Autonomes Fahren: Start-ups forschen für den letzten großen Schritt

Sie meinen es wirklich ernst mit dem autonomen Fahren, und es werden immer mehr: Wie das berühmte Wettrennen zum Südpol muten die Anstrengungen der mittlerweile gut 300 (!) Start-ups an, um als erster den höchsten Level zu erreichen – das fahrerlose Auto, das wirklich alles alleine macht. Von fünf Leveln sind aktuell zwei erreicht, der dritte ist in Sicht, und der Fahrplan zur Mobilität der Zukunft bereits international festgezurrt.

Aufmacherbild: (C) Zoox

Nur ein „Wunschtraum für Technik-Nerds“? So geistert das Thema autonomes Fahren noch hin und wieder durch die Medien – doch diesen Zustand hat es längst verlassen. CometLabs, ein US-Fonds, der Risikokapital für Start-ups im Bereich KI und Robotik verwaltet, hat im Sommer eine Studie veröffentlicht, nach der 263 kleine und große Firmen Hard- und Software zum Thema autonomes Fahren anbieten.

Übersicht über Start-ups im Bereich autonomes Fahren. (C) CometLabs

Doch selbst seit der Veröffentlichung dieser Studie sind schon wieder weiterere hinzugekommen. Ob Hersteller oder Zulieferer, sie alle forschen fieberhaft an Verbesserungen und Problemlösungen, um mindestens „Level 3“ zur Serienreife zu bringen. Testfahrzeuge sind bereits weltweit unterwegs.

Autonomes Fahren – was bedeuten die Level?

Level 1, das assistierte Fahren, können fast alle modernen Autos (Tempomat, Abstandsregelung). In Level 2 läuft das Fahren teilautomatisiert, manches Oberklassefahrzeug kann auf der Autobahn selbstständig geradeaus fahren oder zumindest in Staus komplett übernehmen. Beim hochautomatisierten Fahren in Level 3 wird dem Fahrer fast die ganze Arbeit abgenommen, trotzdem muss er jederzeit eingreifen können.

Die fünf Level zur Klassifizierung der verschiedenen Entwicklungsstände für autonomes Fahren. (C) VDA

Für die 2020er-Jahre rechnet man mit dem vollautomatisierten Fahren (Level 4), wobei auch hier ein Fahrer zugegen sein muss. Spätestens 2030 könnten, so die Prognose, dann schließlich Fahrzeuge mit Level 5 unterwegs sein – ganz allein und ohne Lenkrad. Dem international gültigen fünfstufigen System widmet sich auch das Digitalmagazin der Intelligenten Welt.

Erste unbemannte Fahrt mit Passagier

Das erste fahrerlose Auto auf öffentlichen Straßen war Waymo, das Projekt für autonome Fahrzeuge von Google. Die Weltpremiere der unbemannten Autofahrt mit einem buchstäblich blinden Passagier, einem sehbehinderten Freund des Waymo-Ingenieurs Nathaniel Fairfield, fand 2015 statt.

Ein blinder Mitfahrer im fahrerlosen Auto von Waymo. (C) Waymo

Ein Konzeptfahrzeug für Level 5 hat Volkswagen mit dem „Sedric“ im März diesen Jahres vorgestellt. Das etwa 90-sekündige Video können Sie sich hier anschauen:

Bis zum Level 5 gibt es aber noch viel zu tun: Die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander, aber auch mit der Infrastruktur muss verbessert beziehungsweise überhaupt erst eingerichtet und dann aufwendig getestet werden, um absolute Ausfallsicherheit zu gewährleisten. Deswegen investieren viele Start-ups ihre Bemühungen in die Forschung rund um Sensorik und Software, damit die Systeme präziser und anpassungsfähiger werden.

Mit jedem neuem Start-up und Fahrzeug wird autonomes Fahren mehr zum Alltag

Die Marschroute ist klar: Die Chance, dass die Serienreife schnell(er) erreicht wird, wächst mit jedem Unternehmen, das auf diesem Markt mitspielen will. Und je mehr Fahrzeuge „automatisierter“ unterwegs sind, desto mehr können die Firmen wertvolle Daten und damit Erfahrungen sammeln – so wie es bereits Tesla tut, indem es eine stetige Optimierung per Mobilfunk in die Fahrzeuge einspielt.

