-Länder zu erhöhen und ihre Wirtschaft anzukurbeln.“

Auflösung zur Schätzfrage

Zum Schluss möchten wir die genaue Antwort auf die Schätzfrage vom Beginn dieses Beitrags nicht vorenthalten: Sage und schreibe 365 Personaltage an Arbeitskraft, also ein ganzes Jahr, entstehen für den Aufwand rund um Behörden. Und das in einem einzigen großen Unternehmen.

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