Ein Beispiel für innovative Software-Entwicklung ist Aurora Innovation, das im vergangenen Jahr im Silicon Valley von Sterling Anderson (vorher bei Tesla), Drew Bagnell (Google) und Chris Urmson (Uber) gegründet wurde – alle drei waren bei ihren Ex-Arbeitgebern die Leiter der Entwicklungsprogramme für autonomes Fahren. Datendienste von Aurora sollen vollautomatisiertes Fahren ermöglichen, sodass der Fahrer nicht immer aufpassen muss, weil das Verkehrsgeschehen durch Vernetzung der Fahrzeuge quasi von allein gehandhabt wird.

„Computersysteme sollten Menschen hinter dem Lenkrad so schnell wie möglich ersetzen.“ (Uber-Gründer Travis Kalanick)

Robotertaxis – das nächste große Ding?

Bei Uber wiederum kommen Komponenten von Carnegie Robotics zum Einsatz. Die Firma entwickelt nach eigenen Angaben „hochzuverlässige“ Robotersysteme und -komponenten, etwa 3D-Kameras, Positionierungssysteme und Embedded Computer für mobile Roboterlösungen. Eingesetzt werden sie in selbstfahrenden Taxis, die seit 2016 in Pittsburgh im US-Staat Pennsylvania unterwegs sind – ausgestattet mit 22 Kameras und unzähligen Laser-Sensoren. Carnegie Robotics wurde von John Bares gegründet, vorher Leiter des Pittsburgher Carnegie Mellon University’s National Robotics Engineering Center.

Schon seit vier Jahren, jedoch eher im Verborgenen, arbeitet das Unternehmen Zoox an vollständig autonomen Taxis, die ebenfalls bereits in Kalifornien getestet werden. Laut einem Technik-Blog soll das gleichnamige Fahrzeug „mehr sein als ein Auto, das sich einfach nur selbst steuert, sondern das jeden Aspekt des Fahrens neu erfindet“. Zoox soll 250 Millionen Dollar von Investoren eingesammelt haben, wird mit 1 Milliarde Dollar bewertet und hat nach und nach zahlreiche Mitarbeiter von Apple, Google und Chiphersteller Qualcomm übernommen; weitere Dutzende Stellen sind ausgeschrieben. Prompt wird Zoox bereits als „neues Uber“ gehandelt.

Immer mehr Start-ups testen autonome Fahrzeuge in Kalifornien

„In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die Technologie unsere Interaktion mit der digitalen Welt drastisch verändert. In diesem Jahrzehnt werden intelligente Roboter die Interaktion mit der physischen Welt neu gestalten. Wir bauen gerade welche.“ Mit diesen Worten setzt sich das Start-up Nuro auf seiner Webseite in Szene.

Collage zum Thema autonomes Fahren. (C) Nuro.ai / Screenshot

Ein Team aus Ingenieuren, Designern und Wissenschaftlern arbeitet an Level-4-Fahrzeugen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sein werden und in naher Zukunft auf öffentlichen Straßen in Kalifornien getestet werden sollen. Auch hier sind die Gründer ehemalige Mitarbeiter von Googles Entwicklungsprogramm für autonome Fahrzeuge.

Deutsche Unternehmen halten die meisten Patente

Doch auch wenn es so aussieht, als würde die Entwicklung im Bereich autonomes Fahren vorwiegend von den USA oder auch Asien ausgehen, so haben deutsche Unternehmen den Trend nicht etwa unterschätzt, sondern mischen kräftig mit. Allein bei den weltweit angemeldeten Patenten in diesem Bereich, so ergab eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, entfallen über die Hälfte auf deutsche Firmen. Zu den Spitzenreitern zählen Bosch, Audi, Continental, BMW, Volkswagen und Daimler – erst auf Platz 10 liegt Google. Von allen weltweiten Patenten halten deutsche Autohersteller 47 Prozent, deutsche Zulieferer sogar 76 Prozent.

Noch ist das weltweite Rennen um die nächsten Schritte und „Levels“ beim autonomen Fahren also offen – und deutsche Unternehmen vom Start-up bis zum Großkonzern sind dafür keineswegs schlecht aufgestellt.

